BT-Drucksache 16/8551

Nationales Stipendiensystem

Vom 11. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8551
16. Wahlperiode 11. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kai Gehring, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt,
Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Krista Sager und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nationales Stipendiensystem

Im Zuge der Einführung von Studiengebühren in den Ländern wurde von den
Gebührenbefürwortern stets versprochen, Stipendienprogramme aufzulegen.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 26. Januar 2005
erklärt, dass Studiengebühren u. a. über Stipendienmodelle abgefedert werden
müssten. Diese Forderungen und Zusagen sind bislang unerfüllt geblieben: Wei-
terhin erhalten nur knapp 2 Prozent aller Studierenden und Promovierenden ein
Stipendium (18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks).

Der nordrhein-westfälische Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung
und Technologie, Andreas Pinkwart, hat nun vor kurzem ein nationales Stipen-
diensystem vorgeschlagen, um offenbar die bereits eingetretenen negativen
Auswirkungen von Studiengebühren abzumildern. Mit Hilfe eines bundeswei-
ten Förderwerks sollen demnach zehn Prozent der „besten“ Studierenden eines
Jahrgangs mit einer monatlichen „Leistungsprämie“ in Höhe von 300 Euro
unterstützt werden. Die Wirtschaft solle sich den Forderungen des Ministers zu-
folge mit 50 Prozent an den Programmkosten beteiligen. In Abhängigkeit von
der Zahlungsbereitschaft durch die Unternehmen soll der Bund ein weiteres
Drittel der Kosten übernehmen. Lediglich die verbleibenden 17 Prozent der
Ausgaben entfallen danach auf die Länder.

Der Vorschlag wurde der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) auf
ihrer konstituierenden Sitzung am 18. Februar 2008 vorgelegt, gemäß verschie-
dener Zeitungsberichte aber nicht in der vorgelegten Form beschlossen. Die
Debatte um Stipendien geht damit in eine neue Runde. Es ist notwendig, den
konkreten Vorschlag zu bewerten und über grundsätzliche Fragestellungen im
Zusammenhang mit Stipendien als Instrument der Studienfinanzierung zu dis-
kutieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Beschlüsse hat die GWK in Bezug auf den Vorschlag eines
Nationalen Stipendiensystems gefasst, und wie verlief die Diskussion dazu in

diesem Gremium?

2. Wann wird die GWK das nächste Mal über den Vorschlag diskutieren, und
wann wird sie sich voraussichtlich abschließend damit befassen?

3. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag eines Nationalen Stipen-
diensystems?

Drucksache 16/8551 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Zieht die Bundesregierung die geforderte finanzielle Beteiligung an dem
vorgeschlagenen Nationalen Stipendiensystem prinzipiell in Erwägung,
oder schließt die Bundesregierung dies kategorisch aus (bitte begründen)?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Landesregierungen, die
Studiengebühren eingeführt haben, zuvorderst selbstverantwortlich Landes-
Stipendienprogramme einführen sollten anstatt eine Mitfinanzierung – also
Quersubventionierung – durch den Bund einzufordern (bitte begründen)?

6. Für wie realistisch hält die Bundesregierung die in dem Konzept vorgesehe-
ne Beteiligung der Wirtschaft in Höhe von 50 Prozent der Kosten?

Auf welchen konkreten Erkenntnissen beruht diese Einschätzung der Bun-
desregierung?

7. Welche bisherigen Stipendienprogramme der deutschen Wirtschaft sind der
Bundesregierung bekannt, welches Fördervolumen haben diese Programme
insgesamt, und auf welche Zielgruppen beziehen sie sich?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Studiengebühren zu einer
Privatisierung von Ausbildungskosten und -finanzierung führen (bitte
begründen)?

9. Wer (Bund, Länder, Wirtschaft, Dritte) ist nach Ansicht der Bundesregie-
rung primär zuständig für die Durchführung von Stipendienprogrammen
(bitte begründen)?

Was unternimmt die Bundesregierung dafür, eine entsprechende Aufgaben-
verteilung zu realisieren?

10. Wie hoch sind derzeit die Einnahmen der Länder aus Studiengebühren?

In welchem Verhältnis stehen diese Einnahmen aus der Sicht der Bundes-
regierung zu den für die soziale Abfederung der Studiengebühren notwen-
digen Ausgaben für Stipendiensysteme?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit zusätzlicher finan-
zieller Unterstützung der Studierenden in Deutschland angesichts der
drastischen Zunahme studiengebührenpflichtiger Studiengänge und der
kontinuierlichen Abnahme des Anteils von Studierenden aus sozialen Her-
kunftsgruppen mit mittleren und niedrigen Einkommen?

12. Ist ein Stipendiensystem, das sich ausschließlich an der „Begabung“ der
Studierenden orientiert, stattdessen aber – den dargestellten Ergebnissen zu-
folge – in vielen Fällen überproportional Studierende mit finanzstarkem und
akademischem Hintergrund erreicht, nach Ansicht der Bundesregierung das
am besten geeignete Mittel, um jungen Menschen aus finanzschwachen und
hochschulfernen Schichten ein Studium zu ermöglichen?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die in Bundestagsdrucksache 16/4849
dargestellten Erkenntnisse, wonach die soziale Zusammensetzung der Sti-
pendiatenschaft (operationalisiert am Anteil der reinen Büchergeldempfän-
ger) bei manchen Begabtenförderungswerken eine überproportionale För-
derung finanzstarker Studierender anzeigt?

14. Welche weiteren Untersuchungen zu einer sozial selektiven Vergabe von
Begabtenstipendien sind der Bundesregierung bekannt, welche Ergebnisse
haben diese Untersuchungen, und welche Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung aus diesen Erkenntnissen?

15. Wie bewertet die Bundesregierung Stipendienprogramme für benachteiligte
und unterrepräsentierte Gruppen von Studienberechtigten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8551

16. Welche Instrumente sind nach Ansicht der Bundesregierung am besten dazu
geeignet, die Studierquote gerade auch unter finanzschwachen und hoch-
schulfernen Schichten zu erhöhen, und welche Anstrengungen unternimmt
die Bundesregierung zur Erreichung dieses Ziels?

17. Plant die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode weitere Änderungen
bei der Studienfinanzierung, insbesondere beim BAföG und den KfW-Stu-
dienkrediten?

Falls ja, welche Änderungen sind geplant?

Falls nein, warum nicht?

18. Wie und wann plant die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode ge-
meinsam mit den Ländern ein verbindliches Monitoring- und Reporting-
system zu den Auswirkungen von Studiengebühren, z. B. im Rahmen ihrer
Kompetenz für Bildungsforschung, zu initiieren und zu verankern?

Berlin, den 10. März 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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