BT-Drucksache 16/7102

Steigende Zahl von Syphiliserkrankungen in Deutschland

Vom 12. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7102
16. Wahlperiode 12. 11. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Markus Kurth, Volker Beck (Köln), Irmingard
Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steigende Zahl von Syphiliserkrankungen in Deutschland

In den letzten Jahren ist die Zahl der Syphiliserkrankungen, deutlich angestie-
gen, insbesondere in Großstädten und deren Einzugsgebieten. 2006 wurden
3 147 Neuinfektionen gemeldet, damit ist die Zahl ähnlich hoch wie in den bei-
den Jahren zuvor. Der Anteil von Syphilis unter allen Geschlechtskrankheiten
lag damit bei ca. 15 Prozent. Die Zunahme der Erkrankungen betrifft vorrangig
Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben; seit wenigen Jahren wird aller-
dings auch eine höhere Verbreitung unter Heterosexuellen beobachtet. Auch
wurde in den vergangenen Jahren Syphilis nicht selten als Koinfektion zu HIV
festgestellt.

Syphilis ist durch die Gabe von Penicillin relativ problemlos heilbar. Allerdings
bleibt die Erkrankung im Anfang oft unbemerkt. Ohne Behandlung kommt es
bei 8 bis 10 Prozent der Erkrankten in späteren Stadien zu schweren neuro-
logischen Störungen, die zu Demenz, Lähmungen, Knochen- und Rücken-
marksschäden und letztendlich zum Tod führen. Mangelnde medizinische Auf-
klärung und Versorgung führen dazu, dass fast ein Drittel aller Erkrankungen
erst in diesem späten Stadium diagnostiziert werden. Das Robert Koch-Institut
stellt in seinen Epidemiologischen Bulletins vom 1. Juli 2005 und 20. Juli 2007
erhebliche Defizite bei der medizinischen Aufklärung und Versorgung von Sy-
philispatienten fest. So wurde beispielsweise die typische Symptomatik von den
behandelnden Ärzten nicht erkannt oder keine Hinweise zu Schutzmaßnahmen
oder Reinfektionsrisiken gegeben. Es fehlt zudem an niedrigschwelligen Bera-
tungsangeboten und kostenlosen anonymen Untersuchungsmöglichkeiten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche Maßnahmen zur verbesserten Aufklärung über Syphilis hat die
Bundesregierung initiiert oder unterstützt?

Wenn es keine gab, wieso nicht?

b) Beabsichtigt die Bundesregierung, solche Maßnahmen zu initiieren und
zu unterstützen?

Wenn nicht, wieso nicht?
Wenn ja, welchen Inhalt und welche Form sollen diese haben?

c) In welcher Form soll nach Ansicht der Bundesregierung die Bundeszen-
trale für gesundheitliche Aufklärung an dieser Aufklärungsarbeit mitwir-
ken?

Was tut die Bundesregierung, um die Aufklärungsarbeit der Bundes-
zentrale in diesem Bereich zu forcieren und zu unterstützen?

Drucksache 16/7102 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

d) Falls die Bundesregierung ihre bisherigen Aufklärungsbemühungen für
ausreichend hält, wie erklärt sie sich die dennoch zu beobachtende
Stagnation bei der Zahl von Syphiliserkrankungen in den letzten Jahren
(vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin vom 20. Juli 2007,
S. 259)?

2. a) Beabsichtigt die Bundesregierung Aufklärungsmaßnahmen zu initiieren
oder zu unterstützen, die sich gezielt an bestimmte Risikogruppen wen-
det?

Wenn ja, wer sind nach Ansicht der Bundesregierung diese Risikogrup-
pen?

b) Welchen Inhalt und welche Form sollen diese Maßnahmen haben?

Auf welchem Wege will die Bundesregierung sicherstellen, dass diese
Risikogruppen auch erreicht werden?

3. Wie verhält sich die Bundesregierung zu einer stärkeren Koordination der
Aufklärung über HIV- und Syphilisinfektionen im Hinblick auf ähnliche
Übertragungswege und Gruppen von Betroffenen?

Was tut die Bundesregierung, um die Koordination dieser Aufklärungsarbeit
zu unterstützen?

Falls sie nichts tut, wieso nicht?

4. a) Welche Abstimmungen fanden bislang zwischen Bund, Ländern und
Kommunen statt, um das System zur Syphilisprävention und -behandlung
zu verbessern und zu koordinieren (Robert Koch-Institut, Epidemiolo-
gisches Bulletin vom 26. Mai 2006, S. 165)?

Wenn bislang keine solchen Abstimmungen stattfanden, wieso nicht?

b) Wie beabsichtigt die Bundesregierung, in Zukunft eine solche Koordina-
tion sicherzustellen?

Wenn sie eine solche Abstimmung nicht für notwendig hält, wieso nicht?

5. a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Akzeptanz und die
Wirksamkeit von niedrigschwelligen und szenenahen Beratungs- und Un-
tersuchungsangeboten (Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin
vom 26. Juni 2006, S. 162 f.)?

b) Was hat die Bundesregierung getan, um eine bessere Betreuung und Bera-
tung von Betroffenen vor Ort sicherzustellen?

In welcher Form hat sie die Kommunen bei der Bereitstellung ihrer Be-
ratungsangebote, insbesondere nach § 19 Infektionsschutzgesetz, unter-
stützt?

c) Was beabsichtigt die Bundesregierung in Zukunft zu tun, um die Verbes-
serung der Beratungs- und Hilfsangebote durch die Kommunen zu unter-
stützen?

6. a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich möglicher De-
fizite bei der medizinischen Versorgung von Syphiliskranken (Robert
Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin vom 20. Juli 2007, S. 263)?

Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung hier einen Verbesserungsbe-
darf?

b) Wenn ja, worin liegt dieser, und was tut die Bundesregierung, um diese
Verbesserungen zu forcieren und zu unterstützen?

Falls sie nichts tut, wieso nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7102

c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl der Reak-
tivierung von Syphiliserkrankungen aufgrund einer unzureichenden medi-
zinischen Versorgung der Erkrankten?

d) Sieht die Bundesregierung Bedarf für eine verstärkte Weiterbildung von
Ärzten im Bereich der Diagnose und Therapie von Syphilis?

Wenn ja, in welcher Form wirkt die Bundesregierung auf eine Verbesse-
rung hin?

7. a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zuverlässigkeit
der sich auf dem Markt befindlichen Antikörpertests zur Syphilisdiagnose
(Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin vom 14. Juli 2006,
S. 222)?

b) Wie verhält sich die Bundesregierung zu dem Zertifizierungsverfahren,
mit dem diese Tests frei gegeben werden?

Befürwortet die Bundesregierung eine genauere Überprüfung der Qualität
dieser Antikörpertestverfahrens?

8. Sieht die Bundesregierung Defizite bei der Durchführung des Meldeverfah-
rens nach § 10 Infektionsschutzgesetz?

Wenn ja, welche sind diese, und auf welche Art und Weise beabsichtigt sie,
diese zu beheben?

9. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, das frühere Standardpräparat zur
Syphilistherapie – Clemizol-Penicillin –, welches auf dem deutschen Markt
nicht mehr verfügbar ist, für Personen, bei denen die Therapie mit alter-
nativen Penicillinen nicht anschlagen, zur Behandlung einzusetzen?

Berlin, den 9. November 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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