BT-Drucksache 16/6681

Weiterentwicklung des flächendeckenden Zivil- und Katastrophenschutzes

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6681
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Paul K.
Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke
Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina
Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Weiterentwicklung des flächendeckenden Zivil- und Katastrophenschutzes

Anfang Juni 2002 verabschiedete die Innenministerkonferenz unter der Über-
schrift „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ eine neue
Rahmenkonzeption für den Zivil- und Katastrophenschutz. Der Koalitions-
vertrag zwischen der CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 hat dieses
Thema aufgegriffen und das Ziel gesetzt, die Steuerungs- und Koordinierungs-
kompetenz des Bundes bei der Bewältigung von Großkatastrophen und länder-
übergreifenden schweren Unglücksfällen zu stärken. In diesem Zusammenhang
stellt sich die Frage, inwieweit die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in
Umsetzung der neuen Strategie sowie die beabsichtigte Steuerungs- und Koor-
dinierungskompetenz des Bundes bei bestimmten Lagen eine Änderung des
Grundgesetzes erforderlich macht. Fragen ergeben sich auch im Hinblick auf die
von der Bundesregierung konzipierte Neuorientierung des Ausstattungskon-
zepts, das durch einen Rückzug des Bundes aus der bisherigen Ergänzung der
flächendeckenden Grundversorgung, wie sie mit Blick auf den traditionellen
Verteidigungsfall geboten war, und eine Konzentration auf Spezialfähigkeiten
mit den Schwerpunkten ABC-Schutz und Bewältigung eines Massenanfalls von
Verletzten gekennzeichnet ist. Fragen ergeben sich schließlich im Hinblick auf
den Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Rates über ein Gemein-
schaftsverfahren für den Katastrophenschutz. In zahlreichen Beschlüssen zum

europäischen Katastrophenschutz hat der Bundesrat stets die Einführung opera-
tiver Befugnisse für die Europäische Kommission entschieden abgelehnt. Der
Bundesrat hat zudem stets betont, dass der betroffene Staat weiterhin die
Einsatzleitung wahrzunehmen hat und die Koordinierung des Einsatzes dem be-
troffenen Mitgliedstaat obliegen muss. Darüber hinaus müsse es bei der Ver-
pflichtung der Mitgliedstaaten bleiben, die erforderlichen Ressourcen in ausrei-

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chendem Maße vorzuhalten. Diese dürften durch ergänzende Maßnahmen der
EU nicht ersetzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die neue Zusammenarbeit von
Bund und Ländern in der Umsetzung der „Neuen Strategie zum Schutz der
Bevölkerung in Deutschland“ im traditionellen Zivilschutzauftrag des Arti-
kels 73 Nr. 1 des Grundgesetzes (GG) und dem darauf beruhenden einfach-
rechtlichen Regelungsbestand eine hinreichende Rechtsgrundlage findet,
und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

2. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass für die deutschen Hilfskräfte im
Katastrophenschutz den neuen, teilweise internationalen Bedrohungslagen,
z. B. in Form einer Pandemie, einer ABC-Großschadenslage oder eines
(bundes)länder- und grenzüberschreitende Hochwassers, entsprechende, or-
ganisatorisch und rechtlich ausreichende Rahmenbedingungen existieren,
und wenn ja, weshalb, bzw. wenn nein, weshalb nicht?

3. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das am Verteidigungsfall ori-
entierte Zivilschutzgesetz zu einem umfassenden Bevölkerungsschutzge-
setz fortentwickelt werden muss, um die neue Unterstützungsfunktion des
Bundes abzubilden, und wenn ja, wann ist mit der Einbringung eines ent-
sprechenden Gesetzentwurfs in den Deutschen Bundestag zu rechnen, und
was werden dessen wesentliche Inhalte sein?

4. Kann ein solches übergreifendes Bevölkerungsschutzgesetz noch auf die
Zivilschutzkompetenz des Artikels 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden?

