BT-Drucksache 16/60

Abrissmoratorium für den Palast der Republik

Vom 8. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/60
16. Wahlperiode 08. 11. 2005

Antrag
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Anna Lührmann, Volker Beck (Köln),
Renate Künast, Undine Kurth (Quedlinburg), Claudia Roth (Augsburg),
Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Abrissmoratorium für den Palast der Republik

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Juli 2002 den Bericht der Internationalen Ex-
pertenkommission „Historische Mitte Berlin“ zur Kenntnis genommen und das
von der Kommission vorgeschlagene Nutzungskonzept für das Areal des ehema-
ligen Berliner Schlosses befürwortet. Auch in der Frage der architektonischen
Gestaltung hat sich der Deutsche Bundestag der Expertenkommission ange-
schlossen. Er hat deshalb eine Überprüfung der Konzepte, der Bauvolumina, des
Flächenbedarfes auf ihre Angemessenheit hin gefordert und eine Klärung der
künftigen Trägerschaft verlangt (Bundestagsdrucksache 14/9660). Er hat die
Bundesregierung aufgefordert, Vorschläge zu einer privat-öffentlichen Finanzie-
rung auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Alternativen zu
entwickeln.

Die in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie liegt inzwischen vor, hat aber deut-
lich gemacht, das die Empfehlung der Internationalen Expertenkommission in
wesentlichen Teilen nicht realisierbar ist: Das Programm des Humboldtforums
müsste halbiert und 60 Prozent aller Nutzungen außerhalb des Schlossnachbaus
untergebracht werden – Humboldtforum und Schlossnachbau sind kaum mitein-
ander vereinbar. Jegliche Beteiligung von Privaten – ob als Nutzer oder Investo-
ren – entlastet die öffentliche Hand nicht finanziell, sondern birgt allenfalls zu-
sätzliche Risiken. Die Belastung für die öffentliche Hand, verteilt über 30 Jahre
(900 bis 1 200 Mio. Euro), entsprechen in etwa der Summe, die der Bund für den
Umbau der gesamten von der Schrumpfung gezeichneten Städte in Ostdeutsch-
land von 2002 bis 2009 auszugeben bereit ist. Das Gebäude wäre mit Abstand
das teuerste öffentliche Bauwerk jemals in Berlin.

Die Realisierung des Schlossneubaues ist heute unsicherer als je zuvor. Es gibt
bis heute weder einen Bauherren, noch ein belastbares und konkretisiertes Nut-
zungskonzept, weder eine Finanzierung, noch einen architektonischen Entwurf,
nicht einmal einen gangbaren Realisierungspfad. Ein Baubeginn wird nicht vor

2012 zu realisieren sein.

Ohne gesicherte Planung für die zukünftige Gestaltung ist ein Abriss des ver-
bliebenen Kerngebäudes des Palastes der Republik in mehrfacher Hinsicht pro-
blematisch:

● Ohne konkrete und zu realisierende Planung für eine Neugestaltung droht mit
dem Abriss des Palastgebäudes eine leere, zugige Brache, wie sie nach dem

Drucksache 16/60 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Schlossabriss durch Walter Ulbricht 23 Jahre lang bestand. Die Mehrheit der
Berlinerinnen und Berliner – hierunter auch Schlossbefürworter – sprechen
sich deshalb dafür aus, den Palast bis zum Neubau des Schlosses stehen zu
lassen (Emnid Umfrage Januar 2005, siehe Welt 31. Januar 2005) und keine
Grünfläche als Zwischenlösung anzulegen.

● Das Gutachten macht deutlich, dass Abrissplanung, Neuplanung des künfti-
gen Gebäudes und Streckenplanung der U-Bahn U5 in integrierter Form er-
folgen müssen, weil in erheblichem Umfang Steuergelder eingespart werden
können, wenn man im Rahmen einer integrierten Planung Synergieeffekte
positiv nutzt (Bulwien-Gutachten, Pkt. 4.1.2., S. 38).

● Darüber hinaus macht das Gutachten einen Neubauvorschlag für den Ostab-
schluss des künftigen „Schlossgebäudes“, der im Wesentlichen dem Grund-
riss des Palastes bzw. der östlichen Hälfte des Palastes folgt. Dies entspricht
auch einigen bisherigen Vorschlägen, die ebenfalls als östlichen Abschluss
Teile des „Palastes“ vorsehen. Ein Abriss oder Teilabriss des Palastes heute,
um in einigen Jahren einen ganz ähnlichen Baukörper an die gleiche Stelle zu
setzen, ist insbesondere im Zusammenhang mit den vom Gutachten deutlich
gemachten Gründungsproblemen finanziell nicht zu verantworten.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Palast der Republik nicht abzureißen, solange nicht eine realistische und
durchführbare Neubebauung des Schlossplatzes planerisch konkretisiert und
von den notwendigen politischen Gremien beschlossen worden ist;

2. bis dahin das Gebäude und die für den Abriss eingeplanten Mittel einem ver-
trauenswürdigen kulturellen Träger zu übergeben, um hier in provisorischer
Form Programmelemente eines ausgearbeiteten, durchdachten und zukunfts-
weisenden Konzepts eines Humboldtforums experimentell zu realisieren, zu
erproben und zu entwickeln;

3. die Planung für die langfristige Neugestaltung zügig voranzutreiben. Nach-
dem bekannt geworden ist, dass der Bundestagsbeschluss vom Juli 2002 nur
mit unerwarteten Einschränkungen und Schwierigkeiten in Hinsicht auf Nut-
zung, Baukörper und Kosten realisierbar wäre, sind für das Programm des
Humboldtforums andere bauliche Varianten als die vom Deutschen Bundes-
tag empfohlene in Hinsicht auf ihre jeweiligen Vor- und Nachteile zu prüfen.

Berlin, den 8. November 2005

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Antrag
Abrissmoratorium für den Palast der Republik

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