BT-Drucksache 16/7553

Nigeria und die Situation im Niger-Delta

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7553
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marina Schuster, Florian Toncar, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van
Essen, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael
Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig
Thiele, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und
der Fraktion der FDP

Nigeria und die Situation im Niger-Delta

Nigeria ist mit 140 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste Land Afri-
kas. Der Erdölhandel deckt 90 Prozent der Staatseinnahmen ab. Mit einer
Fördermenge von rund 2,3 Mio. Barrel pro Tag ist Nigeria der fünftgrößte Erd-
ölproduzent der Welt. Nach der Unabhängigkeit von der britischen Kolonial-
herrschaft stand das Land von 1960 bis 1999 die meiste Zeit unter Militärherr-
schaft, bis die Zivilregierung von Präsident Olusegun Obasanjo im Anschluss
daran die politische Macht übernahm. Die zweite demokratische – jedoch von
Manipulationsvorwürfen begleitete – Wahl fand am 21. April dieses Jahres
statt. Umaru Yar’Adua, der Kandidat der Volksdemokratischen Partei, ging als
Sieger hervor. Seine Regierung steht unter anderem vor der Herausforderung,
die Einigkeit des Landes aufrechtzuerhalten.

In Afrika spielt Nigeria auch außen- und sicherheitspolitisch eine wichtige
Rolle, beispielsweise in den Bereichen New Partnership for Africa’s Develop-
ment (NEPAD) und Economic Community of West African States (ECOWAS).
Nigerias Gewicht im afrikanischen sowie internationalen Konfliktmanagement
gewinnt daher zunehmend an Bedeutung. Das Land hat bereits mehrfach Ver-
antwortung übernommen, um Friedensmissionen in afrikanischen Ländern im
Auftrag der Afrikanischen Union (AU) oder der UNO durchzuführen.

In Nigeria bestehen religiöse Konflikte zwischen dem christlichen Süden und
dem muslimischen Norden. Beide Religionen vereinen jeweils rund 50 Prozent

der Bevölkerung hinter sich. Zwischen den drei größten ethnischen Gruppen
Haussa (21 Prozent), Yoruba (21 Prozent), Igbo (18 Prozent) und Fulani
(10 Prozent) gibt es politische Konflikte. Das Land leidet zudem unter starker
Korruption, Missbrauch von öffentlichen Geldern und einer defizitären Men-
schenrechtssituation.

Drucksache 16/7553 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die religiösen, ethnischen und innenpolitischen Probleme Nigerias treten ver-
stärkt im ressourcenreichen Niger-Delta auf. Eine Reihe der dortigen Probleme
werden der Regierungspolitik zugeschrieben. Dazu zählen die Korruption,
ungleiche Verteilung der Ressourcen, Unterentwicklung der Gemeinden, in
denen Erdöl gefördert wird, Armut und hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Stan-
dards im Gesundheitswesen sowie unzureichende Kommunikations- und Bil-
dungsinfrastruktur.

In Anbetracht der Bedeutung Nigerias für Afrika und die internationale Ge-
meinschaft sind die Stabilität des Landes und die Konsolidierung seiner demo-
kratischen Strukturen von großer Bedeutung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche politischen Schwerpunkte setzt die Bundesregierung in der bilate-
ralen Zusammenarbeit mit der neuen nigerianischen Regierung?

2. Welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung unter ihrer G8-Präsi-
dentschaft gegenüber Nigeria durchgeführt worden, seit der neue Präsident
Umaru Yar’Adua zum sog. Outreach-Treffen nach Heiligendamm eingela-
den wurde?

3. Mit welchen Maßnahmen und Mitteln unterstützt die Bundesregierung die
Konsolidierung der Demokratie und die Arbeit der Zivilgesellschaft in
Nigeria?

4. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über angebliche Unregel-
mäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen in Nigeria im April 2007 vor,
und wie bewertet sie diese?

5. Wie ist der aktuelle Stand des Pilotprojekts der Bundesregierung „Aktions-
plan Zivile Krisenprävention“ mit Nigeria?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage der Menschenrechte, insbe-
sondere der Frauenrechte, in Nigeria?

7. Wie ist der Stand der Gesetzgebung hinsichtlich des im nigerianischen Par-
lament debattierten gesetzlichen Verbots von gleichgeschlechtlichen Ehen
(Same Sex Marriage Prohibition Bill), das die Rechte von Homosexuellen
in eklatanter Weise zu verletzen droht?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung von Good-Gover-
nance-Strukturen zur Korruptionsbekämpfung seit Amtsantritt der neuen
nigerianischen Regierung, auch hinsichtlich der neuen Antikorruptionsbe-
hörde „Economic and Financial Crimes Commission“?

9. Kann die Bundesregierung die Meldung der Menschenrechtsorganisation
Amnesty International vom 22. November 2007 bestätigen, nach der jede
zweite Vergewaltigung in Nigeria durch Polizisten oder Soldaten im Dienst
verübt werde?

Falls ja, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Politik der Bun-
desregierung gegenüber der nigerianischen Regierung?

10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Einführung der
Sharia-Gesetze im Norden Nigerias, und wie bewertet sie diese?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Radikalisierung von
Teilen der muslimischen Gesellschaft Nigerias und den möglichen Folgen
für die Stabilität der Region?

12. Wie viele Asylsuchende sind in den letzten fünf Jahren aus Nigeria nach
Deutschland gekommen, und wie viele Anträge auf Asyl hat die Bundes-

regierung genehmigt bzw. abgelehnt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7553

13. Wie schätzt die Bundesregierung die Chancen ein, verstärkte wirtschaft-
liche Beziehungen mit Nigeria – beispielsweise in Bereichen wie erneuer-
bare Energien und Technologie – aufzubauen, und wie unterstützt sie ggf.
deutsche Unternehmen dabei, beispielsweise über das Bundesministerium
für Wirtschaft und die Außenhandelskammern?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheitslage für bereits in Nige-
ria tätige deutsche Firmen, und welche Rolle spielt dieses Thema in den
bilateralen Konsultationen?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle Lage im Niger-Delta hin-
sichtlich

a) der Umweltsituation,

b) der sozialen Situation,

c) dem Thema Kriminalität und Waffenhandel?

16. In welchem Umfang konzentriert sich, im Vergleich zum Rest des Landes,
die deutsche Entwicklungshilfe und die Unterstützung für NGO-Projekte
auf das Niger-Delta?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Rolle Nigerias bei der Stärkung der
Regionalorganisation ECOWAS, und welche Fortschritte macht die Organi-
sation beim Aufbau ihres Anteils an der „African Standby Force“?

18. Warum wird die Arbeit der Bundeswehrberatergruppe in Nigeria nicht fort-
gesetzt?

Berlin, den 11. Dezember 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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