BT-Drucksache 16/5899

Innovationsfähigkeit stärken durch Bildungs- und Forschungsoffensive

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5899
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Antrag
der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Kai Gehring,
Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Krista Sager, Hans-Josef Fell und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Innovationsfähigkeit stärken durch Bildungs- und Forschungsoffensive

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest,

Die technologische Leistungskraft der Bundesrepublik Deutschland ist zwar
hoch, sie ist aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Gezielte staatliche Förde-
rung der Forschungs- und der Bildungspolitik ist nötig, um die Innovationskraft
der Wirtschaft wie auch der Gesellschaft weiterzuentwickeln. Dabei darf es
nicht um eine Innovationsförderung nur um des Neuen willen gehen, sondern
die zentralen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft müssen im Mittel-
punkt stehen: Klimawandel und globale Migration, gesellschaftliche Heteroge-
nität und wirtschaftliche Globalisierung, demografische Herausforderung und
soziale Exklusion, Wohlstandssicherung und die Entwicklung der Wissensge-
sellschaft. Nur wenn der Innovationsbedarf für diese Bereiche erkannt und be-
arbeitet wird, können der gesellschaftliche Zusammenhalt und die wirtschaft-
liche Leistungsfähigkeit nachhaltig gestärkt werden. Um diese beiden Ziele zu
erreichen, müssen alle staatlichen Ebenen gemeinsam handeln. Die zentrale
staatliche Aufgabe zur Förderung der technologischen Leistungsfähigkeit liegt
in der Aus- und Weiterbildung der Bevölkerung. Noch immer fehlt aber die von
der Bundesregierung angekündigte umfassende Strategie zur Qualifizierung an
Schulen und Hochschulen und in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, die
den Anforderungen an die Wissensgesellschaft gerecht wird. Die bisher von der
Bundesregierung vorgelegten Ansätze wie der unterfinanzierte Hochschulpakt,
das zu einseitige Bildungssparen und der dürre Ausbildungspakt reichen nicht
aus.

Gleichzeitig müssen angesichts des demografischen Wandels auch die Zuwan-
derung gerade für Höherqualifizierte und das Bleiberecht für ausländische Ab-
solventinnen und Absolventen deutscher Hochschulen erleichtert werden. Die
aufeinander aufbauenden Entwicklungsschritte von der Bildung und Ausbil-
dung bis hin zur Forschung und Entwicklung vertragen keinen föderalen Kom-
petenzstreit. Alle staatlichen Ebenen müssen deswegen zielgerichtet kooperie-
ren. Aber auch die Wirtschaft muss mehr Engagement in Ausbildung und For-

schung zeigen, mehr in Menschen investieren und mehr Ideen entwickeln, wie
z. B. auch die Kompetenzen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bes-
ser und länger nützlich sein können. Die derzeitige Debatte über die Gründe des
Fachkräftemangels und seine Behebung zeigen, wie stark sich der Fachkräfte-
mangel gerade in den innovativen Branchen schon bemerkbar macht.

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Dazu trägt auch der Mangel an Frauen gerade in technischen und naturwissen-
schaftlichen Ausbildungsgängen und Berufen bei. Dem Bericht zur technolo-
gischen Leistungsfähigkeit zufolge ist der Anteil von Frauen an der gesamten
wissenschaftlichen Forschung, egal ob öffentlich oder privat finanziert, im inter-
nationalen Vergleich extrem niedrig. Auch der Blick an die Spitze zeigt, dass der
Frauenanteil bei den Professuren und in den wissenschaftlichen und forschen-
den Leitungspositionen im inner- wie außeruniversitären Wissenschaftsbereich
im internationalen Vergleich erschreckend gering ist. Hier müssen die öffentlich
finanzierten Forschungseinrichtungen eine Vorbildfunktion übernehmen und
den Frauenanteil auf allen Qualifikationsstufen deutlich steigern.

Eine weitere diagnostizierte Schwäche des deutschen Technologiepotenzials ist
ein Umsetzungsdefizit von der abstrakten Idee aus der Grundlagenforschung
zum marktfähigen Produkt. Diese Lücke kann keine der staatlichen Ebenen
selbst füllen, sondern sie ist eine originäre Aufgabe von Unternehmen. Der Staat
muss allerdings förderliche Rahmenbedingungen setzen. Dazu gehören sowohl
strukturelle Anreize wie etwa zur Kooperation zwischen Wirtschaft und For-
schungseinrichtungen als auch finanzielle Anreize. So hat 2005 die frühere rot-
grüne Bundesregierung aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den „High-
Tech-Gründerfonds“ ins Leben gerufen. Seit seinem Start vor knapp zwei Jahren
hat er 66 Unternehmen mit gut 32 Mio. Euro unterstützt.

