BT-Drucksache 16/8287

Sperrungsverfügungen im Internet

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8287
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Jens
Ackermann, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto
Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Sperrungsverfügungen im Internet

In Frankreich wird das so genannte Zoning diskutiert, unter dem man eine auf
geografischen Kriterien basierte Steuerung des Informationszugangs und -inhalts
im Internet versteht. Ein Unterfall des Zonings ist „Geolocation“ oder „Geo-
targeting“, mit dem Internet-Protocol-Adressen (IP-Adressen) einem geogra-
fischen Ort zugeordnet werden können. Solche Verfahren werden bereits von
vielen Anbietern eingesetzt. So entscheiden z. B. Suchmaschinen darüber, wie
und ob Informationen gefunden werden. Dabei kann der Nutzer manchmal nicht
erkennen, ob die über die Suchmaschine gefundenen Ergebnisse vollständig
wiedergegeben werden, denn einige Suchmaschinen machen gelöschte Such-
ergebnisse kenntlich, andere dagegen nicht.

Die Internetplattform „ChillingEffects“ dokumentiert die von den Such-
maschinen vorgenommenen Löschungen. Diese Plattform ist ein gemeinsames
Projekt der Electronic Frontier Foundation und zahlreicher US-Universitäten.
In eine Datenbank können gerichtliche Verfügungen, die die Entfernung von
Inhalten gegenüber Suchmaschinenbetreibern betreffen, eingestellt werden.
Internetnutzer können sich somit ein Bild darüber machen, welche Inhalte
ihnen vorenthalten werden. In letzter Zeit finden sich zahlreiche Eintragungen
aus Deutschland in dieser Datenbank. Gelöschte Inhalte können über einen

Link bei „ChillingEffects“ mit einigem Aufwand gefunden werden, wenn die
Suchergebnisse für mehrere Ländererkennungen verglichen werden.

Deutsche Behörden haben die Möglichkeit, Sperrungsverfügungen zu erlassen,
um gegen Inhalte von Internetseiten vorzugehen. Im Jahr 2001 ordnete die Be-
zirksregierung Düsseldorf durch Sperrungsverfügung gegenüber so genannten
Access-Providern – also Unternehmen, die ihren Kunden lediglich einen Netz-

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zugang anbieten – an, den Zugriff auf bestimmte Internetseiten zu verhindern.
Seitdem hatten sich verschiedene deutsche Gerichte in verschiedenen Bundes-
ländern mit Sperrungsverfügungen zu befassen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Ziele mit Sperrungsverfügungen
verfolgt werden, und beabsichtigt die Bundesregierung, das Recht der
Sperrungsverfügungen bundesgesetzlich zu regeln?

2. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den angespro-
chenen Sperrungsverfügungen im Hinblick auf die Meinungsfreiheit und
möglicherweise andere betroffene Grundrechte?

3. Ist der Bundesregierung bekannt, wie zu sperrende Inhalte auf Internet-
seiten identifiziert werden?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, nach welchen Kriterien und rechtlichen
Grundlagen bisher Sperrungsverfügungen erlassen werden?

5. Hält die Bundesregierung Verpflichtungen für Access-Provider zur Sper-
rung des Zugangs zu bestimmten Webseiten vor dem Hintergrund der ein-
fachen technischen Umgehungsmöglichkeiten für ein geeignetes Mittel?

6. Hält die Bundesregierung Sperrungsverfügungen für Access-Provider hin-
sichtlich ihrer Erforderlichkeit und Angemessenheit insbesondere vor dem
Hintergrund des Grundsatzes der sogenannten Haftungsprivilegierung im
Telemediengesetz für ein geeignetes Mittel?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, ob seitens der Access-Provider bei er-
folgter Sperrungsverfügung im Jahr 2007 Entschädigungsansprüche ge-
stellt worden sind, und wenn ja, in welcher Höhe?

8. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Sperrungsverfügungen an
Access-Provider seit dem Inkrafttreten des novellierten Telemediengesetzes
in Deutschland angeordnet worden sind?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Sperrungsverfügungen 2007
von deutschen Behörden an Suchmaschinen ergangen sind?

10. Hält die Bundesregierung die geplante EU-Richtlinie zur „Nutzung und
Kontrolle von Filtermaßnahmen, um die volle Wahrnehmung von Rede-
und Informationsfreiheit zu gewährleisten“ für geeignet, das angestrebte
Ziel zu erreichen?

11. Welche weiteren Maßnahmen sollten nach Ansicht der Bundesregierung
im Zusammenhang mit der europäischen Harmonisierung des Jugend-
schutzrechts im Onlinebereich ergriffen werden?

12. Ist der Bundesregierung bekannt, wie mit Angeboten umgegangen wird,
die in Deutschland verboten, aber in anderen europäischen Mitgliedstaaten
erlaubt sind?

Ist eine Sperrungsverfügung vor dem Hintergrund des europäischen Rechts
nach Auffassung der Bundesregierung dann überhaupt möglich?

Berlin, den 26. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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