BT-Drucksache 16/8548

Optimaler Darlehensnehmerschutz bei Kreditverkäufen an Finanzinvestoren

Vom 13. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8548
16. Wahlperiode 13. 03. 2008

Antrag
der Abgeordneten Christian Ahrendt, Carl-Ludwig Thiele, Hans-Michael Goldmann,
Mechthild Dyckmans, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Michael
Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr, Jörg Rohde, Dr. Konrad Schily, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Optimaler Darlehensnehmerschutz bei Kreditverkäufen an Finanzinvestoren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der jüngsten Zeit hat die öffentliche Berichterstattung zum Verkauf von
Immobilienkrediten an ausländische Finanzinvestoren zugenommen. Schät-
zungen von Wissenschaftlern und Verbraucherschutzorganisationen zufolge
sind in der Bundesrepublik Deutschland derzeit 60 Finanzinvestoren als
Schuldenaufkäufer tätig; weitere 150 Finanzinvestoren bereiten einen Markt-
eintritt vor. Fachleute gehen ferner davon aus, dass in den letzten Jahren Kre-
ditforderungen im Wert von rund 20 Mrd. Euro verkauft worden sind. Die
Darlehen sind zumeist grundpfandrechtlich besichert und häufig – aber nicht
notwendig – notleidend. Es bedarf in diesem Zusammenhang der Präzi-
sierung, wann ein Kredit notleidend bzw. nicht notleidend ist. Zwar schützt
die ordnungsgemäße Vertragserfüllung vor Kündigung, jedoch können von
den Finanzinvestoren rechtliche Grauzonen ausgenutzt werden. Verliert eine
Immobilie an Wert und kommt es zu einer Neubewertung von Sicherheiten,
eröffnet sich auch bei fristgemäßer Überweisung der monatlichen Kreditraten
ein außerordentliches Kündigungsrecht, das Kreditaufkäufer gezielt nutzen
können. Die betroffenen Darlehen werden häufig unter Wert gekauft mit dem
Ziel, höhere Werte kurzfristig zu realisieren. Die Folgen sind für die Kre-

ditnehmer dramatisch, denn diesen droht die Zwangsversteigerung ihrer Häu-
ser.

Drucksache 16/8548 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf unter Beachtung folgender Maßgaben vorzu-
legen:

1. Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Forderungsabtretung bzw. einen Ver-
tragspartnerwechsel

a) Die Wirksamkeit der Forderungsabtretung des Darlehensgebers oder der
Wechsel des Darlehensgebers aus einem grundpfandrechtlich gesicherten
Immobiliardarlehensvertrag soll künftig bei vertragsgemäß bedienten
Krediten von der Genehmigung des Kreditnehmers abhängig gemacht
werden. Versagt der Kreditnehmer seine Genehmigung, soll die Abtretung
also unwirksam bleiben.

b) In Fällen der Abtretung ausschließlich an ein Institut mit Banklizenz reicht
die Einwilligung zur Abtretung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus.

c) Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass ein Zahlungsrückstand
von wenigen Monatsraten nicht dazu führen kann, dass dieser Kredit als
notleidend eingestuft wird. Ein Kredit ist daher künftig dann nicht notlei-
dend, wenn sich der Darlehensnehmer mit höchstens drei Monatsraten in
Verzug befindet. Nicht notleidend in diesem Sinn sind auch Kredite, bei
denen die Werthaltigkeit der zur Verfügung gestellten Sicherheit aufgrund
einer Neubewertung gefallen ist. Das hat zur Folge, dass das Sonderkün-
digungsrecht des § 490 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ent-
sprechend eingeschränkt werden muss.

d) Die Genehmigung soll bei solchen Abtretungen entbehrlich sein, bei de-
nen der bisherige Darlehensgeber mit dem neuen Darlehensgeber verein-
bart hat, dass im Verhältnis zum Darlehensnehmer weiterhin allein der bis-
herige Darlehensgeber auftritt (sog. Sicherungszession). Entfallen diese
Voraussetzungen, bedarf es wieder der Genehmigung des Darlehensneh-
mers.

2. Unterrichtungspflichten der Banken gegenüber dem Kreditnehmer

Der Kreditgeber wird verpflichtet, den Kreditnehmer bei Vertragsschluss auf
eine ggf. mögliche Abtretbarkeit von Forderungen aus dem Kreditverhältnis
hinzuweisen. Der Kreditnehmer ist rechtzeitig über eine bevorstehende Ab-
tretung der Forderung und im Fall des Genehmigungserfordernisses über eine
erfolgte Abtretung unverzüglich zu unterrichten.

3. Engere Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung

Der Zessionar soll in jedem Fall an die zwischen dem Darlehensgeber und
dem Darlehensnehmer geschlossene Sicherungsabrede gebunden sein. Das
hat zur Folge, dass die Zwangsvollstreckung aus vollstreckbaren Darlehens-
Grundpfandrechtstiteln vier Wochen vorher schriftlich unter Vorlage einer
Forderungsaufstellung angedroht werden muss mit dem Hinweis, dass der
Schuldner einstweilige Anordnungen gemäß § 769 der Zivilprozessordnung
(ZPO) beantragen und eine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO er-
heben kann. Zu denken ist an eine entsprechende Änderung der Vorschriften
des § 750 ZPO bzw. § 797 ZPO.

