BT-Drucksache 16/6876

Stilllegung der Wetzlarer Bahn

Vom 24. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6876
16. Wahlperiode 24. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Mücke, Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster),
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van
Essen, Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Patrick
Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Volker Wissing, Hartfrid
Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Stilllegung der Wetzlarer Bahn

Die Wetzlarer Bahn Berlin–Wiesenburg–Sandersleben–Blankenheim(–Wetzlar)
ist Teil der Berlin–Metzer Bahn, die wegen ihrer ehemals militärstrategischen
Bedeutung auch Kanonenbahn genannt wird. Sie stellt die kürzeste Bahnverbin-
dung zwischen Berlin und Kassel mit Anschluss ins Ruhrgebiet dar. Die Strecke
wurde im Jahr 1879 eröffnet.

Aufgrund ihres Streckenverlaufs jenseits der großen Ballungsräume verkehrten
auf der Wetzlarer Bahn seit jeher weniger Reisezüge als vielmehr Güterzüge,
nicht zuletzt wegen des 1924 eröffneten Rangierbahnhofs Seddin bei Berlin.

Während der Vollsperrung der Strecke Potsdam–Brandenburg–Magdeburg
verkehrten zwischen 1993 und 1995 planmäßig ICE-Züge auf dem Abschnitt
Berlin–Güterglück. Hierfür war es im Vorfeld notwendig, die Strecke zu elektri-
fizieren und weitere diverse Ausbaumaßnahmen durchzuführen.

Ende des Jahres 2004 wurden erste Abschnitte der Wetzlarer Bahn stillgelegt.
Seitdem ist ein durchgängiger Zugbetrieb auf der Relation Berlin–Wiesenburg–
Sandersleben–Sangerhausen nicht mehr möglich.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Ausbaumaßnahmen wurden im Vorfeld des ICE-Einsatzes auf dem
Abschnitt Berlin–Güterglück durchgeführt?

2. Trifft es zu, dass nach Abschluss der Baumaßnahmen (Frage 1) der Abschnitt
Berlin–Güterglück durchgängig mit 160 km/h befahren werden konnte?
3. Welche Kosten entstanden durch die Ausbaumaßnahmen auf dem Abschnitt
Berlin–Güterglück einschließlich der Elektrifizierung?

Wer hat die Kosten (ggf. zu welchem Anteil) getragen?

Drucksache 16/6876 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Wurden die Ausbaumaßnahmen ausschließlich durchgeführt, um einen
ICE-Verkehr auf der Strecke zu ermöglichen, oder lagen seinerzeit auch Pla-
nungsszenarien für die Nutzung der Strecke nach dem ICE-Einsatz vor, die
den Ausbau der Strecke erforderlich machten?

5. Für welche einzelnen Streckenabschnitte auf der Relation Berlin–Wiesen-
burg–Blankenheim hat die DB Netz AG zu welchen Zeitpunkten jeweils
einen Antrag auf Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen (§ 11
Allgemeines Eisenbahngesetz [AEG]) beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA)
gestellt?

6. Unter welchem Datum wurden jeweils die in Frage 5 angesprochenen An-
träge durch das EBA bewilligt?

7. Falls es von den Anträgen abweichende Entscheidungen des EBA gab, um
welche Anträge handelt es sich, und was waren die Ursachen hierfür?

8. Hat das EBA Äußerungen der Deutschen Bahn AG aus dem Jahr 2003, nach
denen die Wetzlarer Bahn als „leistungsfähige Umleitung“ für andere
Strecken erhalten bleiben soll (vgl. Bericht „Volksstimme“, 21. Oktober
2003), jeweils in seinen Entscheidungen mit berücksichtigt?

9. Wie hat die DB Netz AG diesen Sinneswandel innerhalb kürzester Zeit ge-
genüber dem EBA begründet?

10. Gab es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung und des EBA Interes-
senten für die Übernahme einzelner Streckenabschnitte auf der Relation
Berlin–Wiesenburg–Blankenheim?

Falls ja, aus welchen Gründen scheiterte jeweils die Übernahme durch den
Interessenten?

11. Ist es für die Beurteilung, ob ein weiterer Betrieb der Strecke wirtschaftlich
unzumutbar sei, für das EBA von Relevanz, ob die von der DB Netz AG im
Stilllegungsantrag angeführten zu erwartenden Investitionen auch tatsäch-
lich notwendig sind?

