BT-Drucksache 16/6084

Zunahme von Krankenhausinfektionen

Vom 13. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6084
16. Wahlperiode 13. 07. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Katja Kipping
und der Fraktion DIE LINKE.

Zunahme von Krankenhausinfektionen

Nach der aktuellen REDIA-Studie (s. Ärzteblatt vom 6. April 2007), die im Auf-
trag der Deutschen Rentenversicherung erstellt wurde, ist das Problem der mul-
tiresistenten Keime in Krankenhäusern auch gerade im Zusammenhang mit der
Umstellung auf Fallpauschalenfinanzierung in der Rehabilitation angekommen.
Seit der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. vom 30. Oktober 2006 (Drucksache 16/3205) zum Thema
„Krankenhausinfektionen“ gibt es keine Anzeichen, dass dieses Problem wirk-
sam angegangen würde. Im Gegenteil:

Das Problem scheint sich zu verschlimmern. Ein Artikel im Nachrichten-
magazin „Der Spiegel“ (09/2007) spricht von dramatischen Folgen für die Pa-
tienten. Konkret ist die Rede von 700 bis 1 500 Todesopfern pro Jahr und von
Tausenden schweren Krankheitsverläufen und Siechtum. Insgesamt ist nach die-
sen Angaben von 40 000 bis 50 000 Infektionen jedes Jahr auszugehen. Das
Robert Koch-Institut (RKI) spricht von einem „infektiologischen Problem
höchsten Ranges“.

Die Europäische Vergleichsstudie EARSS (http://www.rivm.nl/earss/Images/
EARSS%202005_tcm61-34899.pdf) zeigt für Deutschland im Zeitraum 1999
bis 2005 mit die höchsten Steigerungsraten unter 30 Staaten. Die Infektionsrate
hat sich in diesem Zeitraum in deutschen Krankenhäusern von weniger als
10 Prozent auf über 20 Prozent erhöht.

Die Bundesregierung verwies in ihrer Antwort richtigerweise auf bestehende
Präventionsrichtlinien, deren Befolgung sie für angezeigt hält. Als Muster-
beispiel hierfür gelten die Niederlande und Skandinavische Länder, in denen die
Infektionsraten etwa 10 Prozent der deutschen betragen.

Nach Informationen des „Spiegel“ können sich die Klinikchefs über diese
Präventionsrichtlinien hinwegsetzen. Sogar von Schikanen gegenüber denje-
nigen Häusern, die die Richtlinien konsequent umsetzen, ist in dem o. g. „Spie-
gel“-Artikel die Rede. Oft wird nach diesen Informationen bei Verlegungen in
andere Häuser eine bekannte bestehende Infektion verschwiegen.

Eine Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene besagt,

dass pro Jahr in Deutschland 350 000 bis 1 Million Fälle von nosokomialen, also
im Krankenhaus erworbenen, Infektionen auftreten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was hat die Bundesregierung seit der o. g. Kleinen Anfrage unternommen?

Drucksache 16/6084 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Mit welchen Maßnahmen lassen sich Erfolge in der Bekämpfung der Aus-
breitung von MRSA und anderen nosokomialen Infektionen in Kranken-
häusern erzielen?

3. Welches ist die wichtigste und effizienteste Präventionsmaßnahme?

4. Welche Anstrengungen werden unternommen, die Häufigkeit dieser Maß-
nahme(n) in Krankenhäusern zu erheben und Schlussfolgerungen daraus zu
ziehen?

5. Gibt es in den Niederlanden, die als Musterbeispiel gelten und deren Erfolge
die Bundesregierung in der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom
30. Oktober 2006 anerkennt, eine Verpflichtung der Krankenhäuser, Richt-
linien gegen MRSA-Ausbreitung konsequent umzusetzen, und gibt es dort
bei Nichteinhaltung auch entsprechende wirkungsvolle Sanktionierungs-
mechanismen?

6. Woran liegt es, dass in den Niederlanden weniger Infektionen auftreten als
in Deutschland?

7. Wie haben sich die Infektionsraten seit 1990 in den deutschen Kranken-
häusern, nach Jahren, Abteilungen und Keimarten aufgeschlüsselt, ent-
wickelt, und was sind die Schlussfolgerungen, die die Bundesregierung
daraus zieht?

8. Weshalb gibt es keinen Vermerk „tödlich verlaufende Infektion infolge von
MRSA (oder anderer noskomialer Infektion)“ oder auch einen Verweis auf
das Vorliegen von MRSA (oder anderer mutmaßlich noskomialer Infek-
tionen) zum Todeszeitpunkt auf deutschen Totenscheinen, wie er auch in
Großbritannien existiert, und ließe sich damit die schlechte Datengrundlage
und das Problembewusstsein verbessern?

9. Wäre ein Kapitel in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser, ein stets
aktualisierter Aushang im Krankenhausfoyer, oder eine andere Maßnahme,
die die Patienten über Infektionen in den einzelnen Häusern informiert, ein
geeignetes Mittel der Patientenaufklärung und gleichzeitig ein Anreiz für
die Kliniken, wirkungsvolle Maßnahmen gegen MRSA zu ergreifen?

10. Wäre eine breite Dokumentation der Desinfektion, z. B. auch über den Des-
infektionsmittelverbrauch im Allgemeinen und den Händedesinfektions-
mittelverbrauch im speziellen pro Patient, Tag und Mitarbeiter und die
obligatorische Kommunikation nach außen ggf. in den Qualitätsberichten
der Krankenhäuser oder per stets aktualisiertem Aushang im Krankenhaus-
foyer nach Ansicht der Bundesregierung ein sinnvolles Mittel, das Problem-
bewusstsein in den Krankenhäusern zu schärfen?

11. Wie kann bei steigenden Infektionszahlen einer möglichen Ausgrenzung
und Stigmatisierung von Langzeit-MRSA-Trägern entgegengewirkt werden,
und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung?

12. Wäre eine Meldepflicht für MRSA, wie sie in Irland besteht und in Deutsch-
land für viele Infektionskrankheiten üblich ist, ein geeignetes Mittel, die Er-
krankungen genauer zu erfassen und sie besser bekämpfen zu können?

13. Wäre es sinnvoll, die RKI-Empfehlungen als obligatorische Richtlinie mit
Sanktionierungsmechanismus auszugestalten?

Berlin, den 11. Juli 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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