BT-Drucksache 16/7552

Stellenwert der ländlichen Entwicklung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7552
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Dr. Christel Happach-
Kasan, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina
Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Stellenwert der ländlichen Entwicklung in der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit

Im letzten Weltbankbericht „Agriculture for Development“ wurde festgestellt,
dass man durch Förderung des ländlichen Raumes einen um den Faktor 4 höhe-
ren Entwicklungseffekt hätte erzielen können, als durch Förderung anderer
Wirtschaftszweige. Die Bedeutung des ländlichen Raumes und der Agrarwirt-
schaft ist nicht nur für Entwicklung sondern auch und vor allem zur Erzeugung
von Nahrungsmitteln (und damit zur Prävention von Hungersnöten) seit dem
Welternährungsgipfel von Rom 1996 gesicherte Erkenntnis.

In der Millenniumserklärung aus dem Jahr 2000 und auf diversen vorangehen-
den internationalen Konferenzen hat sich die Bundesregierung dazu verpflich-
tet, ihren Beitrag zur Reduzierung des Hungers in der Welt zu leisten. Denn
immer noch sind weltweit laut Food and Agriculture Organization (FAO) mehr
als 850 Millionen Menschen weltweit fehl- und/oder unterernährt. Und dies vor
allem im ländlichen Raum, der eigentlich als Produktionszone von Nahrungs-
mitteln am wenigsten von diesem Phänomen betroffen sein sollte.

Ländliche Entwicklung in armen und ärmsten Ländern ist der Motor zur Verrin-
gerung von Hunger und Unterernährung und zur Reduzierung der Armut. Denn
es ist eine Erfahrungstatsache seit Beginn der Zivilisation, dass Landwirtschaft
und der subsequente Handel mit Agrarprodukten, Handwerk und Kleingewerbe
Grundvoraussetzungen jeglicher Entwicklung darstellen. Wertschöpfungsketten
beginnen immer auch im landwirtschaftlichen Sektor einer Volkswirtschaft. Die
entwicklungspolitische Förderung von Landwirtschaft und Ernährungssicherung
ist daher nicht nur ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Hunger und
Unterernährung, sondern stellt damit auch einen wichtigen Aspekt bei der kau-
salen Armutsbekämpfung dar.

Drucksache 16/7552 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie und in welcher Höhe verwendet die Bundesregierung in der bilateralen
Entwicklungszusammenarbeit Mittel für den Bereich „Ernährungssiche-
rung und Landwirtschaft“ insgesamt seit dem Jahr 1998, aufgeschlüsselt
pro Jahr bis dato?

2. In welcher Höhe stellt die Bundesregierung im Rahmen ihrer bilateralen
Entwicklungszusammenarbeit Mittel für den Bereich Ernährungssicherung
und ländliche Entwicklung für Subsahara Afrika (insgesamt und für die
einzelnen deutschen Partnerländer der bilateralen Entwicklungszusam-
menarbeit in Subsahara Afrika) seit 1998 bis dato bereit, und welchen pro-
zentualen Anteil an der gesamten deutschen bilateralen Entwicklungszu-
sammenarbeit mit diesen o. g. Ländern hat die ländliche Entwicklung?

3. Wie und in welcher Höhe unterstützt die Bundesregierung in ihrer multila-
teralen Entwicklungszusammenarbeit die Bereiche der Ernährungssiche-
rung und ländlichen Entwicklung seit dem Jahr 1998, aufgeschlüsselt pro
Organisation und Jahr bis dato?

4. Werden auch Mittel anderer Bundesministerien zur Förderung der Ernäh-
rungssicherung und ländlichen Entwicklung in Entwicklungsländern ein-
gesetzt?

Wenn ja, welche Bundesministerien haben in welcher Höhe, und für
welche Länder Mittel vergeben (Bitte um Aufschlüsselung seit 1998 bis
heute)?

5. Welchen Anteil hat der Bereich „Ernährungssicherung und Landwirt-
schaft“ im Einzelplan 23 seit 1998 bis dato?

6. Welche Projekte werden im Bereich der ländlichen Entwicklung durch die
Bundesregierung seit 1998 in den deutschen Partnerländern finanziert
(Bitte um genaue Aufschlüsselung von Mittelherkunft, Mittelhöhe und
Mittelverwendung pro Projekt)?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Umsetzung der seit 1998 finanzier-
ten Projekte in der ländlichen Entwicklung in Bezug auf ihre Wirksamkeit?

8. Welche Projekte der ländlichen Entwicklung in den deutschen Partnerlän-
dern erwiesen sich als unwirksam, wie hat die Bundesregierung dieser Ent-
wicklung entgegengesteuert, und hat die Bundesregierung schon einmal
ein Projekt eingestellt?

9. Welche Länder haben in der Zusammenarbeit mit Deutschland im Bereich
ländliche Entwicklung besonders gute Ansätze und Fortschritte gezeigt,
und wie erklärt sich die Bundesregierung den Erfolg?

