BT-Drucksache 16/7177

Altersvorsorge für Geringverdiener attraktiv gestalten

Vom 14. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7177
16. Wahlperiode 14. 11. 2007

Antrag
der Abgeordneten Jörg Rohde, Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Hans-Michael Goldmann, Joachim
Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Michael Kauch, Hellmut
Königshaus, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Burkhardt
Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Altersvorsorge für Geringverdiener attraktiv gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die heutigen Vorschriften für die Anrechnung von Einkommen aus privater
und betrieblicher Altersvorsorge bei der Grundsicherung im Alter (§ 2 Abs. 1,
§ 82 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII) zerstören für
Geringverdiener Anreize zum Aufbau von privater Altersvorsorge. Denn ein
Grundsicherungsbezieher mit Alterseinkommen aus privater und betrieblicher
Vorsorge erhält genauso viel Grundsicherung wie jemand, der nicht privat für
sein Alter vorgesorgt hat. Sein Einkommen aus Altersvorsorge wird voll auf die
Grundsicherung angerechnet.

Darüber hinaus zerstört die Anrechnungsregel des § 82 Abs. 3 SGB XII die
Anreize für Zuverdienst im Alter für Geringverdiener bis 400 Euro. Denn die
Anrechnungsvorschriften für Zuverdienst bei der Grundsicherung im Alter sind
gerade für geringe Verdienste bis 400 Euro strenger als im Sozialgesetzbuch II
für Erwerbsfähige.

Diese Fehlanreize müssen aufgehoben werden, in dem zum einen die Anrech-
nungsregeln für Einkommen aus Zuverdienst in der Grundsicherung im Alter
nach SGB XII denen des SGB II angeglichen werden.

Darüber hinaus sollen Einkommen aus privater und betrieblicher Altersvor-
sorge in die Anrechnungsregelungen für Erwerbseinkommen nach § 82 Abs. 3
SGB XII einbezogen werden. So hat im Ergebnis der Grundsicherungsbezieher,

der für das Alter vorgesorgt hat, ein höheres Alterseinkommen als derjenige,
der nicht vorgesorgt hat. Bisher sind Einkommen aus privater Vorsorge im
SGB XII voll einzusetzen, um die Grundsicherung im Alter zu erhalten. Einen
Freibetrag gibt es nicht.

Drucksache 16/7177 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei Bezug von
Grundsicherung im Alter (§ 41 ff., § 82 Abs. 3 SGB XII) entsprechend den
Regeln für die Anrechnung von Einkommen nach § 11 Abs. 2 und § 30
Abs. 2 SGB II auszugestalten,

2. die Anrechnung von Einkommen aus privater und betrieblicher Altersvor-
sorge bei Bezug von Grundsicherung im Alter nach SGB XII entsprechend
den Regeln für die Anrechnung von Erwerbseinkommen zu behandeln,

3. die Anrechnungsregeln des SGB XII und II mittelfristig durch die Anrech-
nungsregeln zu ersetzen, wie sie im Modell des liberalen Bürgergeldes vor-
gesehen sind.

Berlin, den 14. November 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung

1. Für viele Geringverdiener ist es schwierig, im Alter über 65 Jahre ein Ein-
kommen über Grundsicherungsniveau zu erreichen. Ein Versicherter mit
1 850 Euro Monatsverdienst muss über 35 Jahre in die Rentenversicherung
zahlen, bevor er das Grundsicherungsniveau im Alter nach SGB XII er-
reicht. Ein Versicherter mit 1 625 Euro Monatsverdienst muss dafür sogar
40 Jahre und ein Versicherter mit 1 450 Euro Monatsverdienst 45 Jahre Bei-
träge einzahlen. Etliche Versicherte werden das Grundsicherungsniveau
daher weder mit ihrer gesetzlichen Rente alleine, noch mit eventuell er-
worbenen Anwartschaften aus privater und betrieblicher Altersvorsorge
erreichen.

2006 bezogen 370 000 der über 65-Jährigen Grundsicherung im Alter.
241 516 Grundsicherungsbezieher bezogen zugleich eine Altersrente der
gesetzlichen Rentenversicherung. Es ist davon auszugehen, dass dieser
Personenkreis nicht kleiner wird, sondern wie in den vergangenen Jahren
eher zunimmt. Für die Zukunft ist es wichtig, dass für diesen Personenkreis
Anreize zur privaten Altersvorsorge gerade bei Geringverdienern gesetzt
werden.