Die High-Tech-Strategie der Bundesregierung lässt hingegen zu wünschen
übrig. Der Ansatz der kleinteiligen und rein technologiefixierten Förderung ist
falsch gewählt. Zwar ist es noch zu früh, um seine Wirksamkeit fundiert zu be-
werten, die Zweifel an seiner nachhaltigen Wirksamkeit sind allerdings groß.
Sollten sie sich im Laufe der nächsten Monate erhärten, muss die Bundesregie-
rung umsteuern.

Die jüngsten Schlüsselzahlen der EU-Kommission zu Technologie und Inno-
vation1 zeigen deutlich, dass die Unternehmen innerhalb der EU ihre For-
schungs- und Entwicklungsleistung nicht gesteigert haben und dadurch im inter-
nationalen Vergleich deutlich zurückgefallen sind. Die deutschen Unternehmen
bilden hier leider keine Ausnahme. Wie der Bericht zur technologischen Leis-
tungsfähigkeit zusammenfasst, zehrt die deutsche Wirtschaft noch von ihrem
Vorsprung aus vergangenen Jahrzehnten, fällt aufgrund fehlender Steigerungs-
raten aber von der Spitze langsam auf den Durchschnitt der EU-Staaten zurück.

Das gelungene Zusammenspiel von direkter Forschungsförderung und der Ge-
staltung der Unternehmensbesteuerung gilt international mittlerweile als ent-
scheidender Faktor für die Forschungsintensität in einem Land. Dabei kann es
allerdings nicht um die unspezifische steuerliche Förderung aller Forschungs-
und Entwicklungsaktivitäten in Deutschland gehen. Zwar sollten diese allgemei-
nen Bedingungen nicht schlechter gestaltet werden als bisher. Eine zusätzliche
Förderung durch öffentliche Mittel sollte jedoch weiterhin davon abhängig ge-
macht werden, ob entweder das Forschungsthema oder die Art des Forschungs-
projektes oder die Größe des Unternehmens solche Begünstigungen rechtfertigt.
Die derzeitigen Bemühungen der Bundesregierung weisen in die falsche Rich-
tung. Die Reform der Unternehmensteuer wird dazu führen, dass Unternehmen
aus Furcht vor der Besteuerung von möglichen zukünftigen Gewinnen ihre For-
schungs- und Entwicklungsabteilungen ins Ausland verlegen werden.

Durch die Unternehmensteuerreform 2008 werden Beteiligungsfinanzierungen
dahingehend benachteiligt, dass durch die Abgeltungsteuer der Gewinn fast
doppelt so hoch besteuert werden wird wie Zinsen. Deshalb soll der Abgeltung-
steuersatz für Dividenden und Veräußerungsgewinne halbiert werden, um den
Nachteil von Eigen- gegenüber Fremdkapital abzumildern. Notwendig ist eine
1 Key Figures 2007 on Science, Technology and Innovation, Brüssel, 11. Juni 2007

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Förderung, die davon abhängt, wie stark ein Unternehmen in Forschung und
Entwicklung investiert. Für die Neuen Länder sollte dabei ein eigenständiger
Innovationswettbewerb gestartet werden, der Anreize zum Entwickeln neuer
Finanzierungskonzepte setzt. Der aktuelle Bericht zur Technologischen Leis-
tungsfähigkeit bescheinigt der deutschen Umwelttechnik eine herausragende
Rolle im internationalen Wettbewerb. Gerade für das Wachstumsfeld der er-
neuerbaren Energien zeigt der Bericht stark wachsende Patentanmeldungen, die
den Innovationswettbewerb anregen. Durch ein gezieltes Zusammenspiel von
Forschungs- und Energiepolitik hatte die rot-grüne Bundesregierung die Her-
ausforderungen des Klimawandels frühzeitig erkannt und die Grundlage für ein
hohes Innovationspotenzial in diesem zentralen Technologiefeld gelegt. Dass
nun auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau ein Konzept zum
Forschungsschwerpunkt Erneuerbare Energien vorlegt, zeigt, dass die Notwen-
digkeit und das Potenzial dieser Energien überzeugt haben. Hier muss die Bun-
desregierung einen Forschungsschwerpunkt setzen.

