BT-Drucksache 16/888

Verschreibungsfähigkeit von schnell wirkenden Insulinen

Vom 8. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/888
16. Wahlperiode 08. 03. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Heinz Lanfermann,
Dr. Konrad Schily, Detlef Parr, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Uwe Barth,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-
Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Gisela
Piltz, Jörg Rohde, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Verschreibungsfähigkeit von schnell wirkenden Insulinen

Der Gemeinsame Bundesausschuss plant aufgrund des am 15. Februar 2006
veröffentlichten Abschlussberichts „Kurz wirksame Insulinanaloga zur Behand-
lung des Diabetes mellitus Typ 2“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlich-
keit im Gesundheitswesen (IQWIG), die Substanzklasse der rasch wirksamen
Insulinanaloga als unwirtschaftlich zu deklarieren und damit aus der Erstat-
tungsfähigkeit der GKV für Typ 2 Diabetiker zu nehmen. Die bereits mit Insu-
linanaloga behandelten Patienten sollen ihr Medikament weiterhin erhalten, so
dass von der Regelung allein neu mit Insulinanaloga zu behandelnde Patienten
betroffen wären.

In Deutschland gibt es derzeit 6,5 Millionen Menschen mit Diabetes mellitus,
die im Verlauf der Erkrankung häufig einer Insulinbehandlung zugeführt wer-
den. Für das Jahr 2010 werden annähernd 10 Millionen Menschen mit Diabetes
in Deutschland erwartet.

Die Zulassung der ersten Insulinanaloga erfolgte vor circa 10 Jahren als lange
Jahre von Spezialisten geforderte Weiterentwicklung.

In der EU werden kurz wirksame Insulinanaloga bereits in deutlich höherem
Grad von insulinpflichtigen Patienten genutzt: Während der Anteil der mit kurz
wirksamen Insulinanaloga Behandelten in Deutschland laut IMS-Health bei
43 Prozent liegt (und 57 Prozent weiterhin kurz wirksames Humaninsulin erhal-

ten) liegt die Rate in Großbritannien für rasch wirkende Insulinanaloga bei
76 Prozent, in den Niederlanden bei 72 Prozent, in Frankreich bei 75 Prozent, in
der Schweiz bei 79 Prozent und in Schweden bei 87 Prozent im Jahre 2005.

Mit der Einführung des Disease-Management-Programms für Typ 2 Diabetes ist
eine Regelung bundesweit eingeführt worden, um eine leitliniengerechte Be-
handlung der Volkserkrankung zu gewährleisten. Dieses Chroniker-Programm

Drucksache 16/888 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

erlaubt die Behandlung mit kurz wirksamen Analoga nach festgelegten Krite-
rien.

Nach den Plänen des Gemeinsamen Bundesausschusses wäre dies gemäß der
neuen Arzneimittelrichtlinie zukünftig nicht mehr möglich, selbst wenn beim
Patienten unter Humaninsulin das Therapieziel nicht erreicht wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen mit
Typ 2 Diabetes in Deutschland derzeit mit Insulinanaloga behandelt werden
und wie hoch die jährlich neu mit Insulinanaloga behandelte Zahl der
Patienten in den letzten Jahren gewesen ist?

2. Wie beurteilen nach Kenntnis der Bundesregierung die Menschen mit Typ 2
Diabetes mellitus ihre jeweilige Therapie und gegebenenfalls ihren Wechsel
auf eine neue Insulinbehandlung?

3. Worin besteht der Unterschied in der Wirkweise der kurz wirksamen Hu-
maninsuline und der rasch wirkenden Insulinanaloga?

Welche Vor- und Nachteile bestehen bei bestimmungsgemäßen Gebrauch
für den Patienten in der täglichen Anwendung oder im langfristigen Ge-
brauch?

4. Liegen der Bundesregierung Kosten-Nutzen-Bewertungen im Hinblick auf
die langfristigen Auswirkungen der beiden Behandlungsformen vor, die
auch unterschiedliche Komplikationsraten berücksichtigen?

5. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorwurf der Fachgesellschaften und
Patientenverbände, das IQWIG hätte in seinem Bericht die Behandlungs-
realität durch Beschränkung auf Studien der Evidenzklasse Ia weitgehend
außer Acht gelassen und weder andere Studien, noch epidemiologische Un-
tersuchungen berücksichtigt?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung den hohen Grad der so genannten Gold-
Standard-Therapie in den EU-Nachbarländern?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung das Risiko durch Ausschluss rasch wirk-
samer Insulinanaloga, in der Versorgungsqualität unter das Niveau anderer
EU-Länder zu fallen?

8. Wird das Bundesgesundheitsministerium bei seiner Prüfung der Entschei-
dung des Gemeinsamen Bundesausschusses auch die Leitlinien der Interna-
tional Diabetes Federation (IDF) mit einbeziehen, in denen Unzulänglich-
keiten in der Bewertung der kurz wirksamen Insulinanaloga durch das
Cochrane-Zentrum kritisiert werden, welches dem IQWIG als Reviewer
diente?

9. Wie vereinbart die Bundesregierung einen Ausschluss von kurz wirksamen
Insulinanaloge aus der vertragsärztlichen Versorgung, der Deutschland im
europäischen Vergleich isoliert, im Hinblick auf das angestrebte Ziel einer
Förderung der einheimischen Arzneimittelforschung?

10. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass von Diabetes mellitus betrof-
fene Menschen von der Behandlung mit kurz wirksamen Insulinanaloga in
Bezug auf Lebensqualität und Folgeerkrankungen profitieren würden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/888

11. Gibt es Hinweise in wissenschaftlichen Untersuchungen, die mit Bestimmt-
heit den kategorischen Ausschluss von Insulinanaloga bei jedweder Patien-
tengruppe zulassen, die ihre Blutzuckerwerte selber regelmäßig kontrollie-
ren und über Jahre dokumentieren?

Berlin, den 8. März 2006

Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Heinz Lanfermann
Dr. Konrad Schily
Detlef Parr
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Gudrun Kopp
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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