BT-Drucksache 16/6629

Entwurf eines Achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Berufsbildungsgesetzes

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6629
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Werner Dreibus, Dr. Gesine Lötzsch,
Kornelia Möller, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Petra Sitte, Dr. Gregor Gysi,
Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des
Berufsbildungsgesetzes

A. Problem

Viele junge Menschen absolvieren im Rahmen ihres Studiums oder ihrer Aus-
bildung ein oder mehrere Praktika. Nach gängiger Rechtsprechung können sie
sich hierbei nicht einmal auf arbeitsrechtliche Mindestschutzbestimmungen,
wie sie durch § 26 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) für sogenannte andere
Vertragsverhältnisse definiert sind, berufen (vgl. beispielsweise Bundesarbeits-
gericht vom 3. September 1998, 8 AZR 14/97). Das bedeutet zum Beispiel,
dass Studierende zwar in der Pflicht sind, ihrer Hochschule gegenüber eine
Praktikumsbescheinigung vorzulegen, hierauf gegenüber dem Praktikumsgeber
aber keinen arbeitsrechtlichen Anspruch haben. Es ist daher eine gesetzgeberi-
sche Klarstellung nötig, die die betreffende Gruppe von Praktikantinnen und
Praktikanten eindeutig in den Geltungsbereich des BBiG einschließt.

Da für Praktikantinnen und Praktikanten nicht die Arbeitsleistung, sondern das
Lernen im Vordergrund stehen soll, ist für sie die Erstellung eines Ausbildungs-
planes (vgl. § 11 BBiG) von besonderer Bedeutung. Wegen des in § 26 BBiG
geregelten Verzichts auf Vertragsniederschrift für die sogenannten anderen Ver-
tragsverhältnisse entfällt aber gerade für diese Gruppe der Anspruch hierauf.
Dieser gesetzlich geregelte Verzicht ist unplausibel und sollte im Interesse der
Praktikantinnen und Praktikanten gestrichen werden.

Die Ergebnisse der Studie „Generation Praktikum? – Prekäre Beschäftigungs-
formen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen“ des Arbeitsbereichs
Absolventenforschung der FU Berlin im Auftrag der DGB-Jugend und der
Hans-Böckler-Stiftung haben bereits im Februar 2007 deutlich gemacht, dass
Praktikantinnen und Praktikanten vielfach fest in den Betriebsverlauf eingeplant
sind und von einer hohen Arbeitsbelastung berichten. Des Weiteren kommt die
vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studie „Generation Praktikum –
Mythos oder Massenphänomen“ zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der

befragten Absolventinnen und Absolventen mit Praktikaerfahrung während des
Praktikums nicht über einen Praktikumsplan verfügte.

Im vergangenen sowie in diesem Jahr haben außerdem zahlreiche Medien-
berichte darauf aufmerksam gemacht, dass Praktika missbraucht werden, um
reguläre Arbeitsverhältnisse zu ersetzen (so beispielsweise bereits am 10. Mai
2006 das WDR-Magazin hart aber fair in der Sendung „Arm trotz Arbeit“). Eine
bessere Absicherung von Praktikantinnen und Praktikanten durch Mindest-

Drucksache 16/6629 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schutzbestimmungen und das Recht auf eine angemessene Vergütung sowie eine
klarere Definition von Praktika als durch einen Ausbildungsplan gekennzeich-
nete Lernverhältnisse sollten erste Schritte sein, diesen Missbrauch einzudäm-
men.

B. Lösung

Mit der vorgeschlagenen Änderung des Berufsbildungsgesetzes wird der Gel-
tungsbereich des BBiG auf Praktikantinnen und Praktikanten erweitert, die ihr
Praktikum im Rahmen eines Studiums oder einer Ausbildung absolvieren. Hier-
mit werden für diese Gruppe die arbeitsrechtlichen Mindestschutzbestimmun-
gen nach § 26 BBiG in Kraft gesetzt.