In der Mobilitätsforschung zeigen sich hingegen noch große Forschungslücken.
Gerade erst hat eine Studie zu „Car Innovation 2015“ dargelegt, dass z. B. die
Automobilindustrie einen Großteil ihrer Forschungsgelder für die Lösung fal-
scher Fragen aufwendet. Die quantitativ hohe Forschungsleistung in diesem Be-
reich zeigt keine qualitativen Innovationserfolge. Die Forschungsergebnisse der
letzten Jahre bzw. Jahrzehnte tragen nicht dazu bei, die derzeitige Nachfrage
nach verbrauchsarmen und sicheren Automobilen befriedigen zu können. Es
zeigt sich, wie notwendig qualitative Ansätze in der Forschungsförderung sind.
Hier muss durch die staatliche Forschungsförderung eine nutzungsorientierte
Begleitforschung gestärkt werden, die im Rahmen einer allgemeinen Mobilitäts-
forschung verstärkt auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer achtet.
Auch Fragen der Verkehrsvermeidung und der Entwicklung emissionsfreier
Transporttechnologien müssen stärker bearbeitet werden. So wird zum Beispiel
im Schiffsverkehr hauptsächlich hochtoxisches Schweröl (Bunkeröl C) als
Treibstoff verwandt, bei dessen Verbrennung Emissionen entstehen, die Umwelt
und Gesundheit wesentlich stärker belasten als andere Treibstoffe. Neben einem
Verbot von Schweröl sollte die Entwicklung alternativer Treibstoffe und An-
triebssysteme für Schiffe vorangetrieben werden.

Derzeit stellt das Marktanreizprogramm (MAP) das einzige Förderinstrument
der Bundesregierung bei der Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebe-
reich dar. Mit einem Volumen von insgesamt 213 Mio. Euro pro Jahr werden
Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmebereich derzeit ge-
fördert. Dies ist angesichts der Herausforderungen des Klimaschutzes ein Trop-
fen auf den heißen Stein. Solange Stromerzeugung und Mobilität nicht einbezo-
gen werden, wird eine wichtige Chance bei der erforderlichen Potenzialerschlie-
ßung vertan.

Die großen innovativen Potenziale der Biotechnologie liegen im Bereich der
Weißen Biotechnologie. Die Weiße Biotechnologie, die anders als die Agro-
Gentechnik im geschlossenen System stattfindet und somit nicht durch eine
Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen die Umwelt gefährdet,
kann einen wichtigen Beitrag zur Umwelt- und Ressourcenschonung leisten.
Neue Chancen ergeben sich insbesondere für die Chemieindustrie durch den Er-
satz gefährlicher Chemikalien durch gesundheitlich und ökologisch unbedenk-
liche Stoffe, durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe und neuer Bioraffi-
nerie-Technologien. Die Potenziale der Weißen Biotechnologie müssen stärker
als bisher genutzt und gefördert werden, um industrielle Produktionsverfahren
hinsichtlich der Aspekte Umwelt- und Ressourcenschonung zu verbessern und
Innovationen auf diesem Gebiet voranzutreiben.
Die Forschungsförderung muss auch weiterhin die Chancen der Nanotechnolo-
gie gezielt unterstützen. Um die großen Anwendungspotenziale zu stärken,

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muss die Forschung von vornherein die gewissenhafte Risikoabschätzung ent-
halten. Wichtig ist hier neben Schwerpunkten in den Anwendungsbereichen
Medizin und der Informations- und Telekommunikationstechnologie vor allem
auch der deutliche Ausbau der problemlösungsorientierten Forschungen im Um-
weltbereich. Vorrangig zu erforschen sind dabei vielversprechende Anwen-
dungsmöglichkeiten in der Klimaschutztechnologie mit erneuerbaren Energien,
der Chemie mit nachwachsenden Rohstoffen, der Abwasserbehandlung, den
neuen Materialien für Effizienzsteigerungen, dazu Schadstoff vermeidende
Technologien in der Chemie und die gesamte Nanobionik.

