BT-Drucksache 16/8372

Den Ausbau der Breitbandinfrastruktur flächendeckend voranbringen

Vom 5. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8372
16. Wahlperiode 05. 03. 2008

Antrag
der Abgeordneten Grietje Bettin, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender,
Alexander Bonde, Ekin Deligöz, Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Britta
Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Krista Sager, Elisabeth Scharfenberg und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Den Ausbau der Breitbandinfrastruktur flächendeckend voranbringen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Individuelle Kommunikation, wirtschaftlicher Handel und politische Meinungs-
äußerung finden in Deutschland zunehmend auch über das Internet statt. In der
Informations- und Wissensgesellschaft ist der Zugang zu Breitband eine ent-
scheidende Voraussetzung, um Teilhabe zu gewährleisten: Die Nutzung von
Diensten der Verwaltung, Möglichkeiten der politischen Beteiligung z. B. durch
Onlinepetitionen, die Nutzung von Informationsdiensten, aber auch Bildungs-,
Kultur- und Unterhaltungsangebote setzen immer öfter einen breitbandigen In-
ternetzugang voraus. Für Wirtschaft und Unternehmen ist ein schneller Internet-
zugang ebenso von fundamentaler Bedeutung. Eine entsprechende Infrastruktur
liefert eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und neue
Arbeitsplätze.

Gerade für die Entwicklung des ländlichen Raums ist das Internet ein wichtiges
Instrument, um Mobilitätseinschränkungen zu kompensieren und Lebens-
qualität zu verbessern: Telearbeitsplätze, E-Government und leicht zugängliche,
barrierefreie Internet- und Medienangebote werden in ländlichen Regionen zu-
künftig eine zentrale Rolle spielen. Fehlende Breitbandzugänge bedeuten für die
betroffenen Regionen einen massiven Standortnachteil.

Nicht in allen Regionen in Deutschland aber ist ein breitbandiger Internetzugang
möglich. Es besteht eine „digitale Kluft“ zwischen Ballungsräumen und länd-
lichen Gebieten. Insbesondere in den neuen Bundesländern mangelt es an Breit-
bandzugängen. Rund 700 Gemeinden sind laut Breitbandatlas bislang nicht an
das Breitbandnetz angeschlossen. Weitere Gemeinden sind zudem nicht voll-
ständig angeschlossen. Im Ergebnis bedeutet das aber, dass mehr als eine Mil-
lion Haushalte in Deutschland keinen Breitbandinternetzugang haben, wenn
man diesen mit einer Bandbreite ab 256 Kilobit pro Sekunde definiert. Legt man
eine für heutige Verhältnisse nötige Bandbreite von mindestens einem Megabit

pro Sekunde zugrunde, sind nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts für
Infrastruktur und Kommunikationsdienste sogar rund zwei Millionen Haushalte
ohne ausreichenden Internetzugang. Die Bundesregierung hat es bisher ver-
säumt, vor allem ländlichen Regionen Breitbandzugänge zu ermöglichen.

Das bestehende Kommunikationsinfrastrukturgefälle zwischen Ballungsräumen
und ländlichen Gebieten ist nicht länger hinnehmbar. Gerade die ländlichen Ge-

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meinden sind einem großen Wettbewerbs- und Demografiedruck ausgesetzt.
Hier droht die Abwanderung von Unternehmen und freiberuflichen Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern.

Entgegen der ursprünglichen Hoffnung regelt der Markt die flächendeckende
Versorgung mit Breitbandverbindungen nicht von selbst. Die Investition in länd-
lichen Gebieten stellt für privatwirtschaftliche Anbieter von Breitbandtechnolo-
gien in vielen Fällen keine entsprechenden Gewinne in Aussicht. Es ist zu be-
fürchten, dass auf rein privatwirtschaftlicher Basis auch in absehbarer Zukunft
keine vollständige Breitbandinfrastruktur erreicht werden kann. Auch die von
der Europäischen Union, der Bundesregierung, den Ländern und Gemeinden ge-
troffenen Maßnahmen haben diese Missstände bislang nur vereinzelt behoben.
Um kommunikationstechnische Chancengleichheit zu schaffen, müssen weitere
politische Maßnahmen erfolgen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Bemühungen zu verstärken, eine flächendeckende Breitbandinfrastruk-
tur, die nicht auf hochfrequenten elektromagnetischen Feldern basiert, zu ge-
währleisten und sämtlichen Haushalten und Gemeinden in Deutschland
Breitbandanschlüsse sicherzustellen;

