BT-Drucksache 16/6480

Entwicklung der Schulen in freier Trägerschaft in Deutschland

Vom 19. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6480
16. Wahlperiode 19. 09. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link, Markus Löning,
Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Dr. Konrad Schily, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian
Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Entwicklung der Schulen in freier Trägerschaft in Deutschland

Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r

Das Grundgesetz (GG) sieht die Errichtung und den Betrieb von Schulen in Frei-
er Trägerschaft explizit vor. Dementsprechend räumt Artikel 7 Abs. 4 GG und
Artikel 6 Abs. 2 GG Eltern dahingehend ein Wahlrecht ein, ob sie ihre Kinder
auf einer Schule in öffentlicher Trägerschaft oder auf einer Schule in Freier Trä-
gerschaft (Ersatzschule) anmelden. Dabei ist jedoch seitens der Träger zu ge-
währleisten, dass „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der
Eltern nicht gefördert wird“ (Artikel 7 Abs. 4 GG).

Um dem Gebot des freien Zugangs entsprechen zu können und Kinder aus ein-
kommensschwächeren Familien nicht von vornherein ausschließen zu müssen,
sind die Träger freier Schulen auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Da
die Bildungsleistung der Schulen in Freier Trägerschaft im Vergleich zum staat-
lich getragenen Schulwesen nicht minderwertig ausfallen darf muss davon aus-
gegangen werden, dass die Kosten für eine Ersatzschule sich im vergleichbaren
Rahmen zu einer entsprechenden staatlichen Schule ausfallen. Die anfallende
Differenz muss im Wesentlichen über die von den Eltern zu bezahlenden Schul-

beiträge aufgefangen werden. Je geringer die Unterstützung des Landes für das
Ersatzschulwesen ausfällt desto höher ist demzufolge die Belastung der Eltern.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann die kritische Beitragshöhe
erreicht ist und aufgrund der Höhe des Schulgeldes Zugangsbarrieren nach
Artikel 7 GG entstehen.

Drucksache 16/6480 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schulen in freier Trägerschaft erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit in
Deutschland. Alleine in der Hauptstadt Berlin ist eine Steigerung der Schüler-
zahlen im Jahr 2006/2007 um 7,4 Prozent zu verzeichnen. Dabei lag die tatsäch-
liche Steigerungsquote deutlich über der Prognose von 4 Prozent des Senats
(Rote Nummer 3249 B, Abgeordnetenhaus von Berlin). Die Entwicklung ver-
deutlicht, dass Eltern immer stärker dazu neigen, die Bildungseinrichtungen
freier Träger den staatlichen Einrichtungen vorzuziehen. Dabei scheint auch der
Glaube an die höhere Leistungsfähigkeit der Ersatzschulen maßgeblich zu sein.

Dass die hohen pädagogischen Standards und die erbrachte Bildungsleistung
Früchte tragen verdeutlicht die Studie „Privatschulen in Deutschland, Regulie-
rung – Finanzierung – Wettbewerb“ (IW-Analysen Nr. 25, Köln 2007) des Ins-
tituts für deutsche Wirtschaft Köln. Die Studie belegt eindrucksvoll, dass freie
Schulen eine im Durchschnitt deutlich höheren Bildungserfolg bei Kindern und
Jugendlichen verzeichnen können – und zugleich die staatlichen Ressourcen
schonen. Auch in der „PISA 2003“-Studie finden sich Hinweise dahingehend,
dass freie Schulen häufig Kinder und Jugendliche besser zu fördern in der Lage
sind (PISA 2003, Der zweite Vergleich der Länder in Deutschland – Was wissen
und können Jugendliche?, Münster 2005).

