BT-Drucksache 16/880

Waldschäden und Gefährdung des Waldumbaus durch Baumpilze der Gattung Phytophthora

Vom 8. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/880
16. Wahlperiode 08. 03. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Jörg
Rohde, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Waldschäden und Gefährdung des Waldumbaus durch Baumpilze der Gattung
Phytophthora

Der Waldzustandsbericht 2005 der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache
16/493, S. 23) weist auf die schädigende Wirkung von Phytophthora-Baum-
pilzen hin: „Die Bedeutung der an Bäumen auftretenden Phytophthora-Arten
wird im Zusammenhang mit verschiedenen Waldschäden in zunehmendem
Maße kontrovers diskutiert.“ Während zunächst insbesondere Pflanzen der
Gattungen Rhododendron und Viburnum (Schneeball) befallen waren, tritt der
Befall inzwischen auch bei forstlich genutzten Waldbäumen auf. Phytophthora-
Pilze befallen das Wurzelsystem oder aber auch die Rinde von Bäumen. Wird
das Feinwurzelsystem eines Baumes durch den Pilz zu stark geschädigt, kommt
es zum raschen Absterben des ganzen Baumes. Der besorgniserregend
schlechte Zustand von über 50 Prozent des deutschen Eichenbestands in 2005
wird im Waldzustandsbericht auf Komplexerkrankungen zurückgeführt. Kon-
kret angeführt werden hierbei: Das Auftreten von Phytophthora-Pilzbefall, ein
verstärkter Befall von Eichenmehltau sowie die Schädigung der Eichen durch
den Prachtkäfer.

1993 wurde erstmals in England ein weit verbreitetes Absterben von Schwarz-
erlen (Alnus glutinosa) entlang von Flussläufen sowie in flussfernen Aufforstun-
gen beobachtet. Als Verursacher der Krankheit gilt ein neuer, bislang unbekann-
ter Pilz der Gattung Phytophthora. Er ist vermutlich aus zwei verschiedenen

schon lange bekannten Arten der gleichen Gattung durch Hybridisierung natür-
lich entstanden. In Süddeutschland wurde die Phytophthora-Wurzelhalsfäule an
Erlen 1995 erstmals nachgewiesen. Mittlerweile hat sich die Krankheit auf ganz
Deutschland ausgeweitet und ein Großteil der Schwarzerlenbestände ist bereits
befallen. Das „Erlensterben“ breitet sich gegenwärtig auch im übrigen Europa
sehr rasch aus. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die weite Ver-
breitung dieser Erkrankung in forstlichen und flussbegleitenden Beständen

Drucksache 16/880 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

häufig auf die Pflanzung von mit Phytophthora infiziertem Baumschulmaterial
zurückzuführen ist.

Außer Eiche und Erle werden auch Rotbuchen (Fagus sylvatica) auf wechsel-
feuchten Forststandorten von Phytophthora-Arten befallen. In Bayern wurde
erstmals 1996 über das Vorkommen verschiedener Phytophthora-Arten in er-
krankten Buchenbeständen berichtet. In der Folge wurde in Norddeutschland
auf zeitweise nassen Standorten ebenfalls die Schädigung von Buchen durch
Phytophthora festgestellt. Eine in den Jahren 2003 bis 2005 in über 100 Buchen-
beständen in Bayern durchgeführte Untersuchung zeigte, dass auf den meisten
Standorten Phytophthora-Arten Zerstörungen des Feinwurzelsystems sowie
Wurzelhalsfäulen und Stammkrebse auslösten, die die Bäume massiv schädigten.