5. Wenn nein, welche Änderung des Grundgesetzes schlägt die Bundesregie-
rung bis wann vor?

6. Welche weiteren Regelungsnotwendigkeiten zum Katastrophenschutz sieht
die Bundesregierung zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag zwischen der
CDU, CSU und SPD vereinbarten Punkte?

7. Wie stellt sich die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Zivilschutzzu-
ständigkeit des Bundes in Artikel 73 Nr. 1 GG ersatzlos zu streichen und den
Bundesländern die Gesamtverantwortung für den Zivilschutz und den Kata-
strophenschutz zu übertragen, und wie begründet sie ihre Meinung?

8. Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, dass der Bund bei außer-
gewöhnlichen, länderübergreifenden Katastrophenfällen und solchen von
nationaler Bedeutung über die beabsichtigte Stärkung der Koordinierungs-
kompetenz hinaus auch operative Befugnisse und das Recht, fachliche
Weisungen zu erteilen, erhält, und wie begründet sie ihre Meinung?

9. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Zentralstellenfunktion
des Bundes für den Bevölkerungsschutz im Grundgesetz, und wie begrün-
det sie ihre Meinung?

10. Wird im Zusammenhang mit der Frage der Verankerung des neuen Aufga-
benzuschnitts des Bundes im Bevölkerungsschutz auch eine Erweiterung
des Verteidigungsbegriffs dahin diskutiert, dass dieser auch von außen
gesteuerte terroristische Anschläge von nationaler Bedeutung umfassen
müsse, und wenn ja, wie ist die diesbezügliche Haltung der Bundesregie-
rung?

11. Welche Haltung nehmen die Bundesländer hinsichtlich der Fragen 1 bis 10
ein?
12. Wie ist der gegenwärtige Diskussionsstand zur Ausstattung des ergänzen-
den Katastrophenschutzes des Bundes?

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13. Welche Maßnahmen sind im Bereich des Brandschutzes allgemein und spe-
ziell hinsichtlich Löschfahrzeugen und Wasserfördersystemen vorgesehen?

14. Welche Maßnahmen sind im Bereich des ABC-Schutzes vorgesehen?

15. Welche Maßnahmen sind im Bereich der katastrophenmedizinischen Vor-
sorge für einen Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten vorgesehen?

16. Welcher Fahrzeug- und Materialbedarf ergibt sich im Bereich der quali-
fizierten ABC-Erkundung und der Dekontamination von Personen?

17. Welche Auswirkungen hat dies auf die einzelnen Bundesländer (bitte auf-
schlüsseln)?

18. Welcher Fahrzeug- und Ausstattungsbedarf ergibt sich hinsichtlich der ge-
planten Analytischen Task Forces (ATF)?

19. Welcher Fahrzeug- und Ausstattungsbedarf ergibt sich hinsichtlich der ge-
planten Medizinischen Task Forces (MTF)?

20. Sollen die Fahrzeuge der Task Forces auch für Einsätze zur Wasserrettung
ausgestattet werden, und wenn ja, wie und wie viele?

21. Welche ATF-Standorte sind vorgesehen, wie sollen die Einsatzradien be-
messen sein, und welche Einsatzzeiten ergeben sich hieraus?

22. Welche MTF-Standorte sind vorgesehen, wie sollen die Einsatzradien be-
messen sein, und welche Einsatzzeiten ergeben sich hieraus?

23. Wird in beiden Fällen eine umfassende, flächendeckende Versorgung in
Deutschland sichergestellt sein?

24. Inwieweit sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit zur deutlichen
Stärkung der Ausbildung allgemein im Zivil- und Katastrophenschutz und
zur Ausbildung der Verwaltungsmitarbeiter in Bund und Ländern sowie der
Einsatzkräfte im Konkreten?