Dabei erhalten die Privatschulen, mit Ausnahme der Förderschulen, durch-
schnittlich einen staatlichen Zuschuss von 3 800 Euro pro Schüler. Für öffentli-
che Schulen wurden dagegen laut amtlichen Berechnungen Pro-Kopf-Ausgaben
von 4 900 Euro getätigt. Insgesamt würde der Fiskus aufgrund der Ungleichbe-
handlung 870 Millionen Euro einsparen, so das Institut für deutsche Wirtschaft
Köln (IW-Analysen Nr. 25, Köln 2007).

Der Umgang mit freien Schulen variiert jedoch von Bundesland zu Bundesland
sehr stark. Einige Bundesländer haben in der Vergangenheit die Rahmenbedin-
gungen für die Ersatzschulen deutlich verbessert, z. B. in dem sie die staatlichen
Zuschüsse erhöht haben oder die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der
Genehmigungsverfahren gelockert haben. Andere Länder haben dagegen die
Bemessungsgrundlage für die Bezuschussung zu Lasten der Schulen in freier
Trägerschaft verändert oder abgesenkt.

Insgesamt ist es aufgrund der sehr heterogenen Ausgangslage problematisch, ei-
nen übergreifenden Einblick in die derzeitige Versorgungslage mit freien Schu-
len und den Rahmenbedingungen unter denen diese arbeiten zu gewinnen. Eine
Gegenüberstellung der Situation, der Handhabungen und der Grundlagen der
Förderung von freien Schulen in den jeweiligen Ländern ist daher dringend ge-
boten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern stellt die Auseinandersetzung mit der Entwicklung und Ausgestal-
tung des „System freie Schulen“ einen Aspekt und wichtigen Bestandteil der
Bildungsforschung dar?

2. Wie hoch ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Bun-
desländern, die eine Schule in freier Trägerschaft (Privatschulen) besuchen?

3. Wie hat sich diese Zahl – je nach Bundesland – in den vergangenen 10 Jahren
entwickelt?

4. Wie unterscheidet sich die Zusammensetzung der Trägerschaft der Privat-
schullandschaft in Blick auf die Bundesländer?

5. Wie stellt sich die Versorgungssituation Deutschlands mit Schulen in freier
Trägerschaft im Vergleich zu anderen Staaten der Europäischen Union dar?
6. Wie verteilen sich bundeslandbezogen die Schülerinnen und Schüler an
Schulen in freier Trägerschaft auf die unterschiedlichen Schularten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6480

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Höhe der
durchschnittlichen Elternbeiträge, die in den jeweiligen Bundesländern er-
hoben werden?

8. Trifft es zu, dass sich die Bemessungsgrundlagen im Zusammenhang mit
der Berechnung der Höhe der öffentlichen Bezuschussung von Schulen in
freier Trägerschaft je nach Bundesland unterscheiden?

9. Welche wesentlichen Unterschiede finden sich, je nach Bundesland, in Hin-
blick auf die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage?

10. Welche Bundesländer orientieren sich im Zusammenhang mit der Bemes-
sungsgrundlage an den Schüler-Kostensätzen (Vollkosten) vergleichbarer
Schulen in öffentlicher Trägerschaft?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, zu welchem Anteil
sich, je nach Bundesland, Schulen in freier Trägerschaft durch staatliche
Fördermittel finanzieren?

12. Wie hoch sind die öffentlichen Fördermittel im Vergleich zu den Kosten, die
eine ähnliche Schule in öffentlicher Trägerschaft verursacht, je nach Bun-
desland?

13. Welche Auswirkung hat die Höhe der staatlichen Fördermittel und Zuschüs-
se auf die Belastung der Eltern durch das zu entrichtende Schulgeld?

14. Inwiefern sind Schulkosten und -beiträge von der Einkommenssteuer ab-
setzbar?

15. Welche Maßnahmen haben die Bundesländer getroffen, um die Gründung,
Genehmigung und den Betrieb von Schulen in freier Trägerschaft zu för-
dern?

16. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung dem Wirken der freien Schu-
len in Deutschland bei, und wie verleiht sie dieser Haltung Ausdruck?

Berlin, den 19. September 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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