BT-Drucksache 16/764

Umgang mit Korruption und Korruptionsvorwürfen bei der Vergabe von Hermesbürgschaften

Vom 23. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/764
16. Wahlperiode 23. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost und der Fraktion
DIE LINKE.

Umgang mit Korruption und Korruptionsvorwürfen bei der Vergabe von Hermes-
bürgschaften

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND berichtete am 15. Februar 2006,
dass die Bundesregierung die Bemühungen der Organisation für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) um schärfere Anti-Korruptionskon-
trollen bei der Vergabe von Exportkreditgarantien blockieren würde.

Pressemeldungen und Berichte befassen sich immer wieder mit Korruptionsvor-
würfen gegen deutsche Firmen. Eine ganze Reihe von den benannten Korrup-
tionsfällen findet in Ländern statt, in denen Unternehmen gewöhnlich ihre
Exporte durch Hermesbürgschaften absichern lassen. Dies wirft die Frage auf,
welche Anti-Korruptionsmaßnahmen es für Hermesbürgschaften gibt und wie
genau Korruptionsvorwürfen nachgegangen wird.

Die Firma Bilfinger Berger ist Unterauftragnehmer des TSKJ Konsortiums unter
der Führung von Halliburtons Kellogg Brown & Root Abteilung. Das TSKJ
Konsortium baut auf Bonny Island in Nigeria eine große Flüssiggasanlage. In
dem Projekt wird wegen ungeklärter Zahlungen zwischen 1995 und 2002 ermit-
telt. Bilfinger Berger hat zugegeben Gelder an Tristar, die Firma eines britischen
Anwalts, gezahlt zu haben, gegen die im Rahmen der Untersuchung ermittelt
wird („Bilfinger Paid Tesler Regarding Nigeria Plant“, Dow Jones Newswires,
6. Juli 2004).

Gegen DaimlerChrysler wird in den USA unter der Securities and Exchange
Commission wegen Korruption und Verstößen gegen den Foreign Corrupt
Practices Act ermittelt. Ein ehemaliger Angestellter, David Bazzetta, hatte ge-
meldet, dass Daimler Chrysler geheime Konten unterhielt, die für Korruptions-
zahlungen vorgesehen waren. Diese Zahlungen wurden in verschiedenen
Ländern vorgenommen („DaimlerChrysler’s turmoil grows“, New York Times,
6. August 2005).

Gegen die Firma Fraport wurde wegen Bestechung sowohl im Zusammenhang
mit dem Bau des Flughafens in Manila als auch in Taschkent ermittelt. In den
Philippinen erklärte die Regierung den Vertrag zum Bau und Betrieb eines
Terminals am Flughafen Manilas für null und nichtig, da die Verträge aus der

Ausschreibung eine Farce gemacht hätten, die Betreiber zu hohe Gebühren für
die Nutzung des Terminals verlangten und Korruptionsvorwürfe gegen das Pro-
jekt bestanden. Fraport schrieb das Projekt als Konzernverlust ab („Fraport ver-
liert in Manila“, Netzzeitung, 21. Januar 2004, „Kostspieliger Ausflug auf die
Philippinen“, Manager Magazin, 25. März 2003). Im Fall Taschkent wurde
ebenfalls wegen Korruption ermittelt, sogar durch die Frankfurter Staatsanwalt-
schaft. Die Ermittlungen entlasteten zwar die Spitzenmanager, Fraport selbst

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jedoch räumte ein, dass im Zusammenhang mit den Ermittlungen zwei Mitar-
beiter entlassen worden sind („Fraport-Spitzenmanager entlastet“, DIE WELT,
23. März 2004).

Die Firma Siemens wird im Volcker-Bericht über Korruption im Irak, ebenso
wie 62 andere deutsche Firmen, erwähnt (Bericht der unabhängigen Unter-
suchungskommission über Korruption beim Irak-Hilfsprogramm „Öl für
Lebensmittel“ unter Leitung des früheren amerikanischen Notenbankchefs Paul
Volcker). Im vergangenen Jahr erhoben ehemalige Siemens-Manager Korrup-
tionsvorwürfe sowohl im Zusammenhang mit Russlandgeschäften als auch ge-
nerell gegen die Kraftwerkssparte „Siemens Power Generation“, bei der Beste-
chung nicht die Ausnahme, sondern die Regel gewesen sei. Konkret wird ein
Kraftwerksauftrag in der Dominikanischen Republik genannt, für den im Jahr
2000 990 000 Dollar auf Konten in Andorra und Florida überwiesen worden
seien. Seit Korruption in Deutschland verboten ist, würden Provisionsverein-
barungen in Subunternehmer und Consultingverträge umgewandelt („Wie
geschmiert?“, stern, 8. Dezember 2005).

Gegen das französische Unternehmen Alcatel wird wegen Korruption in Costa
Rica ermittelt. Es soll eine halbe Million Dollar an den ehemaligen Präsidenten
Costa Ricas, Miguel Angel Rodriguez, gezahlt haben, um einen lukrativen
Staatsauftrag zur Modernisierung des Mobilfunknetzes zu erhalten (http://welt-
blog.espace.ch/20041016).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung eine bessere Korruptionskontrolle bei der Ver-
gabe von Exportkreditgarantien für notwendig, und wie begründet sie ihre
Haltung?