In der Entwicklung von Innovationen spielen die Informations- und Kommuni-
kationstechnologien eine zentrale Rolle. Im Vergleich zu den anderen for-
schungsstarken EU-Ländern investiert Deutschland wenig in den Bereich der
Informationstechnologie. Dies schwächt die Entwicklung und den Einsatz wis-
sensintensiver Dienstleistungen. Dies gilt sowohl für Grundlagen, z. B. den Be-
reich des „Open Source“ wie auch für spezielle Anwendungen, z. B. die „Radio-
Frequency-Identification (RFID). Für beides müssen mehr Forschungsmittel zur
Verfügung gestellt werden. „Open Source“ fördert die Innovationsfähigkeit
gerade von KMUs, weil sie auf Basis der offenen Standards leichter passgenaue
IT-Lösungen entwickeln können. Die RFID-Technologie hat große Potenziale
vor allem im Bereich der Optimierung von Produktions- und Logistikabläufen.
Zu wenig Beachtung aber finden die möglichen negativen Auswirkungen des
RFID-Einsatzes, sowohl beim Einsatz als Produktkennung als auch bei der Nut-
zung zur Speicherung persönlicher Daten. Die Gefahren des Missbrauchs von
ausgelesenen Daten und mögliche Sicherheitslücken der RFID-Technologie
müssen genauso beforscht werden wie die Auswirkungen der RFID-Technolo-
gie auf Umwelt und Gesundheit.

Auch im Bereich der Sicherheitsforschung hat die Bundesregierung bisher nur
ein unzureichendes Konzept vorgelegt. Es geht von einem rein technikorientier-
ten Sicherheitsbegriff aus und leistet deswegen weder eine ausreichende Gefah-
renanalyse, noch erfasst es die Bedeutung von Prävention. Dem Programm
fehlen zentrale Aspekte wie der ökologische Gesamtzusammenhang von Klima-
veränderung und Naturkatastrophen, auch Bedrohungen aufgrund von Ressour-
cenknappheit kommen nicht vor. Die geistes- und sozialwissenschaftliche For-
schung wird als reine Begleitforschung zu spät in den Forschungsprozess einbe-
zogen. Die mit der Verbesserung von Sicherheit verbundenen Dienstleistungen
finden trotz der vorgeblichen Marktorientierung des Programms keinen Platz.
Auch die Herausforderung und Fragen, die aus der Konvergenz von Technolo-
gien und der Nähe von bisher zivilen bzw. militärischen Forschungsfragen durch
übergreifende Bedrohungsszenarien resultieren, ignoriert das Forschungspro-
gramm. All diese Problemstellungen sind aber zentral, wenn es darum geht, ein
staatlich angeschobenes Sicherheitsforschungsprogramm zu begründen und zu
gestalten.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat forschungs- und innovationspolitisch
viele Wünsche offengelassen. So konnte z. B. die Einrichtung des „Euro-
päischen Technologieinstitutes“ (EIT) nicht verhindert werden. Es soll nun in
Gestalt eines zusätzlichen Forschungsnetzwerkes geschaffen werden, ohne dass
bisher allerdings die Finanzierung geklärt ist. Der Europäische Forschungsrat
und die gemeinsamen Technologieinitiativen (JTI) haben erst zu Jahresbeginn
ihre Arbeit begonnen. In ihrer Struktur zeigen vor allem die JTIs große Ähnlich-
keit zu den nun als Kern des EIT geplanten Wissens- und Innovationsgemein-
schaften (KICS). Die Schaffung einer solchen Doppelstruktur ist überflüssig
und deswegen abzulehnen.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Strategien zur Verbesserung des Übergangs von Schule zu Beruf zu ent-
wickeln. Dazu müssen vor allem die sogenannten Übergangssysteme so ge-
staltet werden, dass sie direkt an die berufliche Ausbildung anschließen.
Außerdem müssen Aus- und Weiterbildung sinnvoll miteinander verzahnt
werden;

2. den Hochschulpakt so weiterzuentwickeln, dass er die tatsächlichen Kosten
einer ausreichenden Zahl von Studienplätzen auch in teuren Fächern wie
Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Medizin deckt. Außerdem
muss der Pakt über das Jahr 2010 hinaus verbindlich gemacht werden, weil
nur mit einer langfristig sicheren Finanzierungsperspektive an den Hoch-
schulen tatsächlich mehr qualifiziertes Personal eingestellt, mehr Räume
geschaffen und mehr Bücher und PC-Arbeitsplätze angeschafft werden. Zu-
sätzlich zum Hochschulpakt muss die Bundesregierung gemeinsam mit den
Ländern ein Maßnahmenpaket zur Steigerung von Qualität und Attraktivität
des Hochschulstudiums auflegen, um die Zahl der Studienanfängerinnen und
-anfänger sowie Absolventinnen und Absolventen zu erhöhen und die Studien-
abbrecherquote zu senken;

