BT-Drucksache 16/9053

Berechnung und Verwendung der Risikoüberschüsse aus sogenannten Riester-Verträgen

Vom 5. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9053
16. Wahlperiode 05. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Katja Kipping, Jan Korte, Wolfgang Neskovic,
Volker Schneider (Saarbrücken), Frank Spieth und der Fraktion DIE LINKE.

Berechnung und Verwendung der Risikoüberschüsse aus sogenannten
Riester-Verträgen

Durch die Einführung der sogenannten Riester-Rente erfolgten im Jahr 2002
die Teilprivatisierung der Alterssicherung und der Einstieg in die staatliche
Förderung der privaten Altersvorsorge. Dabei ist der Generationenvertrag der
Renten in Teilen aufgekündigt worden und eine langfristig drastische Senkung
des Niveaus der gesetzlichen Rente beschlossen worden. Die Lücke, die da-
durch in den Alterseinkünften der Versicherten entsteht, soll durch die staatlich
geförderte Privatvorsorge teilweise geschlossen werden. Der Lebensstandard,
der früher durch die gesetzliche Rente gesichert war, kann nunmehr im Alter
nur durch zusätzliche private und betriebliche Vorsorge gehalten werden. Die
staatliche Förderung der Riester-Rente soll dafür sorgen, dass die Versicherten
tatsächlich auch privat vorsorgen, damit die Strategie der Alterssicherung aus
drei Säulen aufgeht und möglichst wenig unzureichende Versorgungslagen im
Alter auftreten.

Mittlerweile zeichnet sich allerdings immer mehr ab, dass der Paradigmen-
wechsel hin zur staatlich geförderten privaten Altersvorsorge insgesamt zu
einer Absenkung des Sicherungsniveaus der Mehrheit der Bürgerinnen und
Bürger führt und nicht zu einer Kompensation der Ausfälle in der gesetzlichen
Rente (Rentenversicherungsbericht 2007, vgl. Übersicht B 8). Vor allem für
Geringverdienende, aber auch Personen, die längere Zeiten beschäftigungslos
sind und keine eigenen Rentenansprüche oberhalb der Grundsicherung im Alter
erreichen, erlangen durch die Riester-Rente keinerlei Steigerung ihres Renten-
niveaus, da diese mit dem Anspruch auf Grundsicherung verrechnet wird. So-
mit dient der durch private Vorsorge erwirtschaftete Anspruch im Ergebnis der
Entlastung des Staates, während die Alterseinkommen auf Grundsicherungs-
höhe verbleiben.

Fraglich ist darüber hinaus, inwieweit eine sozial gerechte und angemessene
Verteilung der Risikoüberschüsse aus den Riester-Verträgen erfolgt. Diese richtet
sich auch nach der Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der
Lebensversicherung (Mindestzuführungsverordnung) vom 4. April 2008. Nach
deren § 4 Abs. 4 beläuft sich die Mindestzuführung zur Rückstellung für die

Beitragsrückerstattung auf 75 vom Hundert des auf überschussberechtigte Ver-
sicherungsverträge entfallenden Risikoergebnisses. Damit erlangen die ver-
sicherungsmathematischen bzw. -wirtschaftlichen Grundlagen der Feststellung
des Risikoergebnisses unmittelbare sozialpolitische Bedeutung und geben An-
lass zu diesbezüglichen Nachfragen.

Drucksache 16/9053 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, auf Angehörige
welcher Einkommensgruppen sich Abschlüsse von Riester-Verträgen ver-
teilen?

2. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Riester-Förderung Haushalte
mit niedrigem Einkommen dazu motiviert, mehr für die private Alters-
vorsorge zu sparen (bitte begründen)?

Welche empirischen Belege kann sie dafür anführen, dass diese Strategie
aufgeht?

3. Inwieweit ist die Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der
Lebensversicherung (Mindestzuführungsverordnung) vom 4. April 2008 auf
Verträge, die die Riester-Förderung erhalten, anwendbar, und wie viele der
abgeschlossenen ca. 10, 7 Millionen Verträge betrifft sie?

4. Wie war die Rückstellung von Risikoüberschüssen der Versicherungen bis-
her geregelt?

a) Wie erfolgte die Beitragsrückerstattung zu Gunsten der einzelnen Ver-
sicherungsnehmerinnen und -nehmer aus den Risikoüberschüssen und
wie berechnete sich ihre konkrete Höhe?

b) War die Rückstellung nach den verschiedenen Versicherungsarten, ins-
besondere nach solchen, die der Riester-Förderung unterliegen, unterteilt?

c) Wenn die Risikoüberschüsse aus den Riester-Renten nicht separat aus-
gewiesen wurden, wie war dann eine Verwendung der Rückstellung für
die Riester-Verträge sichergestellt?

d) Wie wurde die Verwendung der Rückstellung für die Riester-Verträge
bislang überprüft?

