BT-Drucksache 16/7624

Wirtschaftspolitische Bewertung der Bestreikung der Deutsche Bahn AG durch die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7624
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto
Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Wirtschaftspolitische Bewertung der Bestreikung der Deutschen Bahn AG durch
die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL versteht sich als Tarifpart-
ner der Deutschen Bahn (DB) AG und privater Eisenbahnverkehrsunternehmen.
Als Interessenvertretung von derzeit rund 62 Prozent des Fahrpersonals der
DB AG – darunter 15 550 Lokomotivführer (Stand 31. Mai 2007) – verfolgt die
GDL das Ziel, einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal zu verein-
baren. Neben der Erhöhung von Monatsentgelten fordert die GDL eine Ver-
kürzung der vertraglichen Arbeitszeiten und eine Veränderung von Arbeitszeit-
bestimmungen. So sollen Ruhezeiträume ausgeweitet und die maximale
Schichtlänge verkürzt werden.

Vor diesem Hintergrund erfolgten am 3. Juli und am 10. Juli flächendeckende
Warnstreiks des in der GDL organisierten Fahrpersonals. Seitdem hat die Streik-
intensität auf Basis eines Urabstimmungsergebnisses von 95,8 Prozent per
6. August zugenommen. Bundesweite Streiks im Güter- und Personenverkehr
zwischen dem 8. November und 10. November haben die deutsche Wirtschaft
spürbar belastet.

Die DB AG ist ein Unternehmen im Bundesbesitz. Die Bundesregierung nimmt
die Eigentümerinteressen wahr. Die Bundesrepublik Deutschland hat, solange
sie mehrheitlich Aktionär ist, das Recht, die Hälfte der Mitglieder des Aufsichts-

rats zu benennen. Gegenwärtig sind Vertreter des Bundesministeriums für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung (Jörg Hennerkes), des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie (Dr. Bernd Pfaffenbach) und des Bundesministeri-
ums der Finanzen (Dr. Axel Nawrath) im Aufsichtsrat vertreten.

Drucksache 16/7624 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass private und gewerb-
liche Kunden der DB AG innerhalb der Streikphasen auf andere Mobilitäts-
träger wie Kraftfahrzeuge oder auf andere Eisenbahngesellschaften auswei-
chen?

Wenn nein, warum nicht, und wie erklärt die Bundesregierung dann die
Äußerungen des Sixt-Konzerns „je länger der Streik dauern wird, desto
mehr Ertrag werden wir machen“ (Financial Times Deutschland, 16. No-
vember 2007, Seite 6)?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Ökobilanz eines solchen Ausweich-
verhaltens der Nutzer auf andere Verkehrsmedien wie beispielsweise priva-
te oder angemietete Kraftfahrzeuge?

3. Wie hoch sind die kumulierten, streikbedingten Umsatzausfälle der DB AG
im Personen- und Güterverkehr in diesem Jahr?

4. Wie hoch prognostiziert die Bundesregierung die Mehrwertsteuerausfälle
als Folge eines streikbedingt geringeren Personen- und Güterverkehrs der
DB AG bis zum Eingang dieser Kleinen Anfrage?

5. Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung den volkswirtschaftlichen
Schaden, der bisher durch die Streiks entstanden ist?

6. Konnte die Bundesregierung überdurchschnittlich hohe Mauteinnahmen für
die Nutzung von Autobahnen an den Streiktagen vereinnahmen, wenn ja,
wie hoch waren diese?

7. Wurden bei der Bundesagentur für Arbeit Anträge auf Kurzarbeitergeld
durch betroffene Unternehmen als Folge der Streiks gestellt, wenn ja, wel-
ches Volumen umfassen die Anträge?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung aus ordnungs- und versorgungssicherheits-
politischer Sicht den Vorschlag der Fraktion der FDP (Bundestagsdrucksache
16/6435), den Parallelverkehr als Ablehnungsgrund im Personenbeförde-
rungsgesetz abzuschaffen?

Stimmt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang der Auffassung zu,
dass ein Parallelverkehr von Bussen und Bahn die negativen externen Effekte
der Bestreikung der DB AG zumindest teilweise kompensieren würde?

9. Wurden Erneuerungs-, Erweiterungs-, Verbesserungs-, Sanierungs- oder
Prüfungsarbeiten seitens der DB Netz AG innerhalb oder kurz vor (eine
Woche) Streikphasen an Gleis- oder Bahnanlagen neu aufgenommen, wel-
che auch durch Konkurrenzunternehmen der DB AG genutzt werden?

10. Hat die DB AG ausländisches Zugpersonal als Ersatzarbeitskräfte (Beispiel
Leiharbeit) innerhalb von Streikphasen eingesetzt?

Wenn ja, wurden alle rechtlichen Anmelde- und Prüfvorschriften durch die
DB AG eingehalten?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung in ihrer Eigentümerfunktion der DB AG
die tarifliche Verhandlungsführung des Vorstandes der DB AG?

Ist diese angemessen?

12. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Kommunikation zwischen
den Tarifvertragspartnern zu stark über die Medien und zu wenig im direk-
ten Gespräch erfolgt ist?

Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Vorge-
hensweise des Bahnvorstandes, der das „fünfte Verhandlungsangebot“ Mit-

te Oktober zuerst der Presse übermittelt und erst danach der GDL zur Ver-
fügung gestellt hat?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7624

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anzeigenkampagnen des Bahnvor-
standes, mit denen die DB AG in ganzseitigen Tageszeitungsanzeigen die
GDL zum Einlenken aufgefordert hat?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die DB AG bzw. ihre
Konzerngesellschaften und ihr Arbeitgeberverband im Verlaufe des diesjäh-
rigen Tarifstreits mit der GDL insgesamt 18 Verfahren auf Erlass einer einst-
weiligen Verfügung betrieben haben und zwar bei 8 unterschiedlichen ört-
lichen Gerichten (Mainz, Frankfurt, Hagen, Flensburg, Nürnberg, Stuttgart,
Düsseldorf und Chemnitz)?

15. Waren die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat über die prozes-
suale Vorgehensweise der DB AG informiert?

Haben sie diese gebilligt?

16. In welcher Form sind die Vertreter der Bundesregierung in ihrer Funktion
als Aufsichtsräte über die Verhandlungsangebote der DB AG und über be-
gleitende Maßnahmen im Tarifstreit (Beispiel Notfallpläne, Einsatz von
Leiharbeit, Beantragung einstweiliger Verfügungen etc.) informiert worden?

Haben die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat diese Maßnahmen
gebilligt?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung den Tarifkonflikt generell unter dem Ge-
sichtspunkt ihrer Eigentümerfunktion?

Berlin, den 12. Dezember 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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