BT-Drucksache 16/8774

Bahnprivatisierung zügig und konsequent beschließen

Vom 9. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8774
16. Wahlperiode 09. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring, Joachim Günther
(Plauen), Jan Mücke, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe
Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Dr. Konrad Schily, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-
Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Bahnprivatisierung zügig und konsequent beschließen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG befindet sich seit rund fünf
Jahren in der politischen Diskussion. Ob und in welcher Weise die Deutsche
Bahn AG teilprivatisiert wird, ist keine rein unternehmensbezogene Entschei-
dung, sondern besitzt vielfältige Auswirkungen auf die gesamte Schienenver-
kehrsbranche in Deutschland.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass am Ende der langjährigen Diskussion
alle Varianten eines „integrierten Börsengangs“, also einer Teilprivatisierung
der Deutschen Bahn AG mit Schienennetz, nicht mehr weiter verfolgt werden.
Zur Diskussion steht jetzt nur noch eine Teilprivatisierung der Verkehrs-,
Transport- und Logistiksparten der Deutschen Bahn AG – ohne Schienennetz
und sonstiger Infrastruktur. Auch der Bahnvorstand und die Bahngewerkschaf-
ten Transnet und GdBA haben ihren langjährigen Standpunkt, ein Börsengang
dürfe nur mit integriertem Schienennetz erfolgen, aufgegeben und damit den
Weg für eine von einem breiten Konsens getragene Privatisierungsentschei-

dung frei gemacht.

Die Privatisierung der Transport- und Logistiksparten liegt – anders als eine
Privatisierung mit integriertem Netz – in der Konsequenz der Bahnreform. Ar-
tikel 87e des Grundgesetzes und das Deutsche Bahn Gründungsgesetz, beide
aus dem Jahr 1993, zeichnen diesen Weg vor. Danach ist eine Privatisierung der
Eisenbahnverkehrsgesellschaften möglich, ohne dass eine Privatisierungssperre

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vorgegeben ist. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen hingegen können nur
bis zu 49,9 Prozent teilprivatisiert werden. Diese Unterscheidung bei Umfang
und Voraussetzung einer Privatisierung ist sinnvoll. Das Schienennetz ist der
Kern der Eisenbahn und bleibt langfristig auf Zuschüsse des Bundes angewie-
sen und muss zur Förderung des Wettbewerbs auf der Schiene schrittweise von
den Verkehrssparten der DB getrennt werden. Die Verkehrssparten (auf der
Schiene) sind hingegen weitaus weniger „staatsnah“. Sie können und sollen pri-
vatwirtschaftlich organisiert werden. Der Vorteil der Privatwirtschaftlichkeit
und somit der anstehenden Privatisierung liegt nicht alleine in der Kapitalzu-
fuhr. Diese wäre theoretisch auch anders organisierbar. Der entscheidende Vor-
teil liegt in der privatwirtschaftlichen Ausrichtung der Handlungs- und Ent-
scheidungsrationalität des Unternehmens. Private Investoren stellen sicher,
dass Effizienz, Kostensenkung und Innovation permanente Zielsetzung im Un-
ternehmen bleiben. Solange der Staat und damit die Politik im Unternehmen
das Sagen hat, werden anstelle von betriebswirtschaftlicher Effizienz politische
Wünsche und Begehrlichkeiten das Handeln beeinflussen.

Die jetzt anstehende Teilprivatisierung bietet deshalb die Chance eines sinn-
vollen Einstiegs in die Vollprivatisierung der Verkehrssparten. Ein schrittweises
und behutsames Vorgehen ist dabei durchaus sinnvoll. Langfristige Beschrän-
kungen des Eigentümers im Hinblick auf eine Vollprivatisierung sind juristisch
und politisch nicht möglich. Es entspräche ohnehin einem fragwürdigen Demo-
kratieverständnis, wenn man versuchen wollte, zukünftige Regierungs- und
Parlamentsmehrheiten an ihren Gestaltungsmöglichkeiten als Eigentümer der
Deutschen Bahn AG zu hindern. Wer das will, muss mit zweidrittel Mehrheit
im Bundstag das Grundgesetz ändern, um damit die Gestaltungsmöglichkeiten
zukünftiger Mehrheiten zu begrenzen – wie dies 1993 im Zuge der Bahnreform
geschehen ist.

Das Holding-Modell bietet nach alledem eine große Chance für eine privatwirt-
schaftliche Ausrichtung der Verkehrssparten der Deutschen Bahn AG.

Angesichts der Vorgeschichte zur Bahnprivatisierung und angesichts der weit-
reichenden Bedeutung der anstehenden Entscheidung dürfen die maßgeblichen
Beschlüsse nicht alleine auf der Ebene des Unternehmens oder auf der Ebene
der Bundesregierung getroffen werden. Eine Beteiligung des Deutschen Bun-
destages ist im Koalitionsvertrag und im Entschließungsantrag der Koalitions-
fraktionen der CDU/CSU und SPD ausdrücklich vorgesehen und unverzichtbar.
Unter „Beteiligung“ ist dabei zu verstehen, dass der Bundestag nicht nur an-
gehört oder informiert wird, sondern die letztliche Entscheidung trifft.

Neben der eigentlichen Privatisierung sind zeitgleich eine Reihe weiterer Ent-
scheidungen zu treffen, für die ein Gesetzgebungsverfahren unverzichtbar ist.
Aus genau diesem Grunde hat die Bundesregierung im letzten Sommer einen
Gesetzentwurf zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes vorgelegt
(Bundestagsdrucksache 16/6294), der außer der eigentlichen Privatisierung ins-
besondere auch eine gesetzliche Neuordnung der Infrastrukturfinanzierung und
eine gesetzliche Weiterentwicklung des Regulierungsrechtes vorsah. Das im
seinerzeitigen Gesetzentwurf vorgesehen Privatisierungsmodell ist zwar obso-
let, nicht jedoch die übrigen Regelungsgegenstände. Es bedarf daher eines
neuen Gesetzentwurfes, der einerseits das nunmehr zu beschließende Privati-
sierungsmodell beinhaltet und andererseits die notwendigen Begleitregelungen
trifft. Notwendige Begleitregelungen betreffen die Erhaltung der Schienen-
wege, den Abschluss einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, einen
Infrastrukturzustands- und Entwicklungsbericht, den weiteren Ausbau von
Schienenwegen (Bedarfsplan), eine Weiterentwicklung der Regulierungsinstru-
mentarien bei der Bundesnetzagentur, die Weiterentwicklung einer Anreiz-

regulierung und die Einrichtung von Beschlusskammern bei der Bundesnetz-
agentur.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8774

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dem Deutschen Bundestag unverzüglich einen neuen Gesetzentwurf zur Pri-
vatisierung der Verkehrs-, Transport- und Logistiksparten der Deutschen
Bahn AG vorzulegen;

2. in diesem Gesetzentwurf auch die notwendigen Begleitregelungen im
Bundesschienenwegeausbaugesetz, im Allgemeinen Eisenbahngesetz und
im Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz zu treffen.

Berlin, den 8. April 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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