2. eine deutschlandweit einheitliche Evaluationsmethode über Breitbandbedarfe
der Gemeinden, einschließlich der privaten Haushalte und Unternehmen zu
entwickeln und zu fördern, um eine verlässliche Datenbasis als Grundlage für
struktur- und wirtschaftspolitische Entscheidungen zu liefern, kostenaufwän-
dige Vorarbeiten zu reduzieren und Entscheidungen von privatwirtschaft-
lichen Anbietern von Breitbandtechnologien zu beschleunigen. Komplemen-
tär zu dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie heraus-
gegebenen Breitbandatlas soll ein Breitbandbedarfsatlas entstehen, wie er
bereits in Brandenburg existiert. Dieser Breitbandbedarfsatlas soll das Aus-
maß der Unterversorgung feststellen;

3. eine einheitliche, zeitgemäße Breitbanddefinition mit einer Datenübertra-
gungsrate von einem Megabit pro Sekunde zu etablieren und regelmäßig an
den Mindeststandard für ein angemessenes Breitbanddienstangebot anzupas-
sen und diese als Grundlage sowohl für den Breitbandatlas der Bundesregie-
rung als auch den zu etablierenden Breitbandbedarfsatlas zu nutzen;

4. eine Koordinationsfunktion bei der Aktivierung und Bündelung von Nach-
fragen nach Breitbandzugängen sowie von bestehenden Initiativen zu über-
nehmen und eine entsprechende Plattform einzurichten;

5. durch die Bereitstellung von Informationen verstärkt auf Alternativtechnolo-
gien zu DSL hinzuweisen, um lokale Lösungen, gerade im ländlichen Raum,
voranzutreiben;

6. insbesondere in Gemeinden im ländlichen Raum verstärkt über öffentliche
Fördermittel (europäische Strukturfonds, De-minimis-Beihilfen und andere
Beihilfen) zu informieren;

7. verstärkt Mittel der öffentlichen Infrastrukturförderung des Haushalts des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung umzuschichten
und für Gemeinden bereitzustellen, die sich in dünn besiedelten Gebieten be-
finden oder die aus anderen Gründen für Breitbandanbieter unrentabel sind;

8. das Verlegen von Leerleitungen bei der Erschließung neuer Wohngebiete in
Kooperation mit den Gemeinden zu fördern, die technisch dahingehend
gestaltet sind, dass die Nutzung durch mehrere Anbieter möglich ist, um
Wettbewerb zu fördern;

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9. eine anbieterunabhängige Universaldienstverpflichtung als Ultima Ratio in
Erwägung zu ziehen, falls die unter Punkt 2 geforderte Datenbasis ergibt,
dass Ende 2009 keine flächendeckende Breitbandinfrastruktur für alle Ge-
meinden in Deutschland zur Verfügung steht, der eine Mindestübertra-
gungsrate von mindestens einem Megabit pro Sekunde zugrunde liegt. Um
überhöhte Ausgaben zum Breitbandinfrastrukturausbau in bislang nicht
versorgten Gebieten zu verhindern, soll ein wettbewerblich ausgestaltetes
Ausschreibungsverfahren eingesetzt werden. Eine Universaldienstver-
pflichtung im Rahmen der EG-Universaldienstrichtlinie (2002/22/EG) soll
zudem so ausgestaltet sein, dass jeder Mitgliedstaat die Bandbreite der
Übertragungsrate national festlegen kann und diese regelmäßig an die aktu-
elle Bedarfsentwicklung angepasst wird;

10. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, den Rechtsrahmen für den
Universaldienst regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob er den veränderten
technischen, gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten angepasst
werden muss.

Berlin, den 5. März 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

In unserer Informations- und Wissensgesellschaft ist es von großem Interesse,
allen Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe an der digitalen Welt zu gewährleis-
ten. Die Teilnahme an Bildungsangeboten wie einem Fernstudium oder an inter-
netgestützten Angeboten der Berufsqualifikation, der beruflichen Weiterbildung
oder der allgemeinen Erwachsenenbildung setzen in der Regel einen Breit-
bandinternetanschluss voraus.

