BT-Drucksache 16/673

Zuständigkeit in der Strafverfolgung deutscher Soldaten im Auslandseinsatz rechtsstaatlich sicherstellen

Vom 15. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/673
16. Wahlperiode 15. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Jörg van Essen, Birgit Homburger, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Max Stadler, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhard Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Zuständigkeit in der Strafverfolgung deutscher Soldaten im Auslandseinsatz
rechtsstaatlich sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutsche Soldaten sind in vielen Krisenregionen dieser Welt im Einsatz. Durch
die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien ist eindeutig der Wandel von
einer Verteidigungsarmee zur weltweit operierenden Einsatzarmee vollzogen.
Deutsche Soldaten unterliegen auch bei einem Einsatz im Ausland dem deut-
schen Strafrecht, sofern die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist (§ 7 Abs. 2
Nr. 1 des Strafgesetzbuches – StGB) oder es sich um eine in § 5 oder 6 StGB
genannte Straftat (z. B. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Taten
deutscher Amtsträger, unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln, Verbreitung
pornographischer Schriften in den Fällen des § 184 Abs. 3 und 4 StGB, Sub-
ventionsbetrug) handelt. Noch ist es bei einem Einsatz von deutschen Soldaten
im Ausland nicht zu schwerwiegenden Straftaten von Soldaten der Bundeswehr
gekommen. Eine vorausschauende Politik macht es aber erforderlich, auch für
solche Fälle Vorsorge zu treffen. Dabei muss sichergestellt sein, dass bei Taten
deutscher Soldaten eine effiziente Strafverfolgung möglich ist, die zugleich

rechtsstaatliche Verfahrensgarantien gegenüber den verdächtigen Soldaten
wahrt, aber auch die Besonderheit bei Soldaten im Einsatz beachtet. Fälle in der
Vergangenheit haben gezeigt, dass es besonders in zwei Bereichen erheblichen
Regelungsbedarf gibt.

Eine besondere Ermittlungszuständigkeit besteht derzeit nicht. Demnach ist
nach geltendem Recht die jeweilige Staatsanwaltschaft und das Gericht des
Wohnortes des Soldaten zuständig (§ 8 Abs. 1, § 143 Abs. 1 der Strafprozess-

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ordnung). Dies ist bei Zeit- und Berufssoldaten der letzte inländische Standort
(§ 9 Abs. 1, 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Gleiches gilt für Wehrdienst-
leistende, wenn diese noch Heranwachsende sind. Der letzte inländische Stand-
ort ist die Stammeinheit des Soldaten, nicht jedoch der Standort, an dem das
Auslandskontingent organisatorisch zusammengefasst ist. Diese Rechtslage
führt zu komplizierten Zuständigkeitsverteilungen, weil damit grundsätzlich
jede Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik Deutschland zuständig sein
kann. Sind an einer Straftat mehrere Soldaten verschiedener Stammeinheiten
beteiligt, kommt es sogar zu einer Zuständigkeit mehrerer Staatsanwaltschaften.

Zwar übernimmt die Staatsanwaltschaft Potsdam eine Koordinierungsfunktion.
Diese Aufgabe ist ihr aber nicht gesetzlich zugewiesen und in der staatsanwalt-
schaftlichen Praxis auch nicht unumstritten.

Die Konzentration aller Verfahren, die anlässlich von Auslandseinsätzen be-
gangene Straftaten betreffen, bei einer Staatsanwaltschaft ist aus Sachgründen
geboten. Die Ermittlungstätigkeit bei solchen Taten erfordert eine Kenntnis der
militärischen Strukturen und Abläufe, die in aller Regel in Staatsanwaltschaften
nicht in der nötigen Tiefe vorhanden ist. Die Begründung einer speziellen Zu-
ständigkeit kann hier eine Verbesserung der Abläufe bewirken. Schon in ande-
ren Bereichen hat sich die Einrichtung von Staatsanwaltschaften mit speziellen
Zuständigkeiten bewährt, weil so Einheiten mit besonderem Fachwissen errich-
tet werden können, beispielsweise die Schwerpunktstaatsanwaltschaften in
Wirtschaftssachen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) so zu ändern, dass eine eindeutige Zu-
ständigkeit für die Verfolgung von Straftaten von Soldaten der Bundeswehr bei
Auslandseinsätzen sicher gestellt ist, durch einfügen eines neuen § 74f GVG:

„Für Straftaten, die Angehörige der Bundeswehr im Rahmen von Aus-
landseinsätzen begangen haben, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk
das für den Auslandseinsatz zuständige Einsatzführungskommando seinen
Sitz hat.“

Berlin, den 15. Februar 2006

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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