BT-Drucksache 16/577

Gegen rechtsstaatsfreie Räume - Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen von Akkreditierungsverfahren bedürfen einer Rechtsgrundlage

Vom 8. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/577
16. Wahlperiode 08. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn),
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg
Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

Gegen rechtsstaatsfreie Räume – Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen
von Akkreditierungsverfahren bedürfen einer Rechtsgrundlage

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Als Vorbeugung vor terroristischen Anschlägen werden die Daten von in sicher-
heitsrelevanten Bereichen beschäftigten und von sonst Zugang benötigenden
Personen (sanitäre Hilfskräfte etc.) auf verdächtige Betätigungen in der Vergan-
genheit untersucht. Im laufenden Jahr werden in Deutschland allein auf Grund
der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Schätzungen der Veranstalter rund
250 000 Menschen Zutritt zu nicht öffentlichen Bereichen der Stadien erhalten
und sich daher einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen. Sie sollen in
einem so genannten Akkreditierungsverfahren auf ihre Zuverlässigkeit über-
prüft werden. Betroffen sind unter anderem Journalisten, Sicherheitspersonal,
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Sanitätsdiensten, Reinigungskräfte
sowie Servicebedienstete aller Art.

An der Zuverlässigkeitsüberprüfung werden staatliche Sicherheitsbehörden be-
teiligt, die ihre Datenbestände zu den betroffenen Personen abgleichen sollen.
Sowohl das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter als auch der Ver-
fassungsschutz sollen ein Votum zu den jeweils betroffenen Personen abgeben.
Den betroffenen Personen wird von den staatlichen Stellen keine Auskunft über
den Inhalt und die Datengrundlage der Voten erteilt.

Zu diesem vorgesehenen Verfahren existiert keine spezielle Rechtsgrundlage,
welche die Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen rechtfertigen
würde. In der Praxis wird dieses Verfahren mit Einwilligungserklärungen ge-
rechtfertigt, wobei die Gefahr besteht, dass die Betroffenen bei der Entschei-

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dung zur Abgabe der Einwilligung auch unter dem Druck des Erhalts ihres
Arbeitsplatzes stehen.

Schon rechtlich sind die Freiwilligkeit und damit die Wirksamkeit einer sol-
chen Einwilligung zweifelhaft. Die freiwillige Einwilligung als Rechtsgrund-
lage wird dem Bedürfnis nach einer differenzierten Regelung der widerstreiten-
den Interessen zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der privaten Veranstalter
von Großereignissen und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen nicht ge-
recht und kann einen eigenen Tatbestand zur Rechtfertigung der Überprüfung
nicht ersetzen. Die rechtliche Zulässigkeit der Überprüfung im Hinblick auf die
Gefahr von Anschlägen bei Großereignissen muss sich an rechtsstaatlichen
Maßstäben und nicht an der möglichen Reichweite von freiwilligen Einwilli-
gungen messen. Um notwendige Überprüfungen auf eine rechtssichere Grund-
lage zu stellen und die Betroffenen vor dem Druck zur Abgabe von uferlosen
Einwilligungserklärungen zu schützen, müssen die Voraussetzungen und die
Reichweite einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unter Beteiligung staatlicher
Sicherheitsbehörden gesetzlich geregelt werden. Die Grundlagen für eine von
privatrechtlichen Organisationen bzw. von Privatpersonen überhaupt begehrte
Zuverlässigkeitsüberprüfung durch staatliche Stellen müssen – wenn möglich
noch im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006, jedenfalls aber für die
Zukunft – einheitlich gesetzlich festgelegt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die
Zuverlässigkeitsüberprüfung in so genannten Akkreditierungsverfahren vor-
zulegen, der hinsichtlich des Umfangs der zuzulassenden Überprüfungs-
maßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt und

2. sicherzustellen, dass Personen, die einem Akkreditierungsverfahren unter-
zogen werden, Auskunft über Ziel, Inhalt, beteiligte Dienststellen und die
Datengrundlage der durchzuführenden Überprüfung erhalten.

Berlin, den 8. Februar 2006

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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