BT-Drucksache 16/786

Bewertung der bisherigen Reformen in der beruflichen Bildung vor dem Hintergrund der geplanten "Initiative zur strukturellen Fortentwicklung der beruflichen Bildung"

Vom 28. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/786
16. Wahlperiode 28. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken),
Eva Bulling-Schröter, Bodo Ramelow, Frank Spieth, Sabine Zimmermann, Werner
Dreibus, Kornelia Möller, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion
DIE LINKE.

Bewertung der bisherigen Reformen in der beruflichen Bildung vor dem
Hintergrund der geplanten „Initiative zur strukturellen Fortentwicklung
der beruflichen Bildung“

In ihrem stetigen Bemühen, neue Dynamik für Ausbildung zu erzeugen (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/543) hat die Bundesregierung und die sie tragende
Koalition in den letzten Wochen angekündigt, eine „Initiative zur strukturellen
Fortentwicklung der beruflichen Bildung an den Nahtstellen der Bildung und
zwischen Bildung und Beschäftigung unter Einbeziehung aller für die berufliche
Bildung Verantwortlichen“ (im Folgenden „Strukturinitiative“) in Angriff zu
nehmen. Dieses Vorhaben folgt auf mehrere Reformversuche der letzten Jahre
(z. B. Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, Ausbildungs-
pakt etc.).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welches sind aus Sicht der Bundesregierung die wichtigsten Ziele und
Kriterien einer Strukturverbesserung des Berufsbildungssystems in den
kommenden Jahren?

b) Inwieweit unterscheiden sich diese Ziele und Kriterien aus Sicht der Bun-
desregierung von denen der bis 2005 amtierenden Bundesregierung?

2. a) An welche Beschlüsse des „Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wett-
bewerbsfähigkeit“ (BAAuWe) aus den Jahren 1999 bis 2001 sieht sich die
Bundesregierung vor dem Hintergrund der neuen geplanten Strukturinitia-
tive noch gebunden?

b) Welche Umsetzungsdefizite und welchen Handlungsbedarf sieht sie dies-
bezüglich (bitte konkrete Angaben zu allen Beschlüssen)?

c) Welche der Beschlüsse plant sie unter den neuen Verhältnissen nicht mehr
fortzuführen bzw. nicht mehr weiter umzusetzen (bitte mit Begründung)?
3. a) Inwieweit haben die Beschlüsse des BAAuWe aus Sicht der Bundesregie-
rung zu einer Strukturverbesserung des Systems der Beruflichen Bildung
geführt?

b) Was waren aus Sicht der Bundesregierung Probleme des Bündnisses hin-
sichtlich struktureller Verbesserungen des Berufsbildungssystems?

Drucksache 16/786 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

c) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Bewertung
für die neu geplante Strukturinitiative?

4. a) Welche strukturellen Reformimpulse aus den Beschlüssen der Kultus-
ministerkonferenz (KMK) vom Herbst 2003 gedenkt die Bundesregierung
für ihre jetzige „Strukturinitiative“ aufzunehmen?

b) Welche Impulse aus den seitens der seinerzeitigen Bundesregierung mit
Ländern, Gewerkschaften und Arbeitgebern im Herbst 2003 (etwa am
9. Dezember 2003) geführten Gesprächen zu strukturellen Verbesserun-
gen im Berufsbildungssystem gedenkt die Bundesregierung zu berück-
sichtigen bzw. wieder aufzunehmen?

c) Sind nach Auffassung der Bundesregierung die oben genannten „Struktur-
initiativen“ so wirkungs- oder erfolglos geblieben, dass jetzt ein erneuter
Versuch unternommen werden muss, und welche Gründe sind hierfür ggf.
verantwortlich?

d) Welche Konsequenzen zieht sie ggf. aus dieser Bewertung für die neu ge-
plante Strukturinitiative, insbesondere was die Verbindlichkeit von Ver-
einbarungen einzelner Mitwirkender aus vergangenen Jahren betrifft?