Problematisch ist nun, dass die Anrechnungsvorschriften für Einkommen im
SGB XII den Menschen den Anreiz nehmen, für das Alter individuell vor-
zusorgen. Im Ergebnis bestrafen die Anrechnungsvorschriften denjenigen
Geringverdiener, der zusätzlich für das Alter vorsorgt. Denn seine ein-
gezahlten Beiträge standen ihm während der Einzahlungsphase nicht zur
Verfügung und während der Auszahlungsphase erhält er Grundsicherung in
der gleichen Höhe wie jemand, der nie zusätzlich vorgesorgt hat. Es besteht
die Gefahr, dass gerade Geringverdiener nicht mehr ausreichend für ihr
Alter in Form einer privaten Rente vorsorgen. Daher sollte das Recht der
Grundsicherung im Alter so geändert werden, dass wer vorsorgt, von dieser
Vorsorge auch profitiert, auch wenn er auf Grundsicherungsniveau angewie-
sen ist.

2. Die Anrechnungsregeln für Zuverdienst bei Bezug von Grundsicherung im
Alter sollten entsprechend der Einkommensanrechnung im SGB II aus-

gestaltet werden. So wird der Anreiz zur Arbeitsaufnahme gerade im Be-
reich geringer Einkommen erhöht. Gegenwärtig bleibt ein Einkommen aus

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7177

Zuverdienst bei Grundsicherung im Alter nur zu 30 Prozent anrechnungsfrei.
Einen Freibetrag gibt es nicht. Im SGB II gibt es dagegen einen Grundfrei-
betrag von 100 Euro. Darüber hinausgehende Einkommen bis zur Höhe von
800 Euro bleiben zu 20 Prozent anrechnungsfrei, Einkommen bis 1 200 Euro
zu 10 Prozent. Gerade für geringe Einkommen bis 400 Euro sind die Zu-
verdienstregeln im SGB II daher günstiger als bei der Grundsicherung im
Alter.

3. Die Einkünfte aus individueller Altersvorsorge sollten, um dem unter Num-
mer 1 beschriebenen Ziel gerecht zu werden, gemäß den Anrechnungsregeln
für Zuverdienst aus Erwerbstätigkeit behandelt werden. Das bedeutet im Er-
gebnis, dass der Grundsicherungsbezieher einen Freibetrag von 100 Euro für
Einkommen aus Altersvorsorge besitzt. Darüber hinausgehende Einkünfte
aus Altersvorsorge bleiben dann bis zur Höhe von 800 Euro zu 20 Prozent
anrechnungsfrei. Die Anrechnungsregelung gilt dabei insgesamt für alle
Einkommensarten. Wer beispielsweise Einkommen aus privater Vorsorge in
Höhe von 100 Euro bezieht und 100 Euro monatlich hinzuverdient, behält so
120 Euro monatlich zusätzlich zur Grundsicherungsleistung.

4. Zur Vereinfachung und gerechteren Ausgestaltung der Hilfe für Bedürftige
soll künftig das liberale Bürgergeld die bestehenden Transferleistungs-
systeme wie beispielsweise das ALG II, die Grundsicherung im Alter und
auch das Wohngeld ersetzen. Im Rahmen des liberalen Bürgergeldes wird
die Anrechnung von Einkünften so ausgestaltet, dass immer der, der arbeitet
und anspart, etwas mehr übrig behält als derjenige, der nicht arbeitet und
nicht für das Alter vorsorgt. Im Rahmen des Bürgergeldes sollen neben den
Anrechungsregeln für Einkünfte auch die heute je nach Transfersystem
unterschiedlichen Regeln über die Bedürftigkeit der Antragsteller vereinheit-
licht werden. Heute schaffen die unterschiedlichen Bedürftigkeitsprüfungen
je nach Transfersystem, beispielsweise im ALG II, der Grundsicherung im
Alter oder dem Wohngeld, nicht nur hohen bürokratischen Aufwand, son-
dern auch Ungerechtigkeiten. Die einheitlichen Bedürftigkeitsregeln des
Bürgergeldes werden diese Probleme beseitigen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.