3. eine umfassende Weiterbildungsstrategie vorzulegen, die nicht nur auf die
Mittelschicht ausgerichtet ist, sondern die die Weiterbildungsbeteiligung auch
in bislang weiterbildungsfernen Bevölkerungsgruppen deutlich steigert. Dazu
bedarf es einer unabhängigen, leicht zugänglichen und regional verankerten
Bildungsberatung, Arbeitszeitkonten mit Insolvenzschutz, eines Erwachse-
nenbildungsförderungsgesetzes, um Erwachsene beim Nachholen von Schul-
und Berufsabschlüssen finanziell zu unterstützen, und eines progressiven Bil-
dungssparens, das v. a. bei kleinen Einkommen überproportionale Anreize
setzt;

4. junge Frauen stärker als bisher für technische Ausbildungsgänge und Berufe
zu begeistern und ihr Fortkommen in Wissenschaft und Forschung nachhaltig
zu erleichtern. Dazu muss neben dem geplanten Programm zur Berufung von
200 Nachwuchsforscherinnen auf Professuren in allen Forschungseinrichtun-
gen und Hochschulen das Kaskadenmodell zur Grundlage der Frauenförde-
rung gemacht werden. Demzufolge muss die staatliche Finanzierung zumin-
dest zu einem spürbaren Teil davon abhängig gemacht werden, dass der Frau-
enanteil einer Beschäftigungsgruppe innerhalb einer bestimmten Frist den
aktuellen Frauenanteil der darunter liegenden Qualifikationsstufe erreicht.
Außerdem müssen Frauen in Forschung und Entwicklung stärker ermutigt
werden, eigene Forschungsergebnisse etwa durch Patente und Ausgründun-
gen selbst auch ökonomisch zu verwerten;

5. die Reform des Zuwanderungsrechts sofort grundlegend zu reformieren. Da-
bei muss ein generelles Punktesystem angewendet werden, wie es die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit langem vorgelegt hat. Nachdem die
gerade verabschiedete Novelle des Aufenthaltsrechts in die falsche Richtung
ging, muss durch eine Korrektur sichergestellt werden, dass Studierende
während des Studiums nicht durch den jährlichen Zwang zur Verlängerung
ihrer Aufenthaltsgenehmigung schikaniert oder gar abgeschreckt werden und
dass Absolventinnen und Absolventen deutscher Hochschulen schnell einen
sicheren Aufenthaltsstatus erreichen. Zuzugswillige Ausländerinnen und
Ausländer sollen dann eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie ein Min-
destgehalt in Höhe von 40 000 bis 60 000 Euro beziehen. Forscherinnen und
Forscher müssen weiterhin nach dem unbürokratischen Verfahren der rot-
grünen Reform von 2005 ein Aufenthaltsrecht erhalten. Außerdem muss sich
die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass ein ein-

heitlicher europäischer Forschungsraum entstehen kann. Dazu müssen auf
nationaler Ebene die Arbeitsbedingungen für Forscherinnen und Forscher so

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verbessert werden, dass sowohl die Mobilität zwischen den Mitglied- und
Drittstaaten als auch zwischen den Sektoren erleichtert wird;

6. einen Gesetzentwurf zum Wagniskapital vorzulegen, der innovative Unter-
nehmen steuerlich fördert. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat
deshalb in einem Antrag (Bundestagsdrucksache 16/4758) gefordert, die
steuerliche Förderung zielgenau auf kleine und mittlere Technologie- und
andere hochinnovative Unternehmen zu konzentrieren. So sollen für diese
Unternehmen die Einschränkungen beim sogenannten Mantelkauf sowie
die Mindestgewinnbesteuerung nicht gelten. Auch sollen Beteiligungs-
fonds, die sich an solchen Unternehmen beteiligen, nicht besteuert werden,
dafür soll die Besteuerung voll auf der Ebene der Anteilseigner erfolgen.
Für die Entlohnung der Fondsinitiatoren soll generell das Halbeinkünftever-
fahren beibehalten werden;

7. einen Innovationswettbewerb zur Entwicklung innovativer Finanzierungs-
konzepte für Gründerinnen und Gründer in Ostdeutschland zu starten. Da-
bei sollen die Konzepte mit den größten Fördereffekten unter Berücksichti-
gung zielgruppenspezifischer Besonderheiten eine finanzielle Förderung
erhalten;

8. die Beratung für potenzielle Gründerinnen und Gründer v. a. an Hochschu-
len zu verstärken. Insbesondere in den neuen Bundesländern und in besonders
strukturschwachen Regionen müssen zertifizierte Gründungsberatungsstel-
len an den Hochschulen angesiedelt werden, um Gründungswillige bei der
Markt- und Konkurrenzanalyse zu unterstützen;

