BT-Drucksache 16/8271

Inanspruchnahme und Geschlechtergerechtigkeit von Angeboten der Primärprävention nach § 20 SGB V

Vom 21. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8271
16. Wahlperiode 21. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg,
Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Inanspruchnahme und Geschlechtergerechtigkeit von Angeboten der
Primärprävention nach § 20 SGB V

Leistungen zur Primärprävention nach § 20 des Fünften Buches Sozialgesetz-
buch (SGB V) sollen den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und ins-
besondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von
Gesundheitschancen erbringen. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Kran-
kenkassen sind angehalten, gemeinsam und einheitlich sowie unter Einbezie-
hung unabhängigen Sachverstandes prioritäre Handlungsfelder und Kriterien
für Leistungen der Primärprävention, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Ziel-
gruppen, Zugangswegen, Inhalten und Methodik zu beschließen.

Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Kranken-
kassen und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Kranken-
kassen e. V. wurden im Jahr 2006 Kursangebote nach dem individuellen Ansatz
(Verhaltensprävention) überdurchschnittlich oft von Frauen in Anspruch ge-
nommen. Ihr Anteil lag bei 78 Prozent, der der Männer nur bei 22 Prozent aller
Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer (Arbeitsgemeinschaft der Spitzenver-
bände der Krankenkassen und Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der
Krankenkassen e. V.: Präventionsbericht 2007. Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung in der Primärprävention und betrieblichen Gesundheits-
förderung gemäß § 20 Abs. 1 und 2 SGB V, Berichtsjahr 2006). Die Zahlen
deuten darauf hin, dass bestehende individuelle Angebote der Primärprävention
bislang nicht geschlechtersensibel ausgerichtet sind. Beispielsweise gibt es
kaum Präventionsangebote, die sich gezielt an Männer wenden.

Es liegen darüber hinaus Hinweise vor, dass auch Gesundheitsförderungs-
angebote nach dem Setting-Ansatz (Verhältnisprävention) Geschlechtsunter-
schieden in Gesundheit und Krankheit kaum Rechnung tragen und die un-
terschiedlichen Lebensbedingungen von Frauen und Männern ungenügend
berücksichtigen (Thomas Altgeld: Warum weder Hänschen noch Hans viel
über Gesundheit lernen – Geschlechtsspezifische Barrieren der Gesundheits-
förderung und Prävention, in: Prävention und Gesundheitsförderung 2007,
Volume Band 2 Heft 2, S. 90 bis 97.).
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Ursachen sieht die Bundesregierung für die unterschiedliche Inan-
spruchnahme von Angeboten zur Primärprävention bei Frauen und Männern?

Drucksache 16/8271 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, in welchen Handlungsfeldern
der individuellen Primärprävention geschlechtersensible sowie geschlechts-
spezifische Angebote umgesetzt werden?

Falls ja, wie schlüsseln sich die Angebote in den folgenden Handlungs-
feldern auf (Bewegung, Ernährung, Stressreduktion/Entspannung, Genuss-/
Suchtmittelkonsum)?

Falls nein, welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung
sinnvoll, um geschlechtersensible sowie geschlechtsspezifische Angebote
in den aufgezählten Handlungsfeldern zu fördern?

3. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, in welchen Settings ge-
schlechtersensible sowie geschlechtsspezifische Angebote umgesetzt wer-
den?

Falls ja, wie schlüsseln sich die Angebote in den folgenden Settings auf
(Grundschule, weiterführende Schule, Berufsschule, Kindergarten/Kinder-
tagesstätte, Stadtteil/Ort, Verein, Betrieb)?

Falls nein, welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung ge-
eignet, um geschlechtersensible sowie geschlechtsspezifische Angebote in
den genannten Settings zu fördern?

Auf welche Settings sollte nach Ansicht der Bundesregierung der Schwer-
punkt gelegt werden?

4. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, welche geschlechts-
spezifischen Kriterien bei der Konzeptionierung, Planung, Umsetzung,
Evaluation und Dokumentation von Präventionsangeboten nach § 20 SGB V
berücksichtigt werden?

Falls ja, um welche Kriterien handelt es sich?

Falls nein, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen,
um die Entwicklung entsprechender geschlechtsspezifischer Kriterien zu
fördern?

5. Sind der Bundesregierung geschlechtssensible Evaluationen der Präven-
tionsangebote nach § 20 SGB V bekannt?

Wenn ja, welche sind dies, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bun-
desregierung daraus?

Wenn nein, sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, eine geschlechts-
sensible Evaluation zu implementieren?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit der an der Konzep-
tionierung, Planung, Umsetzung, Evaluierung und Dokumentation von Prä-
ventionsangeboten nach § 20 SGB V beteiligten Akteure (Krankenkassen,
Verbände der Krankenkassen, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Ärzte und
Ärztinnen, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Psychologinnen und
Psychologen etc.) hinsichtlich einer geschlechtersensiblen sowie geschlechts-
spezifischen Angebotsstruktur?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Spitzenverbände der
gesetzlichen Krankenkassen den Ansatz des Gender Mainstreaming in die
gemeinsamen und einheitlichen Handlungsfelder und Kriterien zur Um-
setzung von § 20 SGB V aufnehmen sollten?

Falls ja, welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um
dies zu fördern?

Falls nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8271

8. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag aus dem Bereich der
Frauengesundheitsbewegung, den Ansatz des Gender Mainstreaming im
§ 20 SGB V zu verankern?

9. Hält die Bundesregierung die Instrumente Gender Impact Assessment und
Gender Based Analysis und deren Einsatz für die Weiterentwicklung
geschlechtssensibler und geschlechtsspezifischer Präventionsprogramme
nach § 20 SGB V für ausreichend?

10. Welche weiteren Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung not-
wendig, um die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Inanspruch-
nahme von Angeboten zur Primärprävention abzumildern und die Teil-
nahme bei Männern zu steigern?

Berlin, den 21. Februar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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