BT-Drucksache 16/6362

Ausnutzung von Arbeitslosen in Unternehmens-Praktika

Vom 12. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6362
16. Wahlperiode 12. 09. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Markus
Kurth, Anna Lührmann, Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausnutzung von Arbeitslosen in Unternehmenspraktika

Im Rahmen der Arbeitsförderung der Sozialgesetzbücher II und III (SGB II
und III) können Arbeitslose in so genannte Eignungsfeststellungen und Trai-
ningsmaßnahmen in Betriebe vermittelt werden. Damit sollen ihre Kenntnisse
und Fähigkeiten, Leistungsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeit ermittelt
werden. Für die Maßnahmen sind Zeiträume von zwei bis acht Wochen vorge-
sehen, insgesamt dürfen sie nicht länger als zwölf Wochen dauern. Die Maß-
nahme ist für die Praktika-Unternehmen in der Regel kostenfrei. Die Maßnah-
meteilnehmer beziehen währenddessen Arbeitslosengeld, können aber Fahrt-
und Kinderbetreuungskosten geltend machen. Lehnen Arbeitsuchende die
Maßnahmen ab oder beenden sie sie vorzeitig, drohen ihnen Leistungskürzun-
gen von 30 Prozent.

Nach einem Bericht des Fernsehmagazins „Report Mainz“ vom 27. August
2007 kommt es immer wieder zur missbräuchlichen Ausnutzung vor allem von
Trainingsmaßnahmen. In den darin genannten Beispielen aus Görlitz, Düren
und Osnabrück kam es zu erheblichen Überschreitungen der maximalen Prakti-
kumsdauer, falschen Versprechungen über anschließende Festeinstellungen,
ungerechtfertigten Leistungskürzungen und massenhaften Vermittlungen von
Praktikantinnen und Praktikanten an einzelne Unternehmen, die dadurch offen-
sichtlich reguläres Personal ersetzten. Nach Angaben von ver.di gibt es Betriebe,
in denen weit mehr als 10 Prozent der Beschäftigten im Rahmen von Praktika
eingesetzt würden. In der Fernsehsendung „Fakt“ vom 3. September 2007 wurde
über ein weiteres Beispiel aus der Region Leipzig berichtet, in dem ein Unter-
nehmen offensichtlich regelmäßig die kostenlose Arbeitsleistung von Praktikan-
ten einkalkulierte.

Gegenüber „Report Mainz“ war die Bundesregierung zu keiner Stellungnahme
über die missbräuchliche Nutzung von Unternehmenspraktika bereit. Zwischen-
zeitlich hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) Mitnahmeeffekte im Unterneh-
merlager zugegeben und Gegenmaßnahmen angekündigt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Eignungsfeststellungen und Trainingsmaßnahmen nach §§ 48
bis 52 SGB III wurden in den Jahren 2006 und 2007 (bis einschließlich
August 2007) durchgeführt?

2. Wie lange dauerten die Maßnahmen im Schnitt, in wie vielen Fällen und wie
lange wurde bei Trainingsmaßnahmen die maximale Dauer von zwölf
Wochen überschritten?

Drucksache 16/6362 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. In welchen Agenturen, ARGEn (Arbeitsgemeinschaften) und Optionskom-
munen kam es zu einer Überschreitung der maximalen Maßnahmedauer,
und in welcher Häufigkeit und Länge?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die häufige Überschreitung der Förde-
rungshöchstdauer, obwohl § 49 SGB III keinerlei Ermessenspielraum für
die Ausdehnung der Förderdauer vorsieht?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Eingliederungs-
erfolge von Eignungsfeststellungen und Trainingsmaßnahmen in Form von
Praktika vor?

6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von Missbrauch bei Eignungs-
feststellungen und Trainingsmaßnahmen im Sinne von Mitnahmeeffekten
und Substitution von regulären Arbeitsplätzen durch immer neue Praktikan-
ten?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die in den Medien dokumentierten Fälle
von Missbrauch im Zusammenhang mit Eignungsfeststellungen und Trai-
ningsmaßnahmen?

8. Welche Unternehmen sind der Bundesregierung bekannt, in deren Betrieben
auffällig häufig und/oder auffällig viele Praktikantinnen und Praktikanten
arbeiteten, ohne dass sich daraus Festeinstellungen entwickelten?

9. Plant die Bundesregierung Maßnahmen gegen Unternehmen, die durch die
missbräuchliche Nutzung von Praktikantinnen und Praktikanten aufgefallen
sind, und wenn ja, welcher Art?

Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für erforderlich, um den
Missbrauch von Unternehmenspraktika, insbesondere wenn sie zum Ersatz
regulärer Arbeitsverhältnisse genutzt werden, zukünftig zu verhindern, und
bis wann will sie die Umsetzung dieser Maßnahmen sicherstellen?

Berlin, den 12. September 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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