BT-Drucksache 16/7059

Voraussetzungen für die Erklärung einer Allgemeinverbindlichkeit im Postgewerbe

Vom 7. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7059
16. Wahlperiode 07. 11. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martin Zeil, Rainer Brüderle, Gudrun Kopp, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Voraussetzung für die Erklärung einer Allgemeinverbindlichkeit im Postgewerbe

Das Bundeskabinett hat am 19. September 2007 die Aufnahme der Briefdienst-
leistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz einvernehmlich beschlossen
und wurde bei diesem Vorhaben am 12. Oktober 2007 durch den Bundesrat
mehrheitlich unterstützt. Über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände-
rung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (Bundestagsdrucksache 16/6735) soll
somit die Grundlage für eine mögliche Allgemeinverbindlicherklärung des
Mindestlohns durch Rechtsverordnung seitens des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales geschaffen werden.

Einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit wurde seitens der Tarifvertrags-
parteien Arbeitgeberverband Postdienste (AGV), der von der Deutsche Post AG
dominiert wird, und der Gewerkschaft Ver.di bereits gestellt. Deren Tarifvertrag
für Postdienstleister sieht in den alten Bundesländern Entlohnungen von min-
destens 8,40 Euro pro Stunde, in den neuen Bundesländern von 8,00 Euro vor.
Briefzusteller sollen im Westen mindestens 9,80 Euro und im Osten mindestens
9,00 Euro erhalten. Die Unterschiede sollen im Jahr 2010 wegfallen.

Die gesetzliche Einführung von Mindestlöhnen über Allgemeinverbindlich-

erklärung bedarf jedoch einer engen Auslegung des 50-Prozent-Quorums. Dies
gilt schon deshalb, weil Mindestlöhne an sich beschäftigungs- und wett-
bewerbsfeindlich sind, da sie Lohnfindungsprozesse auf den relevanten Märk-
ten verkennen. Gleichzeitig führen höhere Lohnkosten zu tendenziell höheren
Marktpreisen der Dienstleistung, welche Verbraucher schädigen und Fehl-
allokationen begünstigen können. Werden diese zudem faktisch von einem
Monopolunternehmen auf Basis seiner eigenen Haustarife, die auf staatlicher

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Monopolwirtschaft beruhen, zum Standard für die gesamte Branche erhoben,
wird die Zielsetzung der Liberalisierung konterkariert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff Briefdienstleistungen im Ent-
wurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsende-
gesetzes (Bundestagsdrucksache 16/6735), und welche konkreten beruf-
lichen Tätigkeiten werden damit umfasst?

2. Welche Veränderungen im Bereich der Briefdienstleistungen begründen die
Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zum gegenwärtigen Zeit-
punkt, und wieso bestand ein Handlungsbedarf nicht bereits innerhalb der
letzten zwei Jahre?

3. Wie viele ausländische Arbeitnehmer arbeiten gegenwärtig als Entsandte in
Deutschland im Bereich Briefdienstleistungen?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung auf Basis der Antwort zu Frage 3 die
rechtliche Angemessenheit der Nutzung des Arbeitnehmer-Entsende-
gesetzes für die Aufnahme der Briefdienstleistungen?

5. Ist der Bundesregierung das Rechtsgutachten der Professoren Dr. Axel
Kämmerer und Dr. Gregor Thüsing zum Thema „Mindestlöhne für die Post-
branche“ vom September 2007 im Auftrag des BIEK (Bundesverband Inter-
nationaler Express- und Kurierdienste e. V.) bekannt?

Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung das Gutachten hinsichtlich der
Anwendbarkeit einer möglichen Allgemeinverbindlicherklärung für die
Briefdienstleistungen?

Wenn nein, wird die Bundesregierung dieses Gutachten nun beschaffen?

6. Welches konkrete öffentliche Interesse muss aus Sicht der Bundesregierung
bei einer Allgemeinverbindlicherklärung grundsätzlich gegeben sein, und
wie beurteilt die Bundesregierung dies gegenwärtig im Bereich der Brief-
dienstleistungen?

7. Zu welchem Datum plant die Bundesregierung das im Arbeitnehmer-Entsen-
degesetz vorgesehene Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung und die
dafür notwendigen Schritte einzuleiten, welches sie in ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage der FDP „Mindestlohnvereinbarungen in der Postbranche“
(Bundestagsdrucksache 16/6652) in Aussicht stellt?

8. Teilt die Bundesregierung die seitens der Bundesnetzagentur am 31. Okto-
ber 2007 über die Presse (exemplarisch Süddeutsche Zeitung, Seite 6, „Post-
Mindestlohn gefährdet“) kommunizierte Statistik, nach der insgesamt
414 600 Beschäftigte dem Bereich Briefdienstleistungen (Wirtschaftszweig
Post) zuzuordnen sind und davon 54 000 Beamte?

Wenn nein, über welche Statistiken verfügt die Bundesregierung in diesem
Fall?

9. Teilt die Bundesregierung die ebenfalls seitens der Bundesnetzagentur am
31. Oktober 2007 mitgeteilte Statistik, nach der nur 173 000 Beschäftigte
– ohne Beamten 119 000 – tariflich über den AGV Postdienste gebunden
sind?

Wenn nein, über welche Statistiken verfügt die Bundesregierung in diesem
Fall?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7059

10. Sollten aus Sicht der Bundesregierung Beamte bei der Ermittlung des
50-Prozent-Quorums mit berücksichtigt werden?

Wenn ja, warum?

11. Welche Auswirkungen einer Allgemeinverbindlicherklärung des ihr vor-
liegenden Tarifvertrags der AGV Postdienste und Ver.di erwartet die
Bundesregierung für die Nutzung von Stücklohnmodellen, nach der ein
Beschäftigter kein Grundgehalt bezieht, was nach Angaben der Bundes-
netzagentur rund zwölf Prozent der Lizenzunternehmen verfolgen
(BNetzA, Abteilung 3, 25. Oktober 2007 [Stand 19. Oktober 2007])?

Berlin, den 7. November 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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