BT-Drucksache 16/706

Schäden in der deutschen Fischereiwirtschaft und an der heimischen Fischfauna durch Kormorane

Vom 15. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/706
16. Wahlperiode 15. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Edmund Peter Geisen, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick
Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul
K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Elke Hoff, Birgit Homburger, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn),
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Schäden in der deutschen Fischereiwirtschaft und an der heimischen Fischfauna
durch Kormorane

Die westeuropäische Population des Kormorans wird aktuell auf rund 700 000
Brutvögel bzw. eine Gesamtzahl von knapp 2 Millionen Tieren geschätzt. Den-
noch ist die Art weiterhin durch die EU-Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG)
geschützt. Der Kormoran (Phalacrocorax carbo L.) war Ende des 19. Jahrhun-
derts in Deutschland ausgerottet und begann in der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts die Küstenregionen von Nord- und Ostsee sowie die Binnengewäs-
ser neu zu besiedeln. Kormorane sind Schwimmtaucher, die unter Wasser ihre
Beute verfolgen und mit dem Hakenschnabel fangen. Sie verletzen dabei Fische,
denen es gelingt sich zu befreien. Kormorane leben gesellig in Brutkolonien,
vielfach auf Bäumen und brüten einmal im Jahr. Sie werden als Guanovögel be-
zeichnet und sind Zugvögel. 1977 wurde die Jagd auf den Kormoran eingestellt
und der Kormoran in den Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgenommen.
Aufgrund der außerordentlich positiven Bestandsentwicklung wurde der
Kormoran 2000 aus der Liste der bedrohten Arten gestrichen. Der Kormoran ist
jedoch weiterhin geschützt.

In Teichwirtschaften können Kormorane erhebliche Schäden anrichten. Auf-
grund der geringen Wassertiefe sind die Fische dem Kormoran nahezu schutzlos
ausgeliefert. Die relativ große Fischdichte macht die Teiche für Kormorane

attraktiv. In natürlichen Gewässern zeigen die stark wachsenden Kormoran-
bestände ebenfalls Auswirkungen. So hat sich der Äschenbestand (Thymallus
thymallus L., eine lachsartige Fischart der Fließgewässer) in Nordrhein-West-
falen parallel zur positiven Bestandsentwicklung des Kormorans drastisch redu-
ziert. Die Äschenfangzahlen der Angelfischerei sind innerhalb eines Jahrzehnts
auf einen Bruchteil gesunken.

Drucksache 16/706 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bei dieser Größenordnung der Bestandsentwicklung des Kormorans und seiner
flächendeckenden Verbreitung in ganz Europa kann nur ein Management auf eu-
ropäischer Ebene langfristig erfolgreich sein. Die derzeitigen punktuellen Maß-
nahmen zur Lösung des Kormoranproblems in einzelnen Bundesländern wie
Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern und manchen Staaten
(z. B. Schweden, Dänemark, Frankreich) können allein nicht nachhaltig erfolg-
reich sein. Es steht in Frage, ob die extrem positive Bestandsentwicklung des
Kormorans weiterhin besondere Anstrengungen zum Schutz der Art erforderlich
macht. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass der Schutz dieser
Symbolart des Naturschutzes nicht den Bestand von gefährdeten Fischarten so-
wie anderen Vogelarten wie Wasseramsel und Eisvogel beeinträchtigt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch ist die Zahl der jährlich in Deutschland brütenden, durchziehen-
den und überwinternden Kormorane sowie der immaturen Vögel (aufgelis-
tet nach Bundesländern)?

2. Welche Entwicklung zeigen der Brutvogel- und der Überwinterungsbe-
stand?

3. Worauf ist nach Einschätzung der Bundesregierung die enorm positive
Bestandsentwicklung des Kormorans zurückzuführen, und welchen Anteil
haben daran die Schutzmaßnahmen?

4. Wie hat sich das Binnen-Verbreitungsgebiet des Kormorans in Deutschland
gegenüber der historischen Verbreitung verändert, und welche Gründe kön-
nen hierfür genannt werden?

