BT-Drucksache 16/7520

Bevölkerungsschutzsystem reformieren - Zuständigkeiten klar regeln

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7520
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Antrag
der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Heinrich L. Kolb, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina
Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Bevölkerungsschutzsystem reformieren – Zuständigkeiten klar regeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen und Unglücksfällen ist eine
der grundlegenden Aufgaben des Staates. Das Gleiche gilt für die Schadens-
bewältigung im Ereignisfalle. Nach den Erfahrungen des 11. September 2001
und dem Sommerhochwasser 2002 haben die Ministerpräsidenten mit Be-
schluss vom 27. März 2003 festgestellt, dass von möglichen terroristischen
Angriffen sowie durch überregionale Naturereignisse und Unglücksfälle Ge-
fahren für die Bevölkerung ausgehen können, denen nur mit gesamtstaatli-
chen Maßnahmen begegnet werden könne. Das bestehende Notfallvorsorge-
system mit seiner Zweiteilung in den Zivilschutz als Bevölkerungsschutz im
Verteidigungsfall und die Gefahrenabwehr im Rahmen des Katastrophen-
schutzes bedürfe daher einer Neuordnung.

2. Eine solche Neuordnung wird nur gelingen, wenn der bestehende Dualismus
von Zivil- und Katastrophenschutz überwunden und die Zuständigkeit klar
geregelt wird. Hierfür am besten geeignet ist ein von Bund und Ländern ge-
meinsam getragenes, einheitliches Bevölkerungsschutzsystem mit allein am
Schadensausmaß ausgerichteten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.
Die bislang praktizierte Zuweisung von Zuständigkeiten nach der Schadens-

ursache ist aufzugeben. Sie wird der Mehrdimensionalität der Bedrohungs-
szenarien und den neuen Formen der Bedrohung durch globale ökologische
Katastrophen, Naturkatastrophen großen Ausmaßes, Epidemien, Pandemien,
menschlich verursachten Großschadenslagen oder Beeinträchtigungen kriti-
scher Infrastrukturen nicht länger gerecht. Hier wirken häufig verschiedene
Ursachen zusammen, die zu klären im Einzelfall sehr aufwändig ist. Hier-
durch geht wertvolle Zeit verloren, die dann an anderer Stelle, bei der Gefah-

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renabwehr und Schadensbewältigung, fehlt. Anzustreben ist daher eine Auf-
gabenverteilung, bei der die Zuständigkeit für lokale Schadensereignisse im
Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr bei den Kommunen, die Zustän-
digkeit für Großschadensereignisse innerhalb eines Bundeslandes ohne wei-
tere Auswirkungen auf das Bundesgebiet bei den Ländern und die Zuständig-
keit für außerordentliche bundesweite Schadenslagen sowie für länderüber-
greifende Großschadenslagen auf Antrag eines Landes beim Bund liegt.

3. Innerhalb dieses Rahmens ist die Ressourcenverantwortung zu regeln. Ein
neues, zeitgemäßes Ausstattungskonzept ist dabei ohne einen schlagkräftigen
und wirkungsvollen Beitrag des Bundes nicht denkbar. Die Konzentration des
Bundes auf die Bereitstellung von Spezialressourcen für „Sonderlagen“ darf
nicht zu einem schleichenden Rückzug des Bundes aus der Fläche führen. Die
Verteilung der Ressourcen hat vielmehr dergestalt zu erfolgen, dass eine zeit-
nahe Reaktion auf Ereignisse an jedem Ort in Deutschland sichergestellt wird.
Dabei ist die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Bundesleistungen im Be-
reich Ausstattung, wie sie vom Deutschen Bundestag und dem Bundesrech-
nungshof aufgeworfen worden ist, abschließend und eindeutig zu klären.

4. Darüber hinaus sind die ehrenamtlichen Strukturen im Katastrophenschutz min-
destens im bisherigen Umfange aufrecht zu erhalten. Denn das ehrenamtliche
Engagement ist die bürgerschaftliche Grundlage für die Sicherheit aller Bürge-
rinnen und Bürger in Deutschland und die tragende personelle Infrastruktur-
komponente des Bevölkerungsschutzes. Zur langfristigen Sicherung und Stär-
kung des ehrenamtlichen Engagements bedarf es eines zukunftsorientierten,
tragfähigen Konzepts. Hierzu zählen insbesondere eine Intensivierung der
Öffentlichkeitsarbeit für die Förderung des Ehrenamtes, die Harmonisierung
helferrechtlicher Regelungen in Bund und Ländern sowie eine Verbesserung der
Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer.
Ein weiteres Ziel ist es, mehr Frauen und Migrantinnen und Migranten für das
Ehrenamt im Zivil- und Katastrophenschutz zu gewinnen.

5. Zur weiteren Qualitätssteigerung ist die Ausbildung im Bevölkerungsschutz
zu optimieren. Anzustreben ist ein standardisiertes, aufeinander aufbauendes
und miteinander verzahntes Ausbildungssystem. Im Bereich der Forschung
ist neuen Risikomanagementmethoden besondere Aufmerksamkeit zu schen-
ken. Dabei können auch betriebswirtschaftliche Methoden zur Vermeidung
von Geschäftsrisiken geeignet sein, das Katastrophenverwaltungsrecht zu
optimieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ein schlüssiges Gesetzgebungskonzept für ein einheitliches Bevölkerungs-
schutzsystem mit klar geregelten, am Schadensausmaß ausgerichteten Zu-
ständigkeiten und Verantwortlichkeiten vorzulegen;

2. in diesem Rahmen einen schlagkräftigen und wirkungsvollen Beitrag zur
optimalen Ausstattung des Katastrophenschutzes zu leisten;

3. ein tragfähiges Konzept zur langfristigen Sicherung und Stärkung des
ehrenamtlichen Engagements unter besonderer Berücksichtigung der
Förderung von Frauen und Migrantinnen und Migranten vorzulegen;

4. zur weiteren Qualitätssteigerung die Anstrengungen in den Bereichen Aus-
bildung und Forschung im Zivil- und Katastrophenschutz zu intensivieren.

Berlin, den 12. Dezember 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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