BT-Drucksache 16/8772

Sozialverträgliche Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus beschleunigen

Vom 9. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8772
16. Wahlperiode 09. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, Jens
Ackermann, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn),
Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Dr. Konrad Schily, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Sozialverträgliche Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus
beschleunigen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der subventionierte Steinkohlebergbau steht vor der vorzeitigen Beendigung.
Nach den bisher schwersten bergbaubedingten Erdbeben im Saarland am
23. Februar 2008 hat die Landesregierung einen unbefristeten Abbaustopp der
Steinkohleförderung im einzig noch betriebenen Bergwerk Saar verfügt. Der
saarländische Landtag hat mit breiter Mehrheit und ohne Gegenstimme eine
Resolution verabschiedet, die eine weitere Kohleförderung im Saarland, die das
Leben von Menschen gefährde, ausschließt. Mit der Resolution wird auch den
53 teils erheblichen Erderschütterungen im Bereich des Bergwerks Saar im Jahr
2007 Rechnung getragen. Der Verzicht der RAG Deutsche Steinkohle AG
(RAG) auf Abbau in der Primsmulde im Sinne der Vorgaben des Bundesberg-
gesetzes bestätigt die landespolitische Bewertung des Steinkohlebergbaus im
Saarland.

Bergbaubedingte Erdbeben gefährden auch am Niederrhein und anderen Regio-
nen zunehmend Leib und Leben der Anwohnerinnen und Anwohner. Nach
Angaben der Erdbebenstation Bensberg der Universität Bonn verursachte der

Steinkohlebergbau in den letzten Monaten beispielsweise am Niederrhein
mehrere hundert Erdbeben mit Magnituden von zwei bis drei auf der Richter-
skala. Darüber hinaus bestehen latente Überschwemmungsgefahren, da als
Folge bergbaubedingter Absenkungen bereits große und teils besiedelte
Flächen unterhalb des Rheinniveaus liegen. Ein weiterer Abbau führt zu einer
Verschärfung der absenkungsbedingten Überschwemmungsgefahren. Die durch
den Steinkohlebergbau verursachten Schäden sind bereits exorbitant und stei-

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gen zudem weiter an. Die vorzeitige Schließung weiterer Bergwerke ist zum
Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner unerlässlich.

Eine Revitalisierung bereits stillgelegter Flöze zum Ausgleich von Bergwerks-
schließungen steht der Intention des Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung
des subventionierten Steinkohlebergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzie-
rungsgesetz) entgegen. Ziel des Gesetzes ist das sozialverträgliche Auslaufen
der subventionierten Steinkohleförderung, nicht deren Verlängerung. Die Aus-
weitung von Subventionen auf bereits abgewickelte Flöze ist somit nicht zu
rechtfertigen.

Zur Sicherung der sozialverträglichen Rückführung des subventionierten Stein-
kohlebergbaus dürfen die jeweils für die Region vorgesehenen Fördermittel
deshalb – auch nach Ansicht der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie,
Energie IG BCE – nicht für andere Reviere oder einzelne Bergwerke umgewid-
met werden. Die Verschiebung von Subventionen von vorzeitig stillzulegenden
Flözen auf noch in Betrieb stehende, ist somit nicht zu rechtfertigen.

Gleichwohl trägt der im Steinkohlefinanzierungsgesetz festgelegte Auslaufplan
nicht den veränderten Gegebenheiten ausreichend Rechnung. Die für die Stein-
kohleförderung vorgesehenen Subventionen werden über den dafür vorgesehe-
nen Zeitablauf nicht mehr bezogen. Zwar können auch Aufwendungen der
Bergbauunternehmen infolge dauerhafter Stilllegungen aus dem Finanzpla-
fonds finanziert werden, jedoch sichert dies den Beschäftigten und der Region
keinen sozialverträglichen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohleberg-
bau über den Stilllegungszeitraum hinaus. Der Gesetzgeber ist aufgefordert,
geeignete Rahmenbedingungen für einen beschleunigten Strukturwandel durch
Anpassung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes zu schaffen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

● in Abstimmung mit den Landesregierungen zum Wohle und zur Sicherheit
der Bevölkerung auf einen sachgerechten und damit vorzeitigen Ausstiegs-
termin aus dem subventionierten Steinkohlebergbau hinzuwirken;

● das Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Stein-
kohlebergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz) vom 20. De-
zember 2007 zu überarbeiten, um das Auslaufen der Steinkohlesubventionen
zu beschleunigen;

● Teile der freiwerdenden Mittel für Maßnahmen zum beschleunigten Struk-
turwandel in den betroffenen Region und damit zur Schaffung neuer Arbeits-
plätze einzusetzen.

Berlin, den 9. April 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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