BT-Drucksache 16/7590

Europarechtliche Beurteilung der geplanten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7590
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Frank Schäffler, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund
Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-
Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Jörg Rohde, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing,
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Europarechtliche Beurteilung der geplanten Änderung des Außenwirtschafts-
gesetzes

Mit dem Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Außenwirt-
schaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung plant die Bundesregie-
rung gegenwärtig eine Verschärfung der bislang sehr restriktiven Beschränkun-
gen im Außenwirtschaftsverkehr. Ziel dieser Regierungsinitiative ist es,
politisch unerwünschte ausländische Investitionen in gebietsansässige Unter-
nehmen einem stärkeren politischen Einfluss zu unterziehen. Das grund- und
europarechtlich geschützte Eigentums- und damit auch Veräußerungsrecht soll
in Zukunft stärker eingeschränkt werden können, wenn der politische Zeitgeist
wechselnder Regierungskonstellationen dies aus sicherheitspolitischen Erwä-
gungen begrüßt. Mit der geplanten Gesetzesänderung verkennt die Bundes-
regierung die bereits bestehenden Schutzregelungen des Kartell- und Wett-
bewerbsrechts und einer straffen Regulierung im Bereich der natürlichen
Monopole.

An dem vorliegenden Gesetzentwurf ist die Einsicht der Bundesregierung zu
begrüßen, dass eine explizite Investitionsbeschränkung von Staatsfonds (Sove-
reign Wealth Funds) oder ausländischen Unternehmen in mehrheitlichem
Staatsbesitz mit Artikel 58 Abs. 3 des EG-Vertrags (EGV) grundsätzlich nicht
vereinbar ist. Die Beschränkung ausländischer Investitionen aufgrund eines

staatlichen Hintergrunds war und ist europarechtswidrig. Klärungsbedürftig ist
an dem Vorhaben jedoch insbesondere, warum die Bundesregierung mit dem
vorgesehenen § 53 AWG gegen das europarechtliche Ausländerdiskriminie-
rungsverbot nach Artikel 56 EGV zu verstoßen plant. Auch die im Gesetzent-
wurf vorgesehene allgemeine Schutzregel zur „öffentlichen Ordnung oder
Sicherheit“ ist nach gängiger Rechtsauffassung europarechtswidrig. Dies bestä-
tigt auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen

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Entwicklung im jüngsten Jahresgutachten. Rechtliche Bedenken ergeben sich
zudem unter dem Rechtsprinzip der Verhältnismäßigkeit. Die geplanten Rege-
lungen sehen vor, dass alle ausländischen Investitionen – also auch der Kauf
nur einer Aktie – innerhalb der Prüfungsfrist schwebend unwirksam sind.

Unter anderem aus diesen Gründen kommt der Sachverständigenrat zu der
Feststellung, „würde dieser Entwurf Gesetz, so wäre ein äußerst missbrauchs-
anfälliges Instrument geschaffen worden, welches über das Maß des ökono-
misch Begründbaren oder Wünschenswerten deutlich hinausgehen würde.“
Aus diesem Grunde hat die Fraktion der FDP einen alternativen, auf das
Kartell- und Wettbewerbsrecht abstellenden Regulierungsvorschlag (Bundes-
tagsdrucksache 16/6997) eingebracht, der sowohl europa- als auch G8-kon-
forme Vorschläge unterbreitet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bis zu welchem Datum plant die Bundesregierung, den Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirt-
schaftsverordnung in den Deutschen Bundestag einzubringen?

2. Zu welchem Zeitpunkt soll nach gegenwärtiger Sicht der Bundesregierung
das Gesetz in Kraft treten?

3. Liegt der Bundesregierung bereits eine indikative oder verbindliche Stel-
lungnahme der Europäischen Kommission zu dem vorliegenden Gesetz-
entwurf vor?

Wenn nein, bis wann wird diese vorliegen?

Wenn ja, wie beurteilt die Europäische Kommission den Entwurf?

4. Welche Beanstandungen am vorliegenden Gesetzentwurf wurden seitens
der Bundesländer im Detail angebracht?

5. Wie definiert die Bundesregierung den im Gesetzentwurf vorgesehenen
Begriff „öffentliche Ordnung oder Sicherheit“ konkret?

6. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „kritische Infrastruktur“,
den die Bundeskanzlerin am 28. November 2007 in ihrer Plenarrede zum
Haushalt 2008 als Schutzgut der vorgesehenen Verschärfung des Außen-
wirtschaftsgesetzes eingeführt hat?

7. Wie begründet die Bundesregierung die Europarechtskonformität der ge-
planten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes hinsichtlich der Verein-
barkeit mit dem Ausländerdiskriminierungsverbot von Artikel 56 ff. EGV,
in dem es heißt, dass alle Beschränkungen des Zahlungs- und des Kapital-
verkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaa-
ten und dritten Ländern verboten sind?

