BT-Drucksache 16/8582

Unterschiedlicher Kindergeldanspruch bei Ableistung von Pflicht- und Freiwilligendiensten

Vom 12. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8582
16. Wahlperiode 12. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, Dr. Karl Addicks,
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick
Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Michael Link
(Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina
Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Unterschiedlicher Kindergeldanspruch bei Ableistung von Pflicht- und
Freiwilligendiensten

Während des Wehr- und Zivildienstes besteht für die Eltern von Dienstpflichti-
gen kein Anspruch auf den Bezug von Kindergeld bzw. die Inanspruchnahme des
Kinderfreibetrags. Gemäß dem Bundeskindergeldgesetz wird die maximale Be-
zugsdauer des Kindergeldes (Vollendung des 25. Lebensjahres) um die Dienst-
zeit des Dienstpflichtigen erhöht, d. h. in der Regel um 9 Monate verlängert,
wenn die anderen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld ge-
geben sind.

Das Bundesamt für Finanzen hat als vorgesetzte Dienststelle im November
2006 folgende Weisung zu § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d des Einkom-
mensteuergesetzes (EStG) erlassen:

„Kindergeldrechtlich werden ausschließlich gesetzlich geregelte Freiwilligen-
dienste oder Freiwilligendienste im Sinne des Beschlusses Nr. 1686/98 EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 zur Einführung des
gemeinschaftlichen Aktionsprogramms „Europäischer Freiwilligendienst für
junge Menschen“ (ABl. EG Nr. L 214 S. 1) berücksichtigt. Gleichartige freiwil-
lig geleistete Dienste, die weder gesetzlich geregelt sind noch entsprechend des
o. g. Beschlusses abgeleistet werden, erfüllen nicht die besonderen Anspruchs-
voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d EStG.“
Seit diesem Zeitpunkt wird z. B. kein Kindergeld mehr an Eltern von jungen
Frauen gezahlt, die den „Anderen Dienst im Ausland“ ausüben, während Eltern
von Männern, die diesen Dienst nach einer anerkannten Kriegsdienstverweige-
rung gemäß § 14b ZDG ausüben, weiterhin Kindergeld bekommen. In der
Regel trifft der Wegfall des Kindergeldes beim „Anderen Dienst im Ausland“
nur Eltern von Frauen, da nahezu alle Männer über den Passus des § 14b ZDG
den „Anderen Dienst im Ausland“ leisten. Die Konsequenz bei den betroffenen

Drucksache 16/8582 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eltern ist nicht nur der Wegfall des Kindergeldes, sondern aller Leistungen, die
direkt an den Kindergeldbezug anknüpfen. Bei Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes fällt beispielsweise die Erhöhung des Ortszuschlags weg, bei Eltern,
die noch das sogenannte Baukindergeld beziehen, wird dieses mit dem Wegfall
des Kindergeldes u. U. gestrichen.

In der o. g. Weisung stellt das Bundesamt für Finanzen fest, dass die ungeregel-
ten Dienste, wie beispielsweise der „Andere Dienst im Ausland“, wenn sie
außerhalb des Sonderfalls des § 14b ZDG, geleistet werden, keinerlei Kinder-
geldzahlung auslösen. Mit dem „Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligen-
diensten“ (Bundestagsdrucksache 16/6519) wurde aber nunmehr § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d EStG nochmals verändert, so dass nun der neue unge-
regelte Freiwilligendienst „weltwärts“ generell eine Kindergeldzahlung auslöst,
obwohl die Weisung des Bundesamtes für Finanzen eine Kindergeldzahlungen
für gesetzlich nicht geregelten Dienste ausschließt. Dies wirft die Frage auf,
wie demnächst mit den Teilnehmern des „Anderen Dienstes im Ausland“ beim
Kindergeld verfahren wird, da die Regelungen des „Anderen Dienstes im Aus-
land“ den Anknüpfungspunkt für das Programm „weltwärts“ darstellen.

