BT-Drucksache 16/7765

Keine Steuererhöhung bei der Erbschaftsteuer - Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts zurückziehen

Vom 16. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7765
16. Wahlperiode 16. 01. 2008

Antrag
der Abgeordneten Carl-Ludwig Thiele, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Volker Wissing, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Markus Löning, Horst Meierhofer,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg
Rohde, Marina Schuster, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar, Dr. Claudia
Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und
der Fraktion der FDP

Keine Steuererhöhung bei der Erbschaftsteuer – Gesetzentwurf zur Reform des
Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts zurückziehen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Deutsche Bundestag lehnt den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur
Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts ab. Der Gesetzentwurf
enthält nicht die in der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD an-
gekündigten Steuererleichterungen für Unternehmen, sondern führt zu z. T.
massiven Steuererhöhungen insbesondere für die Erben bzw. Übernehmer von
mittelständischen Personengesellschaften. Das Steueraufkommen aus der
Erbschaft- und Schenkungsteuer dürfte infolge der höheren Bewertung ins-
besondere von Immobilien und Unternehmen künftig weit über dem durch-
schnittlichen Aufkommen der letzten Jahre liegen. Die Steuermehreinnahmen
müssten im Ergebnis von den Erben von Immobilien und Unternehmen und
von entfernter verwandten und nicht verwandten Erben infolge sehr hoher
Steuersätze aufgebracht werden. Der Deutsche Bundestag lehnt Steuer-
erhöhungen grundsätzlich ab und wird dem Gesetzentwurf zur Reform des
Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts auch aus diesem Grund nicht zustim-
men.
Einzelheiten der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Bewertung
nach Verkehrswerten sind nicht im Gesetzentwurf enthalten, sondern sollen
durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung festgelegt werden. Da die
Bewertung entscheidend ist für die Höhe der zu entrichtenden Steuer, hält der
Deutsche Bundestag es für unabdingbar, dass das Bewertungsverfahren voll-
ständig gesetzlich geregelt wird. Er lehnt es daher als mit dem Grundsatz der
Gewaltenteilung nicht vereinbar ab, dass eine Rechtsverordnung der Bundes-

Drucksache 16/7765 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

regierung Teile des neuen Bewertungsrechts regelt und damit entscheidend
für die Höhe der Steuer ist.

2. Die Anhebung der Freibeträge für Ehegatten und Kinder ist ein richtiger
Schritt. Sie entlastet in erster Linie die Erben von Barvermögen. Die höhere
Bemessungsgrundlage von Immobilien, deren Wertansatz bisher ca. 60 Pro-
zent des Verkehrswertes war, wird in vielen Fällen aber leider nicht ausgegli-
chen.

3. Die Regierung begeht Wortbruch gegenüber dem Mittelstand. Noch in der
Koalitionsvereinbarung hatte sie zugesagt, die Vererbung von Unternehmen
ganz von der Steuer freizustellen, wenn sie zehn Jahre lang weitergeführt
werden. Jetzt sollen in jedem Fall 15 Prozent des Betriebsvermögens versteu-
ert werden. Da sich infolge der notwendigen Änderungen des Bewertungs-
rechts die Bemessungsgrundlage auf mindestens das Drei- bis Vierfache
erhöhen dürfte, werden Unternehmenserben entgegen der Ankündigung der
Koalition der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in nennenswerter
Größenordung Steuern bezahlen, da die Steuersätze unverändert bleiben. Der
Generationenübergang in arbeitsplatzintensiven Familienpersonengesell-
schaften mit einer z. T. über mehrere Generationen gewachsenen heteroge-
nen Gesellschafterstruktur würde in unzumutbarer Weise durch die Steuer
belastet.

Der Abschlag von 85 Prozent der Bemessungsgrundlage hilft in der jetzt vor-
gesehenen Form wenig. Ihn soll es erst dann geben, wenn über zehn Jahre
70 Prozent der Lohnsumme des Durchschnitts der letzten fünf Jahre vor der
Übertragung erhalten und der – auch land- und forstwirtschaftliche – Betrieb
oder Teile davon 15 Jahre lang weder veräußert noch aufgegeben werden. Die
Vergünstigungsregel gilt für Erben einer Kapitalgesellschaft nur dann, wenn
der Anteil jeweils mehr als 25 Prozent beträgt. Diese Voraussetzungen für
einen Abschlag sind völlig unpraktikabel und bürokratisch kaum zu bewälti-
gen. Sie ignorieren die Notwendigkeit betriebswirtschaftlicher Umstrukturie-
rungen, konjunktureller Schwankungen und technischer Neuerungen. Sie
können Unternehmen davon abhalten, sich weiterzuentwickeln. Sie sind
lebensfremd und sorgen für dauerhafte Rechtsunsicherheit. Der Deutsche
Bundestag nimmt die massive Kritik aus allen Teilen der Wirtschaft an diesen
Plänen sehr ernst und wird das Gesetz in dieser Form nicht verabschieden.

4. Der Eingangssteuersatz der Steuerklasse II steigt von zwölf Prozent auf
30 Prozent, der Spitzensatz von 40 Prozent auf 50 Prozent. Der Deutsche
Bundestag lehnt es ab, dass Geschwister, Nichten, Neffen und bei Schenkun-
gen auch Eltern und Großeltern wie fremde Dritte behandelt werden. Sie sol-
len nach den Vorstellungen der Bundesregierung im Erbfall ein Drittel ihres
Erbes dem Fiskus überlassen, bei höheren Erbschaften sogar die Hälfte. Die-
ses Vorhaben grenzt an Teilenteignung und ist nicht akzeptabel.

5. Die bisherigen Steuerklassen II und III werden zusammengefasst, wobei die
Freibeträge in der Klasse III geringfügig auf 20 000 Euro steigen sollen. Der
Eingangssteuersatz in der Steuerklasse III – für nicht verwandte Erben –
steigt von 17 Prozent auf 30 Prozent. Besonders betroffen von dieser Steuer-
erhöhung sind nichteheliche Lebenspartner. Auch diese Steuererhöhungen
sind für die Betroffenen unzumutbar. Der Deutsche Bundestag lehnt sie ab.

6. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass sich Deutschland in einem Steuer-
wettbewerb mit den übrigen europäischen Staaten befindet. Einzelne Länder,
wie beispielsweise Schweden, haben die Erbschaftsteuer abgeschafft. Andere
lassen sie auslaufen, wie etwa Österreich unter einer Großen Koalition mit
einem sozialdemokratischen Bundeskanzler. In Frankreich sollen 90 Prozent
aller Erbfälle steuerfrei gestellt werden. Wieder andere Länder, wie Polen,

stellen Ehepartner und Kinder von der Erbschaftsteuer frei oder reduzieren

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7765

die Erbschaftsteuer auf andere Weise. Der Wettbewerb um die Ansiedlung
kapitalstarker Bürger, der in der Schweiz und in Österreich unter anderem an-
hand aggressiver Werbung geführt wird, führt dazu, dass immer mehr vermö-
gende Bürger aus Deutschland in angrenzende Länder abwandern. Dies hat
zur Folge, dass diese Bürger zukünftig ihre jährlichen Lohn- und Einkom-
mensteuern sowie auch die Umsatzsteuer auf ihren Konsum nicht mehr in
Deutschland zahlen. Hierdurch wird das deutsche Steueraufkommen Jahr für
Jahr geschmälert. Der Deutsche Bundestag erachtet diese Entwicklung als
nicht hinnehmbar.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ihren Entwurf für ein Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewer-
tungsrechts zurückzuziehen.

Berlin, den 16. Januar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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