5. In welchen Bundesländern war der Kormoran im 19. Jahrhundert vor seiner
Ausrottung heimisch?

6. Welche Unterarten treten in Deutschland in welchem Anteil auf?

7. Ist der Kormoran nach Einschätzung der Bundesregierung in Deutschland
eine bedrohte Vogelart, und wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht,
und sind weitere Anstrengungen zum Schutz dieser Vogelart erforderlich?

8. Welche fischereiwirtschaftlichen Schäden in welcher Höhe verursacht der
Kormoran?

9. Wie viel Fisch frisst der Kormoran durchschnittlich pro Tag und welche
Fischarten werden hierbei von ihm bevorzugt?

10. Welche Rolle spielt der Fraßdruck des Kormorans auf den europäischen Aal
für den besorgniserregenden Rückgang dieser Fischart?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der Kormoran in
einigen Regionen Deutschlands bereits heute die natürliche Fischfauna
nachhaltig schädigt?

12. Wie können die Verpflichtungen zum Erhalt der Populationen gefährdeter
Fischarten gemäß Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Richtlinie erfüllt werden, wenn
der Fraßdruck der Kormorane auf die gefährdeten Arten in natürlichen
Gewässern nicht verringert wird?

13. Welchen Stellenwert hat der Erhalt eines hohen Kormoranbestandes nach
Einschätzung der Bundesregierung gegenüber dem Schutz von anderen be-
drohten Vogel- oder Fischarten?

14. In welchen Bundesländern werden Ersatz- und Ausgleichszahlungen auf-
grund von Kormoranschäden an welche Empfänger (Fischereibetriebe,
Angelvereine etc.) bezahlt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/706

15. Welche Bundesländer haben Verordnungen zur Regulierung der Kormoran-
bestände erlassen, und in welchen Bundesländern sind solche Verordnungen
in Vorbereitung?

16. Welche natürlichen Feinde hat der Kormoran derzeit in Deutschland, und in
welcher Weise beeinflussen diese die Bestandsentwicklung?

17. Welche natürlichen Feinde des Kormorans sollten nach Einschätzung der
Bundesregierung im Bestand gefördert werden?

18. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Maßnahmen zur Be-
standsregulierung im Interesse von Teichwirtschaften und der Entwicklung
bedrohter Fischarten erforderlich sind, und wenn ja, welche Maßnahmen
haben sich unter Berücksichtigung der Belange des Tierschutzes nach Ein-
schätzung der Bundesregierung als effektiv erwiesen?

19. Wie hoch sind die jährlichen finanziellen Aufwendungen von Bund und
Ländern für Vergrämung, Abschuss und Entsorgung von getöteten Kormo-
ranen?

20. Hatten die bislang getätigten Abschüsse einen Einfluss auf den Kormoran-
bestand, z. B. des Folgejahres oder der Überwinterer?

21. Liegt eine Kosten-Nutzen-Bilanz der bisher getätigten Vergrämungsmaß-
nahmen vor?

22. Welche Möglichkeiten gibt es für eine natürliche, nachhaltige Abwehr oder
Minderung von Kormoranschäden für die Fischerei?

23. Welche technischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um Kor-
moranschäden in Fischzuchtanlagen zu vermeiden?

24. Welche Rolle spielen die fischereiwirtschaftlichen Schäden durch Kormo-
ranfraß an bestehenden Aquakulturbetrieben für die Erreichung der fische-
reipolitischen Zielsetzung des Bundesministeriums für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz zur Entwicklung der Aquakultur in
Deutschland?

25. Worauf gründen sich Schadensbewertungen durch Kormoranfraß, und wel-
che Daten zu Fischbeständen, Fischereierträgen und sonstigen Einflüssen
auf Fischbestände liegen der Bundesregierung vor?

Wo gibt es Defizite?

26. Welche Aktivitäten unternimmt die Bundesregierung zur Implementierung
eines abgestimmten europaweiten Kormoran-Managements?

Berlin, den 15. Februar 2006

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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