8. Wie begründet die Bundesregierung die Europarechtskonformität der vor-
gesehenen allgemeinen Schutzklausel, die der Europäische Gerichtshof in
mehreren Gerichtsverfahren nicht als Grundlage für die Investitionsbe-
schränkung akzeptiert hat?

9. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass die Anwendung der
vorgesehenen Rechtsnorm nicht mit dem Vertrag von Lissabon vereinbar
ist, wonach die Europäische Union eine ausschließliche Regelungskompe-
tenz im Bereich der Investitionsbeschränkung bekommt?

10. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass die geplanten Ände-
rungen des Außenwirtschaftsgesetzes nicht mit der G8-Erklärung vom
7. Juni 2007 vereinbar sind, in der es heißt: „Wir werden zusammenarbei-

ten, um offene und transparente Investitionssysteme zu verstärken und
Tendenzen, sie einzuschränken, zu bekämpfen. Die Errichtung von Barrie-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7590

ren und die Unterstützung des Protektionismus würden zu Wohlstandsein-
bußen führen“?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung dies?

11. Sieht sich die Bundesregierung „nach wie vor verpflichtet, nationale Be-
schränkungen ausländischer Investitionen zu minimieren“ (G8-Gipfel,
Wachstum und Verantwortung in der Weltwirtschaft, 7. Juni 2007)?

Wenn ja, wie erklärt sich vor diesem Hintergrund eine Erweiterung und
Verschärfung der Investitionsbeschränkung mit der angestrebten Minimie-
rung?

12. Stimmt die Bundesregierung zu, dass nach den aktuell vorgesehenen
Regeln alle Rechtsgeschäfte zum Erwerb eines Anteils eines gebietsansäs-
sigen Unternehmens in einem Zeitraum von drei Monaten schwebend
unwirksam sind?

Wenn nein, warum nicht?

13. Wenn ja, wer haftet für den Schaden, wenn ein Erwerb rückgängig ge-
macht werden muss?

14. Hält die Bundesregierung es in diesem Zusammenhang für verhältnismä-
ßig, dass generell alle Beteiligungen – also auch der Erwerb nur einer
Aktie – nach dem vorgesehen § 31 Abs. 3 AWG bis zu drei Monate schwe-
bend unwirksam sind?

15. Gelten die verschärften Regelungen aus Sicht der Bundesregierung auch in
Investitionssituationen, in denen ein ausländischer staatlicher oder priva-
ter Investor ein ausländisches Unternehmen erwirbt, welches an einem ge-
bietsansässigen Unternehmen zum Erwerbszeitpunkt bereits mit mehr
als 25 Prozent beteiligt ist, wie beispielsweise Electricité de France gegen-
wärtig mit 45,01 Prozent an der EnBW Energie Baden-Württemberg AG?

16. Wenn die Bundesregierung Frage 15 mit ja beantwortet, wie gedenkt die
Bundesregierung die Rechtsvorschrift innerhalb dieses ausländischen
Rechtsgeschäfts durchzusetzen, wenn aus Sicht der Bundesregierung hier-
durch eine Beschränkung der Investition im gebietsansässigen Unternehmen
auf Basis der geplanten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes möglich
ist?

17. Wenn die Bundesregierung Frage 15 mit nein beantwortet, stimmt die Bun-
desregierung dann der Auffassung zu, dass ein solches Gesetzesvorhaben
gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Verbot der Inländerdiskriminie-
rung verstößt, weil ausländische Eigentümer an einen Investor mittelbar
Anteile an einem gebietsansässigen Unternehmen veräußern können, in-
ländische Eigentümer dies im Zweifelsfall jedoch nicht können?

Wenn nein, warum nicht?

18. Welche Mitgliedstaaten der Europäischen Union befinden sich gegenwär-
tig in einem vergleichbaren Gesetzgebungsverfahren?

19. Welche Investitionen ausländischer Staatsfonds in deutsche Unternehmen
gab es bislang?

Welche Wirkungen hatten diese auf die betroffenen Unternehmen und den
Kapitalmarkt im Ganzen?

20. Teilt die Bundesregierung die Bedenken des Sachverständigenrates:
„Würde dieser Entwurf Gesetz, so wäre ein äußerst missbrauchsanfälliges
Instrument geschaffen worden, welches über das Maß des ökonomisch Be-

gründbaren oder Wünschenswerten deutlich hinausgehen würde“?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/7590 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
21. Plant die Bundesregierung die Einrichtung von Schutzfonds in Form von
Kapitalsammelstellen, um durch Beteiligungen in deutsche Unternehmen
die Übernahme durch ausländische Investoren zu verhindern (Handels-
blatt, 6. November 2007, „Finanzministerium plant Schutzfonds“)?

Berlin, den 12. Dezember 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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