5. a) Welche Versäumnisse sieht die Bundesregierung im Prozess der Reform
des Berufsbildungsgesetzes 2005?

b) Inwieweit darf die Fachöffentlichkeit die Ankündigung einer weiteren
Strukturinitiative so werten, dass die Reform des Berufsbildungsgesetzes
2005 von der Bundesregierung als unzureichend bzw. zumindest verbes-
serungswürdig betrachtet wird?

6. Warum sind aus Sicht der Bundesregierung mit der Reform des Berufsbil-
dungsgesetzes 2005 Regelungen

a) zum Verhältnis von beruflicher Aus- und Weiterbildung;

b) zur Verbesserung der Berufsberatung;

c) zur strukturellen Absicherung der Benachteiligtenförderung;

d) zur Geschlechtergerechtigkeit;

e) zur Stabilisierung der beruflichen Bildung für junge Menschen mit Migra-
tionshintergrund und

f) zur Verbesserung der Abstimmung zwischen den Lehrinhalten in der
Berufsschule und den Abschlussprüfungen der Ausbildung

unterblieben?

7. a) Aus welchen Gründen hat es die Bundesregierung bisher unterlassen, die
Gründe dafür, dass sich weiterhin ausbildungsfähige Betriebe aus der
Ausbildung zurückziehen, systematisch zu ermitteln?

b) Inwieweit plant die Bundesregierung vor dem Hintergrund der geplanten
Strukturinitiative eine diesbezügliche Ermittlung?

8. a) Wie sieht die zeitliche Planung der Bundesregierung für die angekündigte
„Strukturinitiative“ aus?

b) Welche außerparlamentarischen Teilnehmer sollen in die Beratungen ein-
bezogen werden?

c) Wann und in welcher Form wird das Parlament in die Beratungen einbe-
zogen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/786

9. a) Welche Themen sollen nach den Planungen der Bundesregierung im
Zuge der Strukturinitiative aufgegriffen werden?

b) Inwieweit werden folgende Themen eine Rolle spielen:

aa) Verhältnis der beruflichen Aus- und Weiterbildung;

bb) Verbesserung der Berufsberatung;

cc) strukturelle Absicherung der Benachteiligtenförderung, Geschlech-
tergerechtigkeit, Stabilisierung der beruflichen Bildung für junge
Menschen mit Migrationshintergrund, Verbesserung der Abstim-
mung zwischen Lehrinhalten der Berufsschulen und Abschlussprü-
fungen der Ausbildung?

c) Inwieweit und in welcher Form wird die Bundesregierung auf die Erfah-
rungen mit der Reform der beruflichen Bildung in Österreich und der
Schweiz, insbesondere was die verbesserte Anerkennung und Integration
vollzeitschulischer Ausbildung und den Zugang zur Hochschule mit
einem Berufsabschluss betrifft, bei der geplanten Strukturinitiative zu-
rück greifen?

10. a) Welche Bedeutung misst die Bundesregierung einer Einbeziehung der
Gewerkschaften bei der geplanten Strukturinitiative zu?

b) Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, wenn
die Gewerkschaften durch das Festhalten der Bundesregierung an dem
aus gewerkschaftlicher Sicht gescheiterten Ausbildungspakt auch die
geplante „Strukturinitiative“ nicht mittragen können?

11. Teilt die Bundesregierung den Eindruck, dass die Ankündigung von „Struk-
turinitiativen“ in der Öffentlichkeit als beschönigender und verharmlosen-
der Politikersatz ohne substanzielle Auswirkungen auf die quantitativen und
qualitativen Mängel in der Ausbildung gewertet werden könnte, und wie
gedenkt sie diesem Eindruck ggf. entgegenzutreten?

12. Welche Rolle wird der in der Europäischen Union diskutierte Europäische
Qualifikationsrahmen bei der Entwicklung und Diskussion der geplanten
Strukturinitiative spielen?

Berlin, den 24. Februar 2006

Cornelia Hirsch
Dr. Petra Sitte
Volker Schneider (Saarbrücken)
Eva Bulling-Schröter
Bodo Ramelow
Frank Spieth
Sabine Zimmermann
Werner Dreibus
Kornelia Möller
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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