Für die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums ist ein schneller In-
ternetzugang wichtig, weil auf diesem Weg bestehende Nachteile aufgrund
räumlicher Distanz teilweise ausgeglichen werden. Insbesondere kleine und
mittlere Unternehmen können durch den Einsatz breitbandiger Internetkommu-
nikation die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten erheblich verbessern.
Ebenso sind Unternehmen aus Tourismus und Handel zur Selbstpräsentation
und zur reibungslosen Kommunikation mit ihren Kunden auf schnelles Internet
angewiesen.

Insbesondere zur Ansiedelung der digitalen Wirtschaft ist eine leistungsstarke
und kostengünstige Breitbandinfrastruktur notwendig, um den schnellen Aus-
tausch von Daten zu ermöglichen. Immer mehr Dienste, vor allem die Angebote
des so genannten Web 2.0, das interaktive Internet, könnten ohne den Austausch
riesiger Datenmengen überhaupt nicht bestehen.

Die Datenbasis über die bestehende Breitbandinfrastruktur in Deutschland ist
unzureichend und muss präzisiert werden. Der Breitbandatlas ist nicht als Infor-
mationsgrundlage für privatwirtschaftliche Anbieter von Breitbandtechnologien
geeignet. Der Bedarf an Breitbandanschlüssen wird nicht aufgeführt.

Eine Datenbasis in Form eines Breitbandbedarfsatlas gibt Anbietern von Tele-
kommunikationsdienstleistungen stattdessen Informationen, aufgrund derer sie
die Möglichkeiten eines privatwirtschaftlich tragfähigen Netzausbaus kontinu-
ierlich prüfen können. Insbesondere die Investitionen kleiner und mittelständi-

scher Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen werden so angetrieben.

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Eine solide Datenbasis ist aber auch die Grundlage, um den Fortschritt des Breit-
bandinfrastrukturausbaus durch den freien Wettbewerb innerhalb bestimmter
Fristen regelmäßig zu beurteilen. Auf dieser Grundlage können Zielvorgaben
geprüft und politische Entscheidungen über weitere Maßnahmen in bestimmten
Regionen des ländlichen Raums getroffen werden.

Im Breitbandatlas der Bundesregierung werden zwar Informationen über die
Angebotslage in den einzelnen Gemeinden zur Verfügung gestellt, Breitband
wird jedoch bereits ab einer Übertragungsbandbreite von über 128 Kilobit pro
Sekunde in Download und Upstream definiert. Diese Einheiten sind nicht mehr
zeitgemäß. Für die komplikationslose Nutzung der meisten internetgestützten
Dienste ist mindestens eine Datenübertragungsbandbreite von einem Megabit
pro Sekunde Bedingung. Zudem steigt die Nachfrage nach Breitbandkapazitäten
aufgrund des Angebots immer anspruchsvollerer Dienste (durch größere zu
übertragende Datenmengen, wie zum Beispiel Onlinevideos) kontinuierlich.
Die Definition eines Mindeststandards muss in einer Datenbasis daher stetig an-
gepasst werden.

Ein Hindernis beim Breitbandinfrastrukturausbau ist die fehlende Koordination
bestehender Maßnahmen. Interessenten an einzelnen Förderprogrammen der
Europäischen Union, der Bundesregierung können nur mit erheblichem Auf-
wand die für sie entsprechende Förderung ausfindig machen. Bürgerinitiativen
müssen sich umständlich auf die Suche machen, wollen Sie auf Erfahrungen
anderer zurückgreifen.

Um das Wissen über bestehende Möglichkeiten der Förderung, das Wissen über
alternative Breitbandtechnologien zu DSL und den Erfolg bei der Beantragung
von Fördermitteln zu vergrößern, soll eine Plattform eingerichtet werden, die
alle relevanten Informationen bündelt. Gleichzeitig müssen vor allem Gemein-
den über diesen Service informiert werden, um ihn nutzen zu können.

Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes Mitte der 1990er Jahre hat
zu einem Wettbewerb geführt, der in den Metropolen für günstigere Telefon-
und Internetzugänge und Nutzungstarife gesorgt hat. Damit einher ging der be-
schleunigte Ausbau schneller Internetzugänge in den Städten. Allerdings wur-
den die ländlichen Gebiete durch die marktwirtschaftlich geprägten Investitions-
strategien der Telekommunikationsunternehmen nicht gänzlich erschlossen.
Dieser unternehmerisch nachvollziehbare, aber gesellschaftlich nicht hinnehm-
bare Missstand hat sich in den vergangenen zehn Jahren verfestigt. In den größ-
ten Metropolen können die Bewohnerinnen und Bewohner inzwischen auf
Triple-Play via VDSL (Very High Speed Digital Subscriber Line) und Breit-
bandkabel zurückgreifen. Schnelles Internet, Internettelefonie und Internetfern-
sehen (IPTV) in HDTV-Qualität können hier über einen Zugang genutzt werden.
In den ländlichen Räumen hingegen besteht oftmals nur ein langsamer analoger
oder ein ISDN-Zugang. Für eine schnelle Datenübertragung und damit ange-
messene Nutzung des Internets ist das nicht ausreichend.

Von Seiten des Bundes, der Länder und Gemeinden sind bisher nicht alle Mög-
lichkeiten ausgeschöpft worden, um einen entsprechenden Breitbandzugang für
alle Haushalte und Unternehmen zu gewährleisten. In den Regionen, in denen
eine Erschließung unrentabel bleibt, ist eine öffentliche Infrastrukturförderung
erforderlich und die Standortattraktivität zu stärken.

Das Verlegen von Leerleitungen bei der Erschließung neuer Wohngebiete ist ein
sinnvolles Mittel, um zukünftigen Bedürfnissen nach Technologiezugängen ge-
recht zu werden. Um einen Wettbewerb von vornherein zu fördern und die Nut-
zungsentgelte für die einzelnen Kundinnen und Kunden gering zu halten, sollen
die Leitungen so gestaltet sein, dass die Nutzung durch mehrere Anbieter mög-
lich ist.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/8372

Auf europäischer Ebene wurde der Breitbandzugang bisher nicht als Universal-
dienst eingestuft. Voraussetzung für eine Anerkennung als Universaldienst über
die EG-Universaldienstrichtlinie aber ist, dass die große Mehrheit der Bevölke-
rung bereits Zugang zu diesem Dienst haben muss. Im Breitbandbereich ist dies
bislang bei weitem nicht gegeben. Aufgrund der Absichtserklärungen der Netz-
betreiber und der vorgeschlagenen Fördermaßnahmen kann sich dieser Zustand
jedoch in den nächsten Jahren ändern.

Sollte sich herausstellen, dass die unter Punkt 1 bis 8 vorgeschlagenen Maßnah-
men die so genannten weißen Flecken bis Ende des Jahres 2009 nicht schließen
können, bleibt als letztes Mittel die Änderung der EG-Universaldienstrichtlinie.
Überhöhte Kosten sollen dabei durch zwei Maßnahmen verhindert werden: Zum
einen soll der Versorgungsanspruch anbieterunabhängig erfolgen, d. h. dass in
der gesetzlichen Verpflichtung kein einzelner Anbieter festgelegt wird. Statt-
dessen soll die Auftragsvergabe an die einzelnen Anbieter durch ein wettbe-
werblich ausgestaltetes Ausschreibungsverfahren gewährleistet werden. Eine
technologieneutrale Universaldienstverpflichtung fördert zudem eine effiziente
Auswahl örtlich geeigneter Technologien.

Diese Universaldienstverpflichtung soll europaweit abgestuft erfolgen. Auf
diese Weise kann jeder Mitgliedstaat eigenständig definieren, wie hoch der Min-
deststandard der Übertragungsgeschwindigkeit im eigenen Land sein soll. So
wird verhindert, dass anderen Mitgliedstaaten unüberwindbare finanzielle Las-
ten auferlegt werden.

Die Nachfrage nach Breitbandkapazitäten steigt mit dem Angebot dateninten-
siver Internetdienste ständig weiter. Es ist nicht abzusehen, welche Bandbreiten
in der Zukunft als Mindeststandard notwendig sind. Um keine starre Regu-
lierung zu schaffen, die völlig an den Bedürfnissen der Internetnutzerinnen und
Internetnutzer vorbeigeht, muss der regulatorische Rechtsrahmen auf EU-Ebene
regelmäßig geprüft und gegebenenfalls den veränderten Bedarfsentwicklungen
angepasst werden.

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