Der Kindergeldbezug ist nun folgendermaßen geregelt:

– Eltern von Teilnehmern eines Freiwilligen Sozialen bzw. Ökologischen Jah-
res bekommen generell Kindergeld, auch wenn der Dienst den Ersatz für
den Zivildienst darstellt;

– Eltern von Teilnehmern des Europäischen Freiwilligendienstes bekommen
generell Kindergeld;

– Eltern von „weltwärts“-Teilnehmern und von anerkannten Wehrdienstver-
weigerern, die an einen „Anderen Dienst im Ausland“ teilnehmen, bekom-
men Kindergeld;

– Eltern von Frauen, die an einem „Anderen Dienst im Ausland“ teilnehmen
und Eltern von Zivildienst- und Wehrdienstleistende bekommen kein Kin-
dergeld.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie begründet die Bundesregierung den Wegfall des Kindergeldes während
des Wehr- und Zivildienstes, während für die Eltern der Teilnehmer fast aller
Freiwilligendienste ein Kindergeldanspruch besteht?

2. Sieht die Bundesregierung in diesem Vorgehen eine Schlechterstellung von
Pflichtdienstleistenden bzw. deren Eltern, und wie begründet die Bundes-
regierung ihre Auffassung?

3. Wie ist erklärbar, dass die Eltern eines Zivildienstleistenden kein Kindergeld
erhalten und im Gegensatz dazu, Eltern, deren Sohn einen Freiwilligendienst
gemäß §§ 14b und 14c ZDG als Zivildienstersatz leistet, einen Kindergeld-
anspruch haben?

Wie ist diese Besserstellung bestimmter Gruppen von Kriegsdienstverweige-
rern verfassungsrechtlich zu werten?

4. Welche zusätzlichen finanziellen Nachteile haben Eltern von Pflichtdienst-
leistenden durch den Wegfall des Kindergeldes, wenn einzelne zusätzliche
Leistungen direkt mit dem Kindergeldbezug verknüpft sind, und welche
durchschnittliche Höhe haben diese jeweils wegfallenden Leistungen (z. B.
Ortszuschlag im öffentlichen Dienst, auslaufendes Baukindergeld etc.)?

5. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die hieraus (siehe Frage 4) entstehende
zusätzliche Schlechterstellung von Eltern von Wehr- und Zivildienstleisten-

den gegenüber denjenigen Eltern, die entweder eine Tochter haben oder
deren Sohn keinen Wehr- oder Zivildienst ableisten muss?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8582

6. Wieso wurde die früher einheitliche Zahlung des Kindergeldes an Eltern von
Zivildienstleisten und an Eltern von Kriegsdienstverweigerern, die z. B.
einen „Anderen Dienst im Ausland“ gemäß § 14b ZDG ableisten, aufge-
geben und ein unterschiedlicher Rechtsanspruch auf Kindergeld bei den
Eltern von Kriegsdienstverweigerern herbeigeführt?

7. Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Eltern von jungen
Männern, die den „Anderen Dienst im Ausland“ statt des Zivildienstes
gemäß § 14b ZDG ableisten, einen Anspruch auf Kindergeld haben, wäh-
rend z. B. die Eltern junger Frauen, die den gleichen ungeregelten Dienst
leisten, keinen Anspruch auf Kindergeld haben, womit gerade im öffent-
lichen Dienst auch andere Gehaltsbestandteile (Ortszuschlag) sinken?

8. Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung an der geltenden Ge-
setzeslage, und bis wann soll dieser umgesetzt werden?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung ein Wahlrecht für Eltern von Plichtdienst-
leistenden beim Bezug von Kindergeld, mit dem sie entweder weiterhin die
geltende Gesetzeslage beanspruchen können oder sich für den Weiterbezug
von Kindergeld während des Pflichtdienstes ihres Sohnes entscheiden kön-
nen?

Berlin, den 12. März 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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