9. eine Strategie vorzulegen, wie die Forschungs- und Entwicklungsinvesti-
tionen von Ländern und Wirtschaft so gesteigert werden können, dass sie
ihren notwendigen Anteil zum Erreichen des 3-Prozent-Ziels beitragen. Die
bisherige Ankündigung, die Wirtschaft in die Gespräche zwischen den Wirt-
schaftsministern von Bund und Ländern einzubeziehen, reicht nicht aus;

10. das Marktanreizprogramm zu einem kräftigen Innovationsprogramm umzu-
gestalten, das die Technologien der nächsten Generation zur Marktreife
führt. Es darf nicht allein auf den Wärmebereich beschränkt bleiben, son-
dern muss auch für die Bereiche Stromerzeugung und Mobilität geöffnet
werden, damit auch die Entwicklung nachhaltiger Energiegewinnung und
alternativer Antriebssysteme im gesamten Verkehrs- und Transportbereich,
inklusive des Schiffsverkehrs, gefördert werden kann. Deshalb fordern wir
neben der Umgestaltung u. a. mit Blick auf kleine und mittlere Unterneh-
men eine deutliche Aufstockung des Marktanreizprogramms;

11. die Internetplattform RenKNOW.net zu einer weltweit nutzbaren offenen
Universität für erneuerbare Energien (OPURE) auszubauen;

12. eine Forschungs- und Bildungsoffensive im Bereich erneuerbarer Energien
sowie Energiespartechnologien zu starten. Dazu müssen die Forschungs-
mittel deutlich aufgestockt werden und gemeinsam mit den Ländern eine
Initiative für Professuren in diesem Bereich gestartet werden. Außerdem
bedarf es einer übergreifenden Forschungsstrategie, die auch Materialfor-
schung, Mikrosystemtechnik, optische Technologien, Biotechnologien etc.
umfasst. Im Bildungsbereich müssen Ausbildungsordnungen und Curricula
überarbeitet und angepasst werden;

13. im Rahmen der Förderung der Biotechnologie die Forschungsmittel nicht
für Agro-Gentechnik, sondern für die Weiße Biotechnologie einzusetzen
und damit hochinnovative, Ressourcen schonende und umweltschutzrele-
vante Bereiche zu stärken;
14. dem Deutschen Bundestag den bereits für September 2005 angeforderten
Bericht zur Nanotechnologie (Bundestagsdrucksache 15/3051) nun unver-

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züglich vorzulegen, welche Veränderungen des Rechtsrahmens notwendig
sind, um Gesundheit und Umwelt, aber auch Verbraucherrechte und Privat-
sphäre sowie bioethische Grundsätze vor Verletzungen durch nanotechnolo-
gische Produkte oder Anwendungen wirksam zu schützen. Auf der Basis
des Berichtes muss die Bundesregierung dann baldmöglichst eine Gesamt-
forschungsstrategie zur Nanotechnologie vorlegen, die auch einen Vor-
schlag für ein kontinuierliches und standardisiertes Untersuchungs-, Be-
richts- und Veröffentlichungsverfahren zur Risikoabschätzung und
Begleitforschung enthält. In dieser Strategie sollten darüber hinaus auch
Entwicklungsbereiche wie die Ermittlung von spezifischen Qualifikations-
erfordernissen genauso enthalten sein wie deren Umsetzung und Implemen-
tierung;

15. in der technologischen Forschungsförderung die Einhaltung des Daten-
schutzes bei neuen Technologien wie z. B. RFID zu implementieren, um
den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger und deren Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen und die Akzeptanz der Tech-
nologie zu erhöhen;

16. das Sicherheitsforschungsprogramm so zu überarbeiten, dass es einem
integrierten, interdisziplinären Ansatz folgt, eine Technologiefixierung ver-
meidet und sicherheitsrelevante Fragestellungen und Methoden aus dem
geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschungsbereich sowie aus
anderen wichtigen Bereichen wie z. B. Umwelt, Energie, Verkehr, Verbrau-
cherschutz und Informationstechnologie einbezieht;

17. grundsätzlich in allen Förderprogrammen die Aspekte der Auswirkungen
auf Klima, Umwelt und Gesundheit, demografische und gesellschaftliche
Veränderungen zum Gegenstand der Forschung zu machen.

Berlin, den 4. Juli 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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