Hierüber hinaus wird der Verzicht auf eine Vertragsniederschrift für „andere
Vertragsverhältnisse“ nach § 26 BBiG gestrichen. Praktikantinnen und Prakti-
kanten erhalten hiermit das Recht auf eine Vertragsniederschrift, welche unter
anderem Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie das Ziel des Praktikums
umfassen muss. Diese Regelung trägt dazu bei, Praktika in Abgrenzung von
Arbeitsverhältnissen eindeutig als Lernverhältnisse zu kennzeichnen, eine ein-
deutigere Abgrenzung der Geltungsbereiche des BBiG und des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zu gewährleisten und somit den Missbrauch von Praktika einzu-
dämmen.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6629

Entwurf eines Achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des
Berufsbildungsgesetzes

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Berufsbildungsgesetzes

Das Berufsbildungsgesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931), zuletzt ge-
ändert durch Artikel 9b des Gesetzes vom 7. September
2007 (BGBl. I S. 2246) wird wie folgt geändert:

§ 26 wird wie folgt gefasst:

㤠26
Andere Vertragsverhältnisse

Soweit nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart ist, gelten
für Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertig-

keiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen
auch im Rahmen eines in einer Ausbildungs-, Studien- oder
Prüfungsordnung vorgesehenen Praktikums zu erwerben,
ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses
Gesetzes handelt, die §§ 10 bis 23 und 25 mit der Maßgabe,
dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt und bei vorzeitiger
Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit
abweichend von § 23 Abs. 1 Satz 1 Schadensersatz nicht ver-
langt werden kann.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündigung in
Kraft.

Berlin, den 9. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/6629 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Um eine bessere soziale Absicherung von Praktikantinnen
und Praktikanten zu erreichen, ist eine Änderung des BBiG
notwendig. Hierbei geht es zum einen darum, Mindest-
schutzbestimmungen, wie sie das BBiG definiert, auch für
Praktikantinnen und Praktikanten in Kraft zu setzen, welche
ihr Praktikum im Rahmen einer Ausbildung oder eines Stu-
diums absolvieren. Zum anderen sollen Praktika als Lernver-
hältnisse gestärkt und näher definiert werden, indem eine
Vertragsniederschrift und damit ein Ausbildungsplan zwin-
gend vorgesehen werden.

Diese Regelung trägt zudem mit dazu bei, Praktika als Lern-
verhältnisse von Arbeitsverhältnissen besser abzugrenzen
und damit einem Missbrauch von Praktika zur Verdrängung
regulärer Arbeitsverhältnisse einen Riegel vorzuschieben.

Die Gesetzgebungskompetenz für den Regelungsbereich des
Berufsbildungsgesetzes liegt beim Bund. Er kann diese ent-
sprechend auch für Praktika im Rahmen der beruflichen bzw.
Hochschulbildung wahrnehmen. Da es sich bei den soge-
nannten anderen Vertragsverhältnissen von Praktikantinnen
und Praktikanten mit ihrer oder ihrem jeweiligen Prakti-
kumsgeberin bzw. -geber um ein eigenständiges Rechtsver-
hältnis handelt, fällt die Gesetzgebungskompetenz auch für

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Durch die Neufassung von § 26 BBiG werden die Worte
„auch im Rahmen eines in einer Ausbildungs-, Studien- oder
Prüfungsordnung vorgesehenen Praktikums“ neu eingefügt.
Hiermit wird eine Gesetzeslücke geschlossen. Die Mindest-
schutzbestimmungen, wie sie das BBiG für die sogenannten
anderen Vertragsverhältnisse definiert, werden hiermit auch
für Praktikantinnen und Praktikanten in Kraft gesetzt, die ihr
Praktikum im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studi-
ums absolvieren.

Durch die Neufassung von § 26 BBiG werden außerdem die
Worte „auf die Vertragsniederschrift verzichtet“ gestrichen.
Praktikantinnen und Praktikanten erhalten hiermit wie Aus-
zubildende das Recht auf eine Vertragsniederschrift, welche
unter anderem Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie
das Ziel des Praktikums umfassen muss (§ 11 Abs. 1 Nr. 1
BBiG). Praktika werden hiermit in ihrer Eigenschaft als
Lernverhältnisse gestärkt.

Zu Artikel 2

Praktika von Studierenden nicht in den Bereich der Hoch-
schulgesetzgebung, sondern verbleibt beim Bund. Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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