Zudem hat das Gericht von der Anordnung einer Sicherheitsleistung abzuse-
hen, wenn Sicherheit in Gestalt einer Grundschuld bestellt ist.

Berlin, den 13. März 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8548

Begründung

I. Allgemeines

Die von der Bundesregierung geplante Pflicht des Darlehensgebers zum Ange-
bot nicht abtretbarer Kreditforderungen ist nicht notwendig und daher abzuleh-
nen. Es gibt bereits heute immer mehr Angebote nicht abtretbarer Kredite am
Markt. Die Kreditwirtschaft hat großes Interesse an der Verkehrsfähigkeit ihrer
Kreditforderungen, weil abtretungsresistente Kredite den freien Kapitalverkehr
und damit die Refinanzierungsmöglichkeiten einschränken und damit verteuern.
Die Pflicht zum Angebot nicht abtretbarer Kredite ist also auch aus Sicht des
Kreditnehmers unvorteilhaft. Der Preis für Kredite wird über ihre Refinanzier-
barkeit mitbestimmt. Die Höhe der Zinsen beeinflusst gerade bei Immobilienfi-
nanzierungen die Kreditentscheidung, weil sie entscheidend dafür ist, ob der
Verbraucher langfristig aus seinem Einkommen Zins- und Tilgungsraten bedie-
nen kann.

II. Einzelbegründung

1. Der Immobilienkreditnehmer hat wegen der bestellten Sicherheiten, der wirt-
schaftlich hohen Belastung, die ein solches Darlehen mit sich bringt, und der
langen Laufzeit ein großes Interesse an der Vertragsbeziehung zu seiner
Bank. Auf der anderen Seite ist für Banken der Verkauf von Krediten ein un-
verzichtbares Mittel zur Refinanzierung. Gleichzeitig dient der Kreditver-
kauf unter Banken dem Erhalt der Stabilität der Finanzmärkte.

Bei der Übertragung von Grundschulden geht die mit der Bank getroffene
Sicherungsabrede im Zuge der Abtretung nicht zwingend auf den neuen
Gläubiger über. Das nutzen insbesondere Finanzinvestoren zunehmend aus,
um kurzfristig aus Grundschulden zu vollstrecken. Im Handel mit Krediten
unter Banken sind solche Fälle nicht bekannt geworden. Es ist daher erforder-
lich, den Schuldner eines Immobilienkredites bei Abtretung an Unternehmen
ohne Banklizenz zu schützen. Vergleichbar der Schuldübernahme sollte des-
wegen die Wirksamkeit der Abtretung von Kreditforderungen aus einem
Immobiliendarlehen an ein Unternehmen ohne Banklizenz von der Genehmi-
gung des Kreditnehmers abhängig gemacht werden. Hieraus ergibt sich zwar
eine Einschränkung für die Verkehrsfähigkeit von Immobiliendarlehen, diese
ist aber bei der Abtretung an Unternehmen ohne Banklizenz hinnehmbar. Das
Genehmigungserfordernis bleibt beschränkt auf die Fälle offener Abtretun-
gen im Zuge von Forderungsverkäufen, so dass Sicherungszessionen von
dem Genehmigungsvorbehalt nicht betroffen sind. Die Genehmigung als
nachträgliche Zustimmung stellt sicher, dass sich der Zessionar die Zustim-
mung nicht bei Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
einholt.

Da der Verlust der Werthaltigkeit einer Sicherheit nicht in die Sphäre des Kre-
ditnehmers fällt, soll das bestehende Kündigungsrecht des § 490 Abs. 1 BGB
entsprechend eingeschränkt werden. Dies hätte zur Folge, dass in solchen
Fällen der Kredit als nicht notleidend gilt und daher unter das Genehmi-
gungserfordernis fällt. Das gilt für Kaufleute und Nichtkaufleute.

2. Notleidende Kreditverträge sind nach wie vor frei veräußerbar. Der Verkäu-
fer hat den Schuldner unverzüglich von einem Verkauf bzw. einer Abtretung
zu unterrichten.

3. Die bei Bestellung einer Grundschuld vereinbarte Sicherungsabrede ist prä-
gend für das Vertrags- und Vertrauensverhältnis zwischen Kreditgeber und
Kreditnehmer. Da die Sicherungsabrede von der Grundschuldübertragung
unabhängig ist, kann ohne ihre Übertragung aus der Grundschuld vollstreckt

werden. Das ist nach Auffassung des Deutschen Bundestages nicht sinnvoll.

Drucksache 16/8548 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Daher ist es unabdinglich, dass die Sicherungsabrede auch gegenüber dem
Zessionar eine verbindliche Wirkung entfaltet. Um dies zu gewährleisten,
wird vorgesehen, dass die Zwangsvollstreckung vier Wochen vorher unter
Vorlage einer Forderungsaufstellung angedroht werden muss.

Kommt dennoch als einziges Rechtsschutzmittel die Einlegung der Voll-
streckungsgegenklage in Betracht, muss der Richter von der durch den Klä-
ger zu leistenden Sicherheit absehen, wenn Sicherheit in Gestalt einer Grund-
schuld bestellt worden ist. Der Kläger wird regelmäßig nicht in der Lage sein,
eine darüber hinausgehende Sicherheit zu stellen. Hieran würde eine an sich
erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage scheitern. Die für die Grundschuld
bestellte Sicherheit muss in den genannten Fällen genügen.

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