BT-Drucksache 16/596

Datenweitergabe und Score- und Rating-Verfahren

Vom 8. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/596
16. Wahlperiode 08. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Gold-
mann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald
Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max
Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Datenweitergabe und Score- und Rating-Verfahren

Bei den so genannten Score- und Rating-Verfahren handelt es sich um Verfah-
ren, die auf mathematisch-statistischer Grundlage Bewertungen wie beispiels-
weise Risikoklassen bilden, denen die Betroffenen, zumeist mögliche Kunden,
zugeordnet werden. Rechtmäßig erworbene Einzeldaten zu einzelnen Personen
werden dazu miteinander verbunden und in Form einer Punktzahl einer Gesamt-
bewertung zugeführt. Diese Zahl lässt sodann eine Einordnung unter einen zu-
vor bestimmten Zweck zu, so kann sie beispielsweise auf einer Skala die Risi-
koklasse des potentiellen Kunden wiedergeben. Dieses Verfahren wird in der
Praxis zunehmend zur Beurteilung von Risikoklassen für die Entscheidung über
zivilrechtliche Geschäftsabschlüsse gewählt. Dieser so gewonnene Wert ist
nicht vom Schutzbereich des Bundesdatenschutzgesetztes umfasst und damit
frei verwendbar und kann rechtlich unangreifbar anderen Personen zur Verfü-
gung gestellt werden. Die Datengrundlagen des Score-Wertes, welche in den
Schutzbereich des Bundesdatenschutzgesetzes fallen, werden oftmals nach Er-
stellung des Score-Wertes wieder gelöscht. Das Score- und Rating-Verfahren
betrifft das öffentliche Erscheinungsbild des Betroffenen, welches im Zusam-
menhang mit dem in Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützten Persön-
lichkeitsrecht grundrechtsrelevant ist. Mit Hilfe des Score-Wertes werden für
das Leben des Betroffenen einschneidende Entscheidungen wie z. B. über die
Kreditwürdigkeit des Betroffenen gefällt. Freiwillig werden in der Regel keine
Auskünfte über die der Bewertung zugrunde liegenden Daten erteilt. So lehnt

z. B. die SCHUFA eine Auskunft über die Grundlagen ihrer Bewertung der
Kreditwürdigkeit von Personen ab, wobei die Datengrundlage der SCHUFA
auch Daten ohne eigene Bonitätsaussage wie z. B. Geschlecht, Wohnort, Wohn-
umfeld, Anzahl der Umzüge etc. umfasst.

Drucksache 16/596 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung den augenblicklichen Informationsstand
der Öffentlichkeit zu den Rechten der Einzelnen in Bezug auf das individu-
elle Recht auf die Gewalt über das eigene öffentliche Erscheinungsbild?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung das Problembewusstsein der für den Um-
gang mit persönlichen Daten Verantwortlichen in Bezug auf das individuel-
le Recht der Betroffenen auf die Gewalt über ihr öffentliches Erscheinungs-
bild?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kenntnislage der von Score- und Ra-
ting-Verfahren Betroffenen in Bezug auf ihr individuelles Recht auf die Ge-
walt über ihr öffentliches Erscheinungsbild und in Bezug auf Ihre recht-
lichen Möglichkeiten hinsichtlich der Verteidigung desselben?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten der Betroffenen, das
eigene öffentliche Erscheinungsbild angesichts des Score- und Rating-Ver-
fahrens zu bestimmen?

5. Hält die Bundesregierung eine Auskunft über die bei der Erstellung des
Score-Wertes berücksichtigten Daten und Merkmale, deren Gewichtung bei
der Berechnung des Score-Wertes und über den Score-Wert selbst zur
Durchsetzung des individuellen Persönlichkeitsrecht für ausreichend?

6. Sind die datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche und deren praktische
Durchsetzbarkeit in Bezug auf die Datengrundlage des Score- und Rating-
Verfahrens aus Sicht der Bundesregierung zur Durchsetzung des individuel-
len Persönlichkeitsrechts geeignet und ausreichend?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Schutzwürdigkeit des individuellen
Persönlichkeitsrechts der erstens von der unmittelbaren Weitergabe von Da-
ten und zweitens der von der Weitergabe eines Score-Wertes Betroffenen
gegenüber dem Bedürfnis der Wirtschaft, sich Informationen über mögliche
Geschäftspartner zu beschaffen?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung in datenschutzrechtlicher Hinsicht den
Umstand, dass Kreditunternehmen die Möglichkeit haben und gebrauchen,
über das Score- und Rating-Verfahren die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden
auch aufgrund allgemeiner Merkmale wie Geschlecht oder Wohnort mathe-
matisch-statistisch zu bewerten?

9. Welche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt und welche sind zukünftig
geplant, um den Betroffenen die Gewalt über ihr öffentliches Erscheinungs-
bild zu erhalten?

10. Reichen diese Maßnahmen nach Ansicht der Bundesregierung aus, um
Transparenz und die Einhaltung der individuellen Persönlichkeitsrechte der
Betroffenen im Handeln der für den Umgang mit persönlichen Daten Ver-
antwortlichen und der Betroffenen fest zu verankern und dadurch den Be-
troffenen die Gewalt über ihr öffentliches Erscheinungsbild zu erhalten?

Berlin, den 8. Februar 2006

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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