BT-Drucksache 16/6277

Pläne zur Einführung eines Familiensplittings

Vom 27. August 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6277
16. Wahlperiode 27. 08. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Dr. Barbara Höll, Klaus Ernst,
Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Elke Reinke und der Fraktion DIE LINKE.

Pläne zur Einführung eines Familiensplittings

Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula
von der Leyen, hat sich in Zeitungsberichten (u. a. Frankfurter Rundschau,
13. Januar 2007, S. 3.) und während einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am 22. Januar 2007 in Berlin zu den Plä-
nen der Umwandlung des Ehegattensplittings in ein Familiensplitting bekannt.
Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von
der Leyen, begründet ihre Position auch mit der im Dezember 2006 angelaufe-
nen Evaluation der Familienleistungen durch das Kompetenzzentrum für Fami-
lienleistungen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) und kündigte an, das BMFSFJ werde noch 2007 einen Vor-
schlag für eine Erweiterung des Ehegattensplittings vorlegen (Frankfurter Rund-
schau, 13. Januar 2007, S. 3).

Gegen die Einführung eines Familiensplittings haben sich diverse politische Ak-
teure ausgesprochen. Kritisiert wird das Familiensplitting besonders wegen sei-
ner Verteilungswirkungen: Während Familien mit niedrigem oder durchschnitt-
lichem Einkommen gegenüber dem Status Quo kaum profitieren werden,
können Gutverdienende mit mehreren Kindern mit einer deutlichen Entlastung
rechnen. Dies belegt unter anderem eine Studie des DIW – Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung – Berlin (Steiner/Wrohlich: Introducing Family Tax
Splitting in Germany: How Would It Affect the Income Distribution and Work
Incentives?, DIW Berlin, August 2006), aber auch ältere Studien. Die Bundes-
ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wandte gegen diese Beden-
ken ein, eine Prognose der Verteilungswirkungen sei noch nicht möglich, weil
das BMFSFJ noch kein konkretes Modell vorgelegt habe (FINANCIAL TIMES
DEUTSCHLAND, 29. Januar 2007). Außerdem sei nach einer aktuellen Um-
frage die Zustimmung aus der Bevölkerung zu einem Familiensplitting sehr
hoch (Die Welt, 7. Februar 2007). Gering ist die Zustimmung stattdessen bei den
Fachverbänden der Familien-, Kinder- & Jugend- sowie Gleichstellungspolitik,
welche in einem gemeinsamen Aufruf vom 15. Mai 2007 eine Politik fordern,
die alle Kinder fördert (Frankfurter Rundschau, 15. Mai 2007).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Plant die Bundesregierung eine Reform des Ehegattensplittings in dieser
Legislaturperiode bzw. waren die Vorschläge der Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits Gegenstand der Debatte in der
Bundesregierung?

Wenn ja, welcher Art sollen die Reformen sein?

Drucksache 16/6277 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Welches Modell der Familienbesteuerung wird von der Bundesregierung
bzw. im Auftrag der Bundesregierung aktuell geprüft: ein Familientarif-
splitting nach französischem Vorbild, ein Familienrealsplitting oder beide
bzw. andere Varianten?

3. Welche Rolle spielen Kindergeld, Kinderfreibetrag und Ehegattensplitting
für die geprüften Modelle?

4. Welche konkreten Verbesserungen für Familien mit Kindern bestehen bei
einem Übergang zu einem Familiensplitting im Vergleich zum bestehenden
Ehegattensplitting?

5. Welche Studien sind der Bundesregierung bekannt, die die Auswirkungen
der Einführung eines Familiensplittings nach französischem Vorbild oder
eines ähnlichen Modells in Deutschland untersuchen?

Welche Folgen für die Steuerbelastung von Familien verschiedener Ein-
kommenshöhen und -konstellationen und für die Arbeitsangebote von
Frauen und Müttern werden darin prognostiziert?

6. Welche Folgen hätte die Einführung eines Familiensplittings in den von
der Bundesregierung derzeit geprüften Konstellationen auf die steuerliche
Belastung von Familien mit einem jeweiligen jährlichen Haushaltseinkom-
men in Höhe von 25 000 Euro, 35 000 Euro, 45 000 Euro, 60 000 Euro,
75 000 Euro, 100 000 Euro, 150 000 Euro und 200 000 Euro, zu dem beide
Partner im Verhältnis 100 : 0, 80 : 20, 70 : 30, 50 : 50 beitragen, sowie Fa-
milien Alleinerziehender, jeweils mit 1, 2, 3, 4 oder mehr Kindern (gegen-
über der Steuerbelastung im Jahr 2005)?

7. Welche Folgen haben die derzeit von der Bundesregierung geprüften Mo-
delle zur Einführung eines Familiensplittings hinsichtlich der Auswirkun-
gen auf die Arbeitsangebote von Frauen und Müttern?