In Großbritannien, Irland, Dänemark, Norwegen, Schweden, den Niederlanden,
Belgien, Italien, Spanien, der Schweiz und Österreich konnten bislang ver-
schiedene Phytophthora-Arten von kranken Buchen isoliert werden. Zum
Schutz vor einer weiteren Einschleppung von Phytophthora ramorum hat die
Europäische Union Notmaßnahmen erlassen. Diese sind in der Entscheidung
(2002/757/EG) vom 19. September 2002 aufgeführt und betreffen wesentlich
die Kontrolle der Importe von Rhododendron und Viburnum. Die zahlreichen
Funde bei Waldbäumen werfen jedoch die Frage auf, ob die Maßnahmen der
EU-Entscheidung ausreichen. Der Umbau reiner Nadelholzbestände zu Misch-
wäldern erfordert das Pflanzen von Laubbäumen. Werden mit den Forstpflan-
zen hoch pathogene Phytophthora-Arten in den Wald eingebracht, könnten die
Umbaumaßnahmen gefährdet werden. Daher ist die Umsetzung von phytosani-
tären Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung von Phytophthora von
großer Bedeutung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Baumarten sind in Deutschland von Phytophthora-Erkrankungen
betroffen, um welche Phytophthora-Arten handelt es sich hierbei im Einzel-
nen, und welche Flächen sind in Deutschland maßgeblich von Phytophthora-
Erkrankungen an Bäumen betroffen und in welchem Umfang?

2. Wie ist der Krankheitsverlauf bei den verschiedenen von Phytophthora-
Erkrankungen betroffenen Baumarten?

3. Beeinträchtigt der Befall mit Phytophthora die Nutzung des Holzes, und
wenn ja, in welcher Weise?

4. Welche wirtschaftlichen Schäden entstehen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung der deutschen Forst- und Baumschulwirtschaft durch Phytophthora-
Befall?

5. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwi-
schen den in Deutschland weit verbreiteten Kronenschäden der Bäume, den
durch Phytophthora-Arten bedingten Feinwurzelzerstörungen der Bäume
und den Klimaveränderungen hat die Bundesregierung?

6. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um nach dem Be-
kanntwerden der Schädigung von Bäumen durch Phytophthora-Befall in
1995 die weitere Verbreitung der Baumkrankheit zu verhindern?

7. In welcher Weise wurde die Entscheidung (2002/757/EG) vom 19. Septem-
ber 2002 über vorläufige Sofortmaßnahmen zur Verhinderung der Einschlep-
pung und Ausbreitung von Phytophthora ramorum umgesetzt?

8. Wie viele Meldungen über das vermutete oder bestätigte Auftreten des
Schadorganismus nach Artikel 5 hat es gegeben, welche Institution hat die
amtlichen Erhebungen nach Artikel 6 durchgeführt, und wie ist das Ergebnis

in 2003, 2004 und 2005?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/880

9. In welchem Umfang sind Flächen des Bundes und der BVVG vom Phytoph-
thora-Befall betroffen, und in welcher Weise hat die Bundesregierung bei
der Bewirtschaftung der Forstflächen die Gefährdung durch Phytophthora-
Befall berücksichtigt?

10. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung das Ausbringen von mit Phytoph-
thora-Pilzen infiziertem Baumschulmaterial zur weiteren Verbreitung der
Baumkrankheit beigetragen?

11. Welche anderen Übertragungswege gibt es?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Grad des Befalls von
Baumschulen mit Phytophthora?

Gibt es Programme zur Sanierung von Baumschulen?

13. Mit welcher Methode wird der Phytophthora-Befall nachgewiesen, und
welche Kosten verursacht dies?

14. Werden Forstpflanzen vor der Auspflanzung untersucht, ob sie mit Phy-
tophthora befallen sind, und wenn nein, warum nicht?

15. Welche Kenntnisse gibt es über Phytophthora-Resistenz bei Bäumen.

16. Wie ist der Stand der Phytophthora-Forschung in Deutschland?

17. Welche Forschungsvorhaben im Bereich der Ressortforschung wurden in
Auftrag gegeben, welche Vorhaben im Bereich der Universitäten gibt es,
und welche finanziellen Mittel sind zukünftig für Forschungsvorhaben auf
diesem Gebiet vorgesehen?

18. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Phytophthora-
Forschung als Grundlagenforschung anzusehen ist, die Aufgabe öffentlich
finanzierter Forschung ist?

19. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der Erforschung von
Phytophthora-Erkrankungen bei Waldbäumen und Maßnahmen zur Ver-
hinderung der weiteren Verbreitung der Baumkrankheit eine höhere Auf-
merksamkeit als bisher geschenkt werden muss, um die Stabilität unserer
Mischwälder zu sichern, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 8. März 2006

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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