BT-Drucksache 16/8560

Ermittlungen des Kartellamtes in der Nahrungsmittelindustrie wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen

Vom 12. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8560
16. Wahlperiode 12. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, Dr. Herbert
Schui und der Fraktion DIE LINKE.

Ermittlungen des Kartellamtes in der Nahrungsmittelindustrie wegen des
Verdachts illegaler Preisabsprachen

Im Jahr 2007 stiegen die Verbraucherpreise um 2,2 Prozent und damit so stark
wie seit 1994 nicht mehr. Mitverantwortlich waren neben den Energiekosten
steigende Lebensmittelpreise bei einzelnen Produkten im zweistelligen Bereich.
Laut Jahreswirtschaftsbericht nimmt 2008 die allgemeine Teuerung weiter um
2,3 Prozent zu und frisst damit das real verfügbare Einkommen der Bevölkerung
weiter auf.

Es ist fraglich, ob das Ausmaß der Preiserhöhungen bei Nahrungsmitteln in den
letzten Monaten tatsächlich nur auf steigenden Rohstoff- und Produktionskosten
beruht. Bereits im Oktober 2007 stellte die Verbraucherzentrale fest, es gäbe „ei-
ne Reihe von Indizien, die dafür sprechen, dass die Lebensmittelindustrie und
der Handel Trittbrett fahren und versuchen, die Stimmungslage auszunutzen, um
ihre Margen zu erhöhen“ (Ifo Schnelldienst 19/2007). Träfe dies zu, wäre das die
Bereicherung einiger weniger Handels- und Lebensmittelkonzerne auf Kosten
der Allgemeinheit.

Unter dem Verdacht illegaler Preisabsprachen durchsuchte in den letzten Wo-
chen das Bundeskartellamt die Geschäftsräume mehrerer Lebensmittelherstel-
ler: Am 7. Februar 2008 erfolgte eine Durchsuchung bei sieben großen Süß-
warenherstellen, die auffällig zeitnah eine zweistellige Preiserhöhung für ihre
Produkte angekündigt hatten. Am 21. Februar 2008 durchsuchten Beamte des
Bundeskartellamts 18 Unternehmen und einen Verband der Mehlherstellung un-
ter dem Verdacht von Absprachen über Preise und Kapazitäten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die oben genannten Durch-
suchungen bzw. Verfahren des Bundeskartellamtes?

2. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen den sukzessi-
ven Preiserhöhungen im Lebensmittelbereich in den letzten Monaten und den
oben genannten aktuellen Kartellverfahren?
3. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass das Bundeskartellamt in den letz-
ten Jahren keine Preiskartelle im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels auf-
deckte, aber in den letzten Wochen bereits zweimal tätig wurde?

4. Wie kann ausgeschlossen werden, dass Hersteller und Handel Preiserhöhun-
gen durchsetzen, die über die Steigerung der Rohstoff- und Produktions-
preise hinausgehen?

Drucksache 16/8560 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. Welche Möglichkeiten hat das Bundeskartellamt, von sich aus Preis- bzw.
Marktbeobachtungen durchzuführen und gegebenenfalls einzuschreiten,
also jenseits der gängigen Praxis nur bei externen Hinweisen oder Selbst-
anzeigen aktiv zu werden?

6. Reichen nach Ansicht der Bundesregierung die derzeitigen Sanktionsmög-
lichkeiten mittels Bußgeldverfahren und Gewinnabschöpfung aus, illegale
Preisabsprachen zu verhindern, wenn ja, warum kommt es dennoch immer
wieder dazu?

7. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, Verstöße gegen das Wett-
bewerbs- bzw. Kartellrecht nicht mehr wie bisher – abgesehen von § 298
des Strafgesetzbuches – als Ordnungswidrigkeit, sondern als strafbare
Handlung zu ahnden?

Sollte das Wettbewerbsrecht Eingang ins Strafgesetzbuch finden, wie in
einigen europäischen Ländern und den USA?

8. Welche rechtlichen Grundlagen für eine staatliche Preisaufsicht bzw. -kon-
trolle gibt es derzeit in Deutschland, und erachtet die Bundesregierung diese
als ausreichend?

9. Ist von der Bundesregierung angedacht, für den Einzelhandel ähnlich wie
jüngst im Energiebereich, Möglichkeiten einer stärkereren staatlichen Preis-
kontrolle zu prüfen, wenn ja, in welcher Form, wenn nein, warum nicht?

10. Ist es zum Wohle der Gemeinheit nach Ansicht der Bundesregierung not-
wendig, in hochkonzentrierten Teilbranchen des Einzelhandels einen ge-
nauen Einblick in die Wertschöpfungskette zu erhalten, um zu verhindern,
dass marktmächtige Unternehmen illegale Preisabsprachen treffen oder
zwischenzeitlich Preisdumping durchführen zu Lasten der Beschäftigten,
der Zulieferbranche und der Verbraucher?

11. Wie viele Mitarbeiter sind im Bundeskartellamt unmittelbar für den Bereich
des Einzelhandels zuständig, und wie viele führen eine systematische
Marktbeobachtung durch?

12. Wie hoch ist das Budget des Bundeskartellamtes, und wie hoch sind die
Budgets der Wettbewerbs- bzw. Kartellbehörden in anderen europäischen
Ländern und den USA?

13. Wie viele Mitarbeiter hat das Bundeskartellamt, und wie viele Mitarbeiter
haben vergleichbare Kartell- bzw. Wettbewerbsbehörden in anderen Mit-
gliedstaaten der Europäischen Kommission und den USA?

14. Gibt es bezogen auf die jeweiligen nationalen Wettbewerbs- bzw. Kartell-
behörden eine internationale Statistik über die Relation von Budget/Brutto-
inlandsprodukt bzw. beschäftigtes Personal/Bruttoinlandsprodukt, wenn ja,
welchen Platz nimmt Deutschland ein?

Berlin, den 7. März 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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