5. Wie ist die Rückstellung von Risikoüberschüssen der Versicherungen jetzt
geregelt?

a) Wie soll die Beitragsrückerstattung zu Gunsten der einzelnen Versiche-
rungsnehmer aus den Risikoüberschüssen erfolgen, und wie berechnet
sich ihre konkrete Höhe?

b) Ist die Rückstellung nun nach den verschiedenen Versicherungsarten, ins-
besondere nach solchen, die der Riester-Förderung unterliegen, unter-
teilt?

c) Wenn die Risikoüberschüsse aus den Riester-Renten nicht separat aus-
gewiesen werden, wie soll dann eine Verwendung der Rückstellung für
die Riester-Verträge sichergestellt werden?

d) Wenn die Risikoüberschüsse aus den Riester-Renten nicht separat aus-
gewiesen werden, wie soll dann die Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin) ihren Prüfaufgaben in diesem Zusammenhang
nachkommen?

6. Was versteht die Bundesregierung unter einem „verursachungsorientiertem
Verfahren“ zur Beteiligung der Versicherten an dem Überschuss (§ 153 des
Versicherungsvertragsgesetzes – VVG)?

7. Welche Unterschiede können sich aus einem solchen verursachungsorien-
tierten Verfahren gegenüber einer verursachungsgerechten Beteiligung an
den Überschüssen ergeben?

8. Ist es im Rahmen der Beteiligung der Versicherungsnehmerinnen und Ver-
sicherungsnehmer an dem Risikoüberschuss nach einem verursachungs-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9053

orientierten Verfahren möglich, die entstehenden Überschüsse über den
Umweg der Rückstellung für die Beitragsrückerstattung

a) teilweise auch auf andere private Rentenversicherungen zu verteilen,

b) nicht zeitnah zu verteilen?

9. Wie hoch ist das durchschnittliche Sterbealter von Personen, die eine
Riester-Förderung erhalten nach den Sterbetafeln der Versicherungsanbie-
ter bzw. der Deutschen Allgemeinen Versicherung ungefähr angesetzt?

10. Wie hoch ist das durchschnittliche Sterbealter für andere private Renten-
versicherungstarife als die Riester-Rente nach den Sterbetafeln der Ver-
sicherungsanbieter bzw. der DAV ungefähr angesetzt?

11. Wie hoch ist das tatsächliche durchschnittliche Sterbealter der Gesamt-
bevölkerung, wie sie etwa das Statistische Bundesamt für Zwecke der Be-
völkerungsprognose errechnet hat?

12. Wie hoch ist das tatsächliche durchschnittliche Sterbealter von privat
Rentenversicherten, die nicht der Riester-Förderung unterliegen?

13. Sind der Bundesregierung Untersuchungen bekannt, die einen deutlichen
Zusammenhang zwischen dem Sterbealter der Versicherten und der Höhe
der versicherten Rente zeigen?

Wenn ja, welche Schlüsse zieht sie daraus?

14. Wie erklärt sich die Bundesregierung die etwaige Diskrepanz zwischen
dem nach den Sterbetafeln der Versicherungsanbieter angesetzten durch-
schnittlichen Sterbealter von Personen, die eine Riester-Förderung erhalten
und dem tatsächlichen durchschnittlichen Sterbealter der Gesamtbevölke-
rung, wie sie etwa das Statistische Bundesamt für Zwecke der Bevölke-
rungsprognose errechnet hat?

15. In welcher Höhe fallen durch diese etwaige Diskrepanz schätzungsweise
jährlich Risikoüberschüsse bei den Versicherungsunternehmen an?

16. Ist nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt, dass bei Riester-Renten,
bei welchen infolge kürzerer Lebenserwartung ihrer Bezieherinnen und
Bezieher, höhere Risikoüberschüsse entstehen, diese größtenteils auch
wieder rentenerhöhend für Riester-Rentnerinnen und -Rentner wirken?

a) Wenn ja, wodurch?

b) Wenn nicht, wieso nicht?

17. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung möglich, dass die Riester-Rentne-
rinnen und -Rentner durch die aus ihren Verträgen resultierenden Risiko-
überschüsse die besserverdienenden Rentnerinnen und Rentner in privaten
Rentenversicherungen und deren höhere Renten und längere Lebenserwar-
tung quersubventionieren?

a) Wenn nicht, warum nicht?

b) Wenn ja, inwieweit kommen dann die staatlichen Fördermittel für die
Riester-Verträge im Ergebnis überhaupt den Riester-Rentnerinnen und
- Rentnern zugute?

18. Nach wie vielen Jahren Rentenbezug ist durchschnittlich das Eigenkapital
der Riester-Rentnerin oder des Riester-Rentners mitsamt Verzinsung (ein-
schließlich der Verzinsung der staatlichen Fördermittel) aufgebraucht, so
dass sie oder er unmittelbar von den staatlichen Zuschüssen profitiert?

Drucksache 16/9053 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
19. Beabsichtigt die Bundesregierung durch eine Gesetzesinitiative oder durch
eine Verordnung sicherzustellen, dass eine Vermischung der Risikoge-
winne aus Riester-Verträgen mit solchen ohne eine staatliche Förderung
unterbleibt?

a) Wenn ja, wie?

b) Wenn nicht, warum nicht?

20. Wie viele Externe, d. h. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verbänden,
Interessengruppen oder Unternehmen waren an der Erstellung der Ver-
ordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung
(Mindestzuführungsverordnung) vom 4. April 2008 direkt oder indirekt
beteiligt (bitte nach Anzahl, Art der Tätigkeit und Verband, Interessen-
gruppe oder Unternehmen aufschlüsseln)?

Berlin, den 2. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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