10. Welche Schwerpunkte setzt die Bundesregierung bei der Förderung der
ländlichen Entwicklung?

11. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung der Möglichkeit, Eigen-
tum an Grund und Boden zu erwerben, im Rahmen der Förderung der
ländlichen Entwicklung bei?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass in Mosambik der
Erwerb von Grund und Boden nicht möglich ist, insbesondere vor dem
Hintergrund, dass Dezentralisierung der ländlichen Entwicklung einer der
Schwerpunkte in der bilateralen Zusammenarbeit mit Mosambik ist?

13. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung zur Umsetzung bzw. För-
derung von Landreformen und Agrarreformen in Entwicklungsländern im
Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit unternommen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7552

14. Wie beurteilt die Bundesregierung den derzeitigen Stand der Landreform
in Namibia, und sieht die Bundesregierung angesichts der kritischen Mel-
dungen über den Verlauf der Landreform Anlass zu einem Strategiewech-
sel in ihrer Unterstützung?

15. Wann sieht die Bundesregierung den Abschluss der Landreform in Nami-
bia vor dem Hintergrund, dass die Deutsche Gesellschaft für Technische
Zusammenarbeit (GTZ) die Landreform im Rahmen der bilateralen Ent-
wicklungszusammenarbeit begleitet?

16. Welche ersten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Wirksamkeit
der im Dezember 2006 vereinbarten Maßnahmen zur Verbesserung der
Infrastruktur in Kommunalgebieten Namibias?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die derzeitige Aufteilung zwischen dem
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) bezüglich der Koordination und Zusammen-
arbeit mit der FAO?

18. Was hat die Bundesregierung konkret unternommen, um ihrer Selbstver-
pflichtung im Aktionsprogramm 2015, die Zahl der Armen bis 2015 um
die Hälfte zu reduzieren, auch nachzukommen?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung, dass die Zahl der
Hungernden weltweit weiter steigt, und wie reagiert die Bundesregierung
angesichts dieser Entwicklung?

20. Welche Berücksichtigung findet der Bereich der ländlichen Entwicklung
und Ernährungssicherung im Einzelplan 23 bei den zukünftigen Etaterhö-
hungen in den nächsten Jahren?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen, mit der Entwicklung
standortangepasster gentechnisch veränderter Pflanzensorten die Land-
wirtschaft in den ärmsten Ländern der Welt zu stärken und dadurch die Er-
nährungssicherheit zu erhöhen?

22. Unterstützt die Bundesregierung die Entwicklung von standortangepass-
tem „Goldenen Reis“, der einen Beitrag zur Verminderung von Vitamin-A-
Mangel leisten kann, und wenn ja, in welchen Projekten, und wenn nein,
warum nicht?

23. Welche weiteren Projekte zur Verminderung des Vitamin-A-Mangels in
der Ernährung in den ärmsten Ländern der Erde werden von der Bundes-
regierung unterstützt, und in welchem Umfang ist es gelungen, Erblindun-
gen infolge von Vitamin-A-Mangel zu verhindern?

24. Wie ist der Stand von Entwicklungshilfeprojekten, die den Anbau von
Jatropha curcas (Purgiernuss) und seine energetische Verwendung zum
Ziel haben, in welchen Ländern gibt es solche Projekte, und mit welchen
Kooperationspartnern werden sie durchgeführt?

25. Welche Anstrengungen und Maßnahmen hat die Bundesregierung unter-
nommen, um die freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Nahrung in ihrer
Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen?

26. Welche Fortschritte sind in diesem Zusammenhang zu verzeichnen (mit
der Bitte um Beispiele)?

27. Wo sieht die Bundesregierung Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung der
freiwilligen Leitlinien?

28. In welchem Umfang wurde das Welternährungsprogramm pro Jahr durch
die Bundesregierung seit 1998 finanziell gefördert bzw. unterstützt?

Drucksache 16/7552 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
29. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erkenntnisse des aktuellen Welt-
entwicklungsberichtes „Agriculture for Development“ der Weltbank, der
betont, dass die Förderung der ländlichen Entwicklung ein um den Faktor 4
größeres Wachstum in Entwicklungsländern hätte erzielen können als
jeder andere Wirtschaftsbereich, welche Schritte wird die Bundesregierung
als Mitglied der Weltbank im Hinblick auf ihre Einflussmöglichkeiten bei
der Weltbank unternehmen, und welche Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der
ländlichen Entwicklung daraus?

30. Wie beurteilt die Bundesregierung die Arbeit der Global Donor Platform
for Rural Development (GDPRD) seit ihrer Gründung im Jahr 2004?

31. Wie ist der derzeitige Erkenntnisstand bei den Untersuchungen der
GDPRD in den Pilotländern Nicaragua, Burkina Faso, Tansania und Kam-
bodscha bezüglich der Geberharmonisierung?

32. Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung der Maputo-Erklärung
aus dem Jahr 2003 (Verpflichtung der Länder der Afrikanischen Union
mindestens 10 Prozent ihres nationalen Haushaltes für ländliche Entwick-
lung auszugeben) in ihren afrikanischen Partnerländern?

Berlin, den 12. Dezember 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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