BT-Drucksache 16/661

Offene Immobilienfonds - Marktstabilität sichern, Anlegervertrauen stärken

Vom 15. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/661
16. Wahlperiode 15. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Kerstin Andreae,
Bärbel Höhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Offene Immobilienfonds – Marktstabilität sichern, Anlegervertrauen stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Schließung des offenen Immobilienfonds „grundbesitz-invest“ der DB Real
Estate Investment GmbH der Deutsche Bank Group und zweier offener Immo-
bilienfonds des Münchner Anbieters KanAm hat gezeigt, dass die offenen
Immobilienfonds doch nicht so sicher, stabil und ertragreich sind, wie das von
vielen Verbrauchern angenommen und von den Betreibern teilweise kommuni-
ziert wurde. Um die Stabilität der Märkte zu sichern, die Anleger besser zu
schützen und künftige Krisen zu vermeiden, ist eine Anpassung der gesetzlichen
Rahmenbedingungen erforderlich. Wir wollen den offenen Immobilienfonds als
sicheres und stabiles Anlageprodukt stützen.

Angesichts der Schließung dreier Fonds innerhalb kurzer Zeit und umfangrei-
cher Mittelabflüsse aus anderen Fonds kann das Anlegervertrauen nicht mehr
von der Branche selbst hergestellt werden. Diese Chance wurde bisher von der
Branche nicht wahrgenommen. Eine Selbstregulierung hat nicht funktioniert.

Die Probleme beim Fonds „grundbesitz-invest“ der DB Real Estate und bei den
beiden KanAm-Fonds sind jeweils auf unterschiedliche Faktoren zurückzufüh-
ren. Dennoch haben sie sich in kürzester Zeit ereignet. Für die gesetzgeberischen
Konsequenzen sind deshalb alle drei Fälle zu berücksichtigen.

Vor allem muss der Anlegerschutz im Kapitalmarkt gestärkt werden. Hier sieht
der Deutsche Bundestag Regulierungsnotwendigkeiten insbesondere hinsicht-
lich höherer Transparenz, verlässlicher Informationen und angemessener Scha-
densersatzfristen sowie stärkerer Unabhängigkeit der Gutachter, klarerer Be-
wertungsinstrumente für die Immobilien und stärkerer Eingriffsmöglichkeiten
der Aufsichtsbehörde.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die oben genannten
Ziele zu erreichen. Das bedeutet:
● Künftig soll – wie in Frankreich – einmal im Quartal der Wert jeder Immobi-
lie festgestellt werden. Die jährliche Begutachtung bildet die Wertentwick-
lung auf den Immobilienmärkten nur unzureichend ab und kann zu abrupten
Korrekturen führen.

● Um jeden Zweifel an der Unabhängigkeit der Sachverständigen zu beseiti-
gen, werden diese künftig von einer neutralen Stelle bestellt.

Drucksache 16/661 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Die Bewertung der Immobilien muss noch stärker an den objektiven Ver-
kaufswerten ausgerichtet werden (z. B. Anschaffungsnebenkosten, Rückstel-
lungen für latente Steuern).

● Um Interessenkonflikte zu vermeiden, soll die Rücknahme der Anteile künf-
tig nur durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
ausgesetzt und die Aussetzung nur von ihr wieder aufgehoben werden kön-
nen. Die Investmentgesellschaften sollen nicht mehr allein und unabhängig
über die Aussetzung und Aufhebung der Aussetzung der Anteilsscheinrück-
nahme entscheiden können. In diesem Zusammenhang ist auch der unbe-
stimmte Rechtsbegriff der „außergewöhnlichen Umstände“, der bisher eine
Aussetzung durch die Fondsgesellschaft rechtfertigt, genauer einzugrenzen.
Dies gilt auch dann, wenn künftig ausschließlich die BaFin über Aussetzung
und Aufhebung der Rücknahmeaussetzung entscheidet.

● Zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen muss eine Abmilderung der für
den offenen Immobilienfonds typischen Fristeninkongruenz (tägliche Ver-
fügbarkeit bei langfristiger Investition in Immobilien) erfolgen. Bei vorzei-
tiger Rückforderung der Fondsanteile sind die Verursacher möglicher Kurs-
korrekturen an deren Kosten zu beteiligen. Hierzu soll die Bundesregierung
verschiedene Modelle prüfen: zum Beispiel Kündigungsfrist für Großan-
leger, degressive Abschläge bei vorzeitiger Rückforderung oder ein dynami-
sches Modell mit Ermittlung der realen Verkaufswerte für den verkaufenden
Anteilseigner.

● Die Mindestliquidität ist auf 10 Prozent des Fondsvermögens anzuheben. Die
Liquiditätsausstattung der Fonds ist entscheidend für ihre Krisensicherheit.
Die BaFin kann diese im Einzelfall auf Antrag für 6 Monate auf 5 Prozent he-
rabsetzen.

● Engagements institutioneller Anleger sind künftig ab 1 Mio. Euro bei der
BaFin anzeigepflichtig, da diese Großengagements offenkundig eine Gefahr
für die Stabilität der Fonds darstellen.

● Grundsätzlich muss die Transparenz der Geschäftstätigkeit der Fonds gegen-
über dem Anleger gestärkt werden. Das bedeutet vor allem mehr Offenheit in
den Jahresberichten. Hier sollen die Einzelverkehrswerte der Immobilien
veröffentlicht werden, um die Transparenz der Bewertung zu erhöhen, und
die Anlegerstruktur nach Größenordnung der investierten Beträge offen
gelegt werden. Darüber hinaus muss eine Kreditaufnahme eines Immobilien-
Publikumsfonds, der die Quote von 30 Prozent übersteigt, von der Gesell-
schaft öffentlich gemacht werden.

● Anlegern sind die offenen Immobilienfonds bislang als sichere Anlage ver-
kauft worden. Der Verbraucherschutz ist zu stärken, indem vor Verkauf ein
Hinweis auf die Möglichkeit des Totalverlustes erfolgen muss. Außerdem
sollen in die Verkaufsprospekte Hinweise aufgenommen werden, welche die
möglichen Risiken deutlich benennen, zum Beispiel die Zeitdauer von Miet-
verträgen, die Höhe der Vertragstrafen bei vorzeitiger Kündigung der Miet-
verträge, Leerstandsquoten der Objekte, das Risiko der Insolvenz der Mieter,
Art und Umfang der geplanten Sanierungen, die Unwägbarkeiten der Bewer-
tung, der Umfang der Kreditaufnahme, Umgang und Art von Neuinvestitio-
nen etc.

● Die Fondsgesellschaften sollen verpflichtet werden, im Falle der Schließung
ihren Kunden unmittelbar Auskunft zu geben.

● Um die Rechte der Privatanleger zu stärken, sollen die Verjährungsfristen des
Investmentgesetzes an die allgemeine zivilrechtliche Verjährung des Bürger-
lichen Gesetzbuchs von 3 bis 10 Jahren angepasst werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/661

● Eine Beimischung von REITS(Real Estate Investment Trusts)-Anteilen an
offenen Immobilienfonds wird nicht gestattet.

● Damit die offenen Immobilienfonds weiterhin als breite Publikumsfonds auf
dem Markt vertrieben werden können, soll die Bundesregierung prüfen, wel-
che Sicherungsinstrumente (z. B. Haftung der Muttergesellschaft oder Siche-
rungsfonds) eingerichtet werden sollten.

Berlin, den 15. Februar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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