8. Wie wirkt sich voraussichtlich die Einführung eines Familiensplittings auf
das Steueraufkommen aus (insbesondere wenn die in der Union diskutierte
Variante einer Beibehaltung des Ehegattensplittings für Eheleute und die
Ergänzung einer Kinderkomponente mit

a) einem Faktor von 0,5 pro Kind,

b) dem französischen Modell mit einem steigenden Faktor ab dem 2. Kind,

c) anderen von der Bundesregierung derzeit geprüften Modellen,

d) einem Familiensplitting mit Faktor 1 für jedes Familienmitglied, wobei
der Faktor für die Kinder den Kinderfreibetrag ersetzt,

eingeführt wird)?

9. Fördert die Bundesregierung derzeit Untersuchungen, welche Alternativ-
modelle zu Ehe- und Familiensplitting, insbesondere eine Individualisie-
rung des Einkommensteuerrechts (ggf. mit übertragbaren Freibeträgen für
Unterhaltsleistungen), prüfen?

Sind diese Reformalternativen Gegenstand der Prüfung durch das Kompe-
tenzzentrum für Familienleistungen?

10. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Auswirkungen der Bei-
behaltung des derzeitigen Ehegattensplittings auf das Steuereinkommen in
den nächsten Jahren vor?

Wenn ja, wie sehen diese Prognosen aus?

11. Wie wirkt sich eine Reform des Einkommensteuertarifs, nach folgenden
Maßgaben, aus:

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6277

a) der Eingangssteuersatz liegt bei 15 Prozent (steuerfreies Existenzmini-
mum wie aktuell),

b) der Spitzensteuersatz beträgt 50 Prozent und setzt bei einem zu versteu-
erndem Einkommen in Höhe von 60 000 Euro ein,

c) der Tarifverlauf ist durchgehend linear progressiv auf die steuerliche
Belastung von Ehepaaren mit einem jeweiligen jährlichen Haushalts-
einkommen in Höhe von 25 000 Euro, 35 000 Euro, 45 000 Euro,
60 000 Euro, 75 000 Euro, 100 000 Euro, 150 000 Euro und 200 000
Euro zu dem beide Partner im Verhältnis 100 : 0, 80 : 20, 70 : 30, 50 : 50
beitragen?

12. Wie wirkt sich die Ersetzung des Splittingtarifs durch eine Regelung, die
die Übertragung des nicht durch eigenes Einkommen ausgenutzten Grund-
freibetrages ermöglicht, auf die steuerliche Belastung von Ehepaaren mit
einem jeweiligen jährlichen Haushaltseinkommen in Höhe von 25 000
Euro, 35 000 Euro, 45 000 Euro, 60 000 Euro, 75 000 Euro, 100 000 Euro,
150 000 Euro und 200 000 Euro, zu dem beide Partner im Verhältnis
100 : 0, 80 : 20, 70 : 30, 50 : 50 beitragen, aus, wenn der Einkommen-
steuertarif nach den Maßgaben der Frage 8, bei einem steuerfreien Exis-
tenzminimum in Höhe von 8 000 Euro, reformiert wird?

13. Wie wirkt sich die Ersetzung des Splittingtarifs durch eine Regelung, die
die Übertragung des nicht durch eigenes Einkommen ausgenutzten Grund-
freibetrages ermöglicht, auf die steuerliche Belastung von Ehepaaren mit
einem jeweiligen jährlichen Haushaltseinkommen in Höhe von 25 000
Euro, 35 000 Euro, 45 000 Euro, 60 000 Euro, 75 000 Euro, 100 000 Euro,
150 000 Euro und 200 000 Euro, zu dem beide Partner im Verhältnis
100 : 0, 80 : 20, 70 : 30, 50 : 50 beitragen, aus, wenn der Einkommen-
steuertarif nach den Maßgaben der Frage 8, jedoch bei einem steuerfreien
Existenzminimum von jeweils 8 500 Euro, 9 000 Euro, 9 500 Euro sowie
10 000 Euro reformiert wird?

14. Wie wirkt sich die Ersetzung des Splittingtarifs durch eine Regelung, die
die Übertragung des nicht durch eigenes Einkommen ausgenutzten Grund-
freibetrages ermöglicht, auf die steuerliche Belastung von Ehepaaren mit
einem, zwei und drei Kindern und einem jeweiligen jährlichen Haushalts-
einkommen in Höhe von 25 000 Euro, 35 000 Euro, 45 000 Euro, 60 000
Euro, 75 000 Euro, 100 000 Euro, 150 000 Euro und 200 000 Euro, zu dem
beide Partner im Verhältnis 100 : 0, 80 : 20, 70 : 30, 50 : 50 beitragen, aus,
wenn der Einkommensteuertarif nach den Maßgaben der Frage 8, bei einem
steuerfreien Existenzminimum von jeweils 8 500 Euro, 9 000 Euro, 9 500
Euro sowie 10 000 Euro reformiert und das Kindergeld auf 250 Euro
monatlich erhöht wird?

Berlin, den 23. August 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.