BT-Drucksache 16/5636

a) zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD 16/4620- zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung -16/4298, 16/4571- Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und 1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen b) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/4621- zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung -16/4298, 16/4571- Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und 1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5636
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

a) zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 16/4620 –

zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 16/4298, 16/4571 –

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer
Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter
Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001),
1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und
1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

b) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Birgit
Homburger, Hellmut Königshaus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
– Drucksache 16/4621 –

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 16/4298, 16/4571 –

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer
Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter
Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001),
1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und
1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

A. Problem
Ziel der internatonalen Staatengemeinschaft war und ist es, dafür zu sorgen, dass
von Afghanistan keine terroristische Bedrohung mehr ausgeht. Es gilt, Stabilität
in Afghanistan herzustellen und eine politische Entwicklung voranzutreiben, die
den Menschen Sicherheit und Frieden bringt und einen Rückfall in den früheren
Zustand verhindert. Die Antworten auf die zentralen Herausforderungen in Af-
ghanistan sind ebenso sicherheits- wie entwicklungspolitischer Natur. Deshalb
ist ein ganzheitlicher Ansatz, der viele Arten von Unterstützungsleistungen um-

Drucksache 16/5636 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

fasst, grundsätzlich der richtige Weg. Die Bundesregierung wird u. a. dazu auf-
gefordert, eine Evaluation des bisherigen politischen zivilen und militärischen
Engagements in Afghanistan vorzulegen, das erfolgreiche PRT-Konzept (PRT:
Regionales Wiederaufbauteam) weiter zu verfolgen und die Arbeit der Bundes-
ressorts auf allen Ebenen weiter umfassend zu vernetzen. Gemeinsam mit unse-
ren Partnern und Verbündeten und der internationalen Staatengemeinschaft soll
die Bundesregierung für eine nachhaltige Verstärkung des zivilen Wiederauf-
baus eintreten und sich für die Umsetzung eines umfassenden zivil-militärischen
Aufbaukonzeptes einsetzen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemein-
sam mit der afghanischen Regierung zusätzliche zivile Projekte im Osten und
Süden Afghanistans zu unterstützen und insgesamt auf ein funktionierendes
System von Good Governance hinzuwirken und gemeinsam mit den afghani-
schen Verantwortlichen und den Verbündeten Konzepte zur Lösung des Dro-
genanbauproblems zu entwickeln. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die
Anstrengungen zum Polizeiaufbau zu intensivieren und den Aufbau der afgha-
nischen Armee weiterhin zu unterstützen. Gegenüber der pakistanischen Regie-
rung soll die Bundesregierung auf bessere Zusammenarbeit mit den afghani-
schen Nachbarn drängen.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Annahme des Entschließungsantrags auf Drucksache 16/4620 in geänder-
ter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Zu Buchstabe b

Einvernehmliche Erledigterklärung des Entschließungsantrags auf Druck-
sache 16/4621

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5636

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/4620 in folgender Fassung an-
zunehmen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Es war und ist Ziel der internationalen Staatengemeinschaft, dafür zu sorgen,
dass von Afghanistan keine terroristische Bedrohung mehr ausgeht. Die An-
schläge vom 11. September 2001 auf New York und Washington wurden
möglich, weil sich Afghanistan zu einem Trainings-, Ruhe- und Rückzugs-
raum für Terroristen entwickelt hatte. Es gilt, Stabilität in Afghanistan herzu-
stellen und eine politische Entwicklung voranzutreiben, die den Menschen in
Afghanistan Sicherheit und Frieden bringt und einen Rückfall in den früheren
Zustand verhindert.

Seit Ende 2001 hat Deutschland dazu drei internationale Afghanistan-Konfe-
renzen organisiert (2001, 2002 und 2004). Die Bundeswehr leistet seit Be-
ginn des internationalen Engagements im Rahmen eines VN-Mandates einen
unverzichtbaren Beitrag zur notwendigen militärischen Absicherung des Sta-
bilisierungs- und Wiederaufbauprozesses in Afghanistan. Deutschland leistet
einen bedeutenden Beitrag zum Wiederaufbau Afghanistans. Mit finanziel-
len Leistungen und Zusagen in Höhe von bisher ca. 900 Mio. Euro bis zum
Jahre 2010 ist Deutschland das viertgrößte Geberland.

Die demokratisch gewählte und legitimierte Regierung Afghanistans hat die
internationale Gemeinschaft um ihre Unterstützung gebeten. In dem auf der
internationalen Afghanistan-Konferenz am 31. Januar/1. Februar 2006 in
London verabschiedeten Afghanistan Compact wurden zwischen der interna-
tionalen Staatengemeinschaft und Afghanistan Ziele für den Wiederaufbau
bis 2010 vereinbart. Daran anknüpfend haben am 30./31. Januar 2007 in Ber-
lin Treffen des Joint Coordination and Monitoring Board (JCMB) stattgefun-
den.

Die Antworten auf die zentralen Herausforderungen in Afghanistan sind
ebenso sicherheits- wie entwicklungspolitischer Natur. Deshalb ist ein ganz-
heitlicher Ansatz, der viele Arten von Unterstützungsleistungen umfasst,
grundsätzlich der richtige Weg. Die vier beteiligten Ressorts der Bundes-
regierung (AA, BMVg, BMI, BMZ) haben das deutsche Afghanistan-Kon-
zept zuletzt im September 2006 aktualisiert.