25. Welche Auswirkungen werden das vorgesehene Konzept zur Ausstattung
des ergänzenden Katastrophenschutzes des Bundes und der damit einher-
gehende Rückzug des Bundes aus der Fläche auf das ehrenamtliche und
bürgerschaftliche Engagement in den Hilfsorganisationen, bei den Feuer-
wehren, beim DRK (Deutsches Rotes Kreuz e. V.), ASB (Arbeiter-Samari-
ter-Bund Deutschland e. V.), DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesell-
schaft e. V.), JUH (Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.) und MHD (Malteser Hilfs-
dienst) haben?

26. Welche Auswirkungen wird die geplante Neuorganisation auf das bisherige
Schutzniveau für die Bürgerinnen und Bürger in den verschiedenen Bundes-
ländern haben?

27. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zur Erhaltung und
Absicherung des ehrenamtlichen Engagements im Katastrophenschutz?

28. Gehören hierzu auch die Schaffung eines einheitlichen rechtlichen Rahmens
für die Arbeit der freiwilligen Helfer und der Abbau der Ungleichbehand-
lung von Helfern in Organisationen in staatlicher Trägerschaft und von pri-
vaten Hilfsorganisationen?

29. Trifft es zu, dass ein Bundesbeamter oder Richter im Bundesdienst, der Mit-
glied des THW (Technisches Hilfswerk) ist, bei Einsätzen des THW unbe-
fristet freigestellt wird, er hingegen bei einer Mitgliedschaft in der Freiwil-
ligen Feuerwehr oder einer Hilfsorganisation für Einsätze nur befristet
freigestellt werden kann, und wenn ja, woraus ergibt sich dies?

30. Sieht die Bundesregierung hierin eine Ungleichbehandlung von ehrenamt-

lich tätigen Bürgerinnen und Bürgern, und wenn ja, ist diese gewünscht und

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gewollt, bzw. wenn nein, wie und wann will die Bundesregierung die Un-
gleichbehandlung beseitigen?

31. Steht die Bundesregierung zu ihrer Zusage, dass bei Behörden, die Teil der
deutschen Sicherheitsarchitektur sind, keine Stelleneinsparungen erfolgen
sollen?

Wie definiert sie „Behörden bzw. Institutionen, die Teil der deutschen
Sicherheitsarchitektur sind“, und welche Behörden bzw. Institutionen sind
konkret damit gemeint?

32. Plant die Bundesregierung aktuell und in den nächsten Jahren hauptamtliche
Stellen beim Technischen Hilfswerk und beim Bundesamt für Bevölke-
rungsschutz und Katastrophenhilfe abzubauen, wenn ja, wie viele jeweils,
wie begründet sie dieses, und wie plant sie diese im Hinblick auf die gestie-
genen Anforderungen und die Betreuung von Ehrenamtlichen (THW) zu
kompensieren?

33. Trifft es zu, dass beim THW bis zu 7,3 Mio. Euro eingespart werden sowie
die Kosten des THW für den Einsatz in Heiligendamm in Höhe von ca.
1 Mio. Euro nicht in Rechnung gestellt werden sollen, und wenn ja, wo
(Haushaltstitel) soll konkret gespart werden, und gibt es weitere Planungen
für Einsparungen in den nächsten Jahren?

34. Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Vorschlag für eine Entscheidung
des Europäischen Rates über ein Gemeinschaftsverfahren für den Katastro-
phenschutz zuzustimmen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

35. Teilt sie die Auffassung des Bundesrates, dass mit den Verfahren für Einsät-
ze innerhalb der Europäischen Gemeinschaft keine operativen Befugnisse
der EU verbunden sein dürfen und der ersuchende Mitgliedstaat die Einsatz-
leitung voll umfänglich wahrzunehmen hat?

36. Teilt sie darüber hinaus die Auffassung des Bundesrates, dass die ergänzen-
den Maßnahmen der EU keinen Ersatz der mitgliedstaatlichen Ressourcen
bedeuten dürfen und es bei der Verpflichtung der Mitgliedstaaten bleiben
muss, die erforderlichen Ressourcen in ausreichendem Maße vorzuhalten?

Berlin, den 10. Oktober 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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