2. Welche Vorschläge der OECD für schärfere Anti-Korruptionskontrollen bei
der Vergabe von Exportkreditgarantien unterstützt die Bundesregierung,
und welche Vorschläge unterstützt sie nicht?

3. Trifft es zu, dass die Bundesregierung die neuen Vorschriften der OECD für
schärfere Anti-Korruptionskontrollen bei der Vergabe von Exportkreditga-
rantien nicht akzeptiert, und wenn ja, warum nicht?

4. Falls die Bundesregierung die neuen Vorschriften der OECD für schärfere
Anti-Korruptionskontrollen bei der Vergabe von Exportkreditgarantien
nicht akzeptieren will, mit welchen Instrumenten will sie dann eine bessere
Korruptionskontrolle bei der Vergabe von Exportkreditgarantien herbeifüh-
ren?

5. Wie stellt sich die Bundesregierung zu den Plänen der OECD, dass Firmen,
die einen Auftrag nur aufgrund von Bestechungsgeldern erhalten haben,
keine Exportgarantien mehr erhalten sollen?

6. Wie stellt sich die Bundesregierung zu den Plänen der OECD, dass künftig
die Identität von Geschäftsvermittlern sowie Umfang und Zweck aller an sie
geleisteten Zahlungen offen gelegt werden müssen?

7. Hat die Firma Bilfinger Berger für ihren Unterauftrag zum Bau einer Flüs-
siggasanlage auf Bonny Island in Nigeria eine Hermesdeckung erhalten?

8. Weiß die Bundesregierung um die Ermittlungen im Rahmen des in Frage 7
genannten Projektes, und ist sie selbst tätig geworden, um möglicher Kor-
ruption auf die Spur zu kommen und gegen sie aktiv zu werden?

9. Wurde vor einer Deckungsübernahme geprüft, ob die Firma Bilfinger Ber-
ger über Anti-Korruptionsmaßnahmen verfügt, und wenn ja, wie?
10. Findet sich auf der Liste der angenommenen Geschäfte durch Hermes zwi-
schen Oktober 2001 und Oktober 2005 nur deshalb ein einziges Geschäft

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/764

von DaimlerChrysler, weil tatsächlich im ganzen Zeitraum nur ein zu veröf-
fentlichendes Projekt vorkam, oder hat DaimlerChrysler der Veröffent-
lichung nicht zugestimmt?

11. Wie viele und welche Geschäfte von DaimlerChrysler wurden von Hermes
seit 1998 (dem Zeitpunkt der Fusion zwischen Daimler und Chrysler) ge-
deckt und welche Länder betrifft dies?

12. Weiß die Bundesregierung um die Ermittlungen gegen DaimlerChrysler in
den USA und ist sie selbst tätig geworden, um möglicher Korruption bei
Hermes-gedeckten Geschäften auf die Spur zu kommen und dagegen aktiv
zu werden?

13. Wurde vor einer Deckungsübernahme geprüft, ob DaimlerCrysler über An-
ti-Korruptionsmaßnahmen verfügt, und wenn ja wie?

14. Hat die Bundesregierung für die Geschäfte von Fraport in Manila und
Taschkent Hermesdeckungen erteilt?

15. Wenn ja, hat Fraport bei dem Manila-Geschäft einen Schadensfall angemel-
det, ist Fraport entschädigt worden, und wurde in diesem Fall den Korrup-
tionsvorwürfen nachgegangen?

16. Wurde, im Fall einer Deckung beim Taschkent-Projekt, dort den Korrup-
tionsvorwürfen nachgegangen?

17. Wurde vor einer Deckungsübernahme geprüft, ob Fraport über Anti-Kor-
ruptionsmaßnahmen verfügt, und wenn ja wie?

18. Hat die Bundesregierung für das Geschäft von Siemens Power Generation
in der Dominikanischen Republik Hermesbürgschaften übernommen, und
wenn ja, geht die Bundesregierung den Korruptions-Vorwürfen nach?

19. Wie viele Bürgschaften wurden für Siemens Power Generation seit 1999 er-
teilt?

20. Hat die Bundesregierung jemals gedeckte Siemensgeschäfte auf Korrup-
tionsvorwürfe geprüft?

21. Wurde und wird vor einer Deckungsübernahme geprüft, ob Siemens über
Anti-Korruptionsmaßnahmen verfügt, und wenn ja wie?

22. Wurden Deckungen der Stuttgarter Niederlassung von Alcatel SEL AG
auch im Fall des Costa Rica Geschäfts übernommen?

23. Wenn ja, wurde dort den Korruptionsvorwürfen nachgegangen, und wenn
ja, mit welchem Ergebnis?

24. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen des
„Volcker-Berichtes“ über Korruption im Irak, in dem 63 deutsche Firmen
benannt wurden?

25. Wird bei den in diesem Bericht aufgeführten deutschen Firmen bei der neu-
erlichen Vergabe von Hermesbürgschaften genauer auf Korruption geachtet,
und wird geprüft, welche Anti-Korruptionsmaßnahmen die Firmen haben,
und wenn ja, wie?

Berlin, den 21. Februar 2006

Ulla Lötzer
Dr. Barbara Höll
Dr. Axel Troost
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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