Das Erfordernis eines solchen übergreifenden zivil-militärischen Ansatzes
wurde während des NATO-Gipfels in Riga am 28./29. November 2006 von
den Verbündeten bekräftigt und auf dem jüngsten NATO-Außenminister-
treffen am 26. Januar 2007 sowie dem Treffen der NATO-Verteidigungs-
minister vom 8./9. Februar 2007 bestätigt. In der Folge sind bereits umfang-
reiche zusätzliche Mittel für zivile Projekte bereitgestellt worden.

Für 2007 und 2008 haben die USA insgesamt 2 Mrd. US-Dollar für den Wie-
deraufbau und die Eindämmung des Drogenhandels zugesagt, Kanada hat für
den gleichen Zeitraum eine Aufstockung seines Engagements um weitere
200 Mio. Kanadische Dollar (ca. 128 Mio. Euro) vorgenommen. Die Bundes-
regierung hat die Hilfe für 2007 um 20 Mio. auf 100 Mio. Euro aufgestockt.
Der Allgemeine Rat hat am 12. Februar 2007 das Krisenmanagementkonzept
für eine ESVP-Mission (ESVP: Europäische Sicherheits- und Verteidigungs-

politik) in Afghanistan angenommen, durch die der Aufbau der Polizei
vorangetrieben werden soll; die EU-Kommission hat mit Unterstützung der

Drucksache 16/5636 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bundesregierung eine deutliche Aufstockung der für den Justizaufbau in Af-
ghanistan bereitgestellten Mittel angekündigt.

Der Erfolg des gesamten internationalen Engagements wird maßgeblich da-
von abhängen, dass mit der Stabilisierung der Sicherheitslage der Aufbau
von staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen in Afghanistan gelingt. Die
Menschen in Afghanistan und die von ihnen gewählte politische Vertretung
tragen die Verantwortung für den nachhaltigen Aufbau des Landes. Das Ziel
des Engagements der internationalen Gemeinschaft besteht darin, Hilfe und
Unterstützung zur Selbsthilfe zu geben, damit die Menschen in Afghanistan
schließlich unabhängig von Dritten die Geschicke ihres Landes in einem
friedlichen regionalen Umfeld gestalten können. Aufgrund der sozioökono-
mischen Struktur Afghanistans kommt der Entwicklung des ländlichen Rau-
mes dabei besondere Bedeutung zu. Komplementär zu den Maßnahmen der
Entwicklungszusammenarbeit leisten auch die von der Bundesregierung ge-
förderten Provincial Development Funds einen wichtigen Beitrag zur part-
nerschaftlichen Entwicklung der ländlichen Infrastruktur.

Hauptprobleme des Wiederaufbaus

Mehr als fünf Jahre nach Beginn der Wiederaufbaubemühungen stehen vier
Hauptprobleme einem Erfolg der internationalen Staatengemeinschaft beim
Wiederaufbau des Landes im Wege: erstens die Zunahme des Drogenanbaus
und des Drogenhandels; zweitens die Situation im afghanisch-pakistanischen
Grenzgebiet; drittens die die gesamte Gesellschaft durchziehende Korruption
und viertens das Fehlen belastbarer afghanischer Sicherheitsstrukturen. Die
sich verschärfende Sicherheitslage in Afghanistan im Jahre 2006 ist vor allen
Dingen auf ungelöste Probleme in diesen vier Bereichen zurückzuführen.
Dies wiederum behindert die zivilen Wiederaufbaubemühungen, insbesonde-
re in den Regionen, wo zivile Hilfe am meisten gebraucht würde.

Die Drogenproblematik

Während noch 2005 sichtbare Erfolge bei der Drogenbekämpfung erzielt
werden konnten, d. h. sowohl Anbaufläche als auch Produktion reduziert
werden konnten, hat sich dieser Trend im Jahre 2006 wieder umgekehrt. Im
letzten Jahr hat nach Angaben des United Nations Office on Drugs and Crime
(UNODC) die Drogenanbaufläche um 59 Prozent auf 169 000 Hektar zuge-
nommen. Die Zahl der in Drogenanbau, -verarbeitung und -handel involvier-
ten Personen ist auf knapp 3 Millionen und somit ca. 10 Prozent der Bevöl-
kerung angewachsen. 92 Prozent des weltweit gehandelten Heroins stammen
aus Afghanistan. Der Handelswert beläuft sich auf über 3 Mrd. US-Dollar.
Schwerpunktmäßig nimmt der Drogenanbau insbesondere in den südlichen
Provinzen des Landes zu. Allein in der Provinz Helmand befinden sich über
40 Prozent der landesweiten Drogenanbauflächen. Aber auch in den nörd-
lichen Provinzen, für die Deutschland die militärische regionale Verantwor-
tung übernommen hat, befinden sich weiterhin Zentren des Drogenanbaus.
Die Vereinten Nationen weisen seit Jahren zu Recht darauf hin, dass die Sta-
bilisierung des Landes entscheidend von der Lösung der Drogenproblematik
abhängt.

Ein Patentrezept zur Bewältigung der Drogenