BT-Drucksache 16/8891

Mehr Wettbewerb im Anschlussmarkt für Ersatzteile europaweit sichern - Verbraucherrechte durch Einführung einer "Reparaturklausel" stärken

Vom 23. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8891
16. Wahlperiode 23. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Martin Zeil, Mechthild Dyckmans, Paul K. Friedhoff, Rainer
Brüderle, Hans-Michael Goldmann, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Angelika
Brunkhorst, Patrick Döring, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Markus Löning, Horst
Meierhofer, Burkhardt Müller-Sönksen, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Mehr Wettbewerb im Anschlussmarkt für Ersatzteile europaweit sichern –
Verbraucherrechte durch Einführung einer „Reparaturklausel“ stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Europäische Kommission zielt auf die Vollendung des Binnenmarkts mittels
einer Liberalisierung des rechtlichen Schutzes von Mustern und Modellen ab,
die mit der Richtlinie 98/71/EG eingeleitet und erst teilweise bewerkstelligt
wurde. Hierdurch soll der Wettbewerb verstärkt und dem Verbraucher eine
größere Auswahl von Lieferanten von Ersatzteilen zu Reparaturzwecken gebo-
ten werden. Gleichzeitig hält der Vorschlag allgemeine Anreize für Investitionen
in Geschmacksmuster aufrecht, da der Musterschutz für Neuteile, die auf der
Herstellungsstufe in komplexe Erzeugnisse eingebaut werden, unberührt bleibt.
Hauptzweck des Geschmacksmusterschutzes ist die Gewährung ausschließ-
licher Rechte am Erscheinungsbild eines Produktes, nicht jedoch die Schaffung
eines Monopols auf das Erzeugnis an sich. Geschmacksmusterschutz auf dem
Anschlussmarkt für Ersatzteile, zu dem es keine praktische Alternative gibt,
würde zu einem Produktmonopol führen.

Unter Binnenmarktgesichtspunkten ist die gegenwärtige Situation, die durch un-
terschiedliche, sich entgegenstehende Regelungen zum Geschmacksmuster-
schutz von Ersatzteilen gekennzeichnet ist, gänzlich unbefriedigend. In Belgien,
Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien sowie
dem Vereinigten Königreich von Großbritannien gibt es sog. Reparaturklauseln,

wonach zwar neuen Erzeugnissen Muster- und Modellschutz gewährt wird, im
Anschlussmarkt zu Reparatur- oder Ersatzzwecken anderweitige Teile aber zu-
gelassen sind. Die Bemühungen der Europäischen Kommission, die positiven
Erfahrungen dieser Länder im Rahmen der Novellierung der EU-Richtlinie
98/71/EG (KOM(2004) 582) über den rechtlichen Schutz von Mustern und
Modellen gemeinschaftsrechtlich stärker zu verankern, ist grundsätzlich zu be-
grüßen.

Drucksache 16/8891 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Im Automobilsektor, der am stärksten betroffen ist, gibt es einen Binnenmarkt
für Neuwagen, aber keinen solchen für Ersatzteile. Ersatzteile für Kraftfahr-
zeuge können derzeit in der Europäischen Gemeinschaft nicht frei hergestellt
und gehandelt werden. Aufgrund dieser Fragmentierung und wegen Unklarhei-
ten in Bezug auf die geltenden Geschmacksmusterregelungen in der Gemein-
schaft besteht bei den Bürgern Ungewissheit darüber, ob und gegebenenfalls in
welchem Mitgliedstaat der Kauf gewisser Ersatzteile rechtmäßig ist. Darüber
hinaus ist ihnen in Teilen der Gemeinschaft die Wahl zwischen konkurrierenden
Ersatzteilen verwehrt. Aus dem gleichen Grund können Ersatzteilhersteller,
einschließlich kleine und mittlere Unternehmen, die in einem Binnenmarkt be-
stehenden Skaleneffekte nicht nutzen und werden von andernfalls möglichen
Investitionen sowie der Schaffung von Arbeitsplätzen abgehalten.

Aus Sicht unabhängiger Analysen von autoPOLIS und Thatcham bestehen
keine Haftungs- beziehungsweise Sicherheitsbedenken gegen die Einführung
einer „Reparaturklausel“ im Bereich der Automobilwirtschaft (Service Contract
IP/C/JURI/ST/2006-02). Auch das Münchner Max-Planck-Institut für Geistiges
Eigentum begrüßt die Einführung einer derartigen Regelung und hält diese für
geeignet, die Monopolisierung des als eigenständig zu betrachtenden Sekundär-
marktes durch die Hersteller zu verhindern. Aus Sicht der Wissenschaftler be-
stehen keine Sicherheitsbedenken, weil nur die äußere Gestaltung eines Teiles
unter den Designschutz fällt, Sicherheitsvorschriften und Prüfungsverfahren
durch die Reparaturklausel jedoch nicht berührt werden.

Auf europäischer und nationaler Ebene müssen wirksame Voraussetzungen ge-
schaffen werden, um den Anschlussmarkt für Ersatzteile weiter zu öffnen und
den Designschutz durch eine „Reparaturklausel“ auf angemessene Weise zu be-
schränken. Eine solche Regelung, die unter vollständiger Wahrung des Muster-
schutzes für Neuteile ein Ersatzteilmonopol ausschließt, ist im Interesse eines
funktionierenden Wettbewerbs dringend erforderlich. Sie schafft einen fairen
Ausgleich zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und dem Erfordernis,
freien Wettbewerb, die Schaffung und Vollendung des europäischen Binnen-
marktes und einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

● den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Änderung der Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mus-
tern und Modellen (KOM(2004) 582) zu unterstützen und auf eine zeitnahe
Verabschiedung der Richtlinie hinzuwirken;

● unverzüglich die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu
erarbeiten, um parallel zur Verabschiedung der Richtlinie die Umsetzung in
nationales Recht noch in der laufenden Legislaturperiode vorzubereiten;

● im Interesse der Verbraucher und der mittelständischen Wirtschaft keine
Übergangsfristen zum Inkrafttreten der „Reparaturklausel“ vorzusehen.

Berlin, den 23. April 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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