Falls ja, woran orientiert sich das EBA bei seiner Bewertung?

12. Entsprechen die von der DB Netz AG in ihrer öffentlichen Ausschreibung
zur Abgabe des Streckenabschnitts Wiesenburg–Barby in Bezug auf die in
den nächsten fünf Jahren notwendigen Investitionen getroffenen Aussagen
(rund 16 000 000 Euro für Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik, rund
4 900 000 Euro für Brücken, rund 600 000 Euro für Bahnübergänge, rund
275 000 Euro für Durchlässe, rund 600 000 Euro für Anbindung in Wiesen-
burg) den Angaben, die die DB Netz AG im Rahmen der Antragstellung auf
Streckenstilllegung zur Unzumutbarkeit eines Weiterbetriebs gemacht hat?

Falls ja, in welchem Maße wurde durch das EBA geprüft, ob diese Angaben
zutreffend sind?

Auf welcher Grundlage basieren die Kostenberechnungen?

13. Wie hat das EBA seinerzeit die Entscheidung der DB Netz AG bewertet,
dass der Streckenabschnitt Wiesenburg–Barby bei Abgabe an ein anderes
Eisenbahninfrastrukturunternehmen nur noch einseitig in Barby angebun-
den und eine Anbindung in Wiesenburg nur gegen Zahlung von rund
600 000 Euro möglich sein soll (vgl. Ausschreibung der DB Netz AG zur
Abgabe dieses Streckenabschnitts)?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die teilweise Stilllegung der Wetzlarer
Bahn vor dem Hintergrund, dass der Abschnitt Berlin–Wiesenburg–Güter-
glück noch im Jahr 2004 Bestandteil des Leitschemas des Transeuropäi-

schen Verkehrsnetzes mit Horizont 2020 war?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6876

15. Wie bewertet die Bundesregierung die teilweise Stilllegung der Wetzlarer
Bahn vor dem Hintergrund eines stark steigenden Güterverkehrsaufkom-
mens und dem vom Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Wolfgang Tiefensee mehrfach geäußerten Ziel, möglichst viel Güterverkehr
auf die Schiene zu verlagern?

16. Widerspricht die teilweise Stilllegung der Wetzlarer Bahn nicht dem Bestre-
ben der Bundesregierung, künftig Güter- und Personenverkehre voneinan-
der zu entflechten?

17. Welche Streckenabschnitte der Wetzlarer Bahn sind zwischenzeitlich ent-
widmet worden (Freistellung von Bahnbetriebszwecken, § 23 AEG)?

Wann geschah dies jeweils?

18. Wurden die entwidmeten Flächen (Frage 17) nach den Erkenntnissen der
Bundesregierung und des EBA zwischenzeitlich einer anderweitigen Nut-
zung zugeführt?

19. Wie hat sich nach den Erkenntnissen der Bundesregierung der Schienen-
güterverkehr auf der Relation Großraum Berlin–Hannover in den letzten
zehn Jahren entwickelt?

Welche weitere Entwicklung erwartet die Bundesregierung auf dieser Rela-
tion, insbesondere im Vergleich zur allgemeinen Entwicklung des Schienen-
güterverkehrs?

20. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung in Bezug auf die Auslastung
der Strecke Berlin–Brandenburg–Magdeburg und den Anteil des Güterver-
kehrs?

21. Welche Streckenkapazität weist die Strecke Berlin–Brandenburg–Mag-
deburg auf?

22. Welche Gründe waren dafür ausschlaggebend, dass entgegen den ursprüng-
lichen Planungen der Ausbau und die Elektrifizierung der zwei Stamm-
gleise der Strecke Staaken–Stendal–Oebisfelde nicht im Zuge der Errich-
tung der Hochgeschwindigkeitsgleise realisiert wurden?

23. Aus welchen Gründen wurde der durchgängige zweigleisige Ausbau der
Stammstrecke Staaken–Stendal–Oebisfelde und deren Elektrifizierung zu
späterer Zeit dann doch als vordringlich angesehen und daher in den Be-
darfsplan für Bundesschienenwege aufgenommen?

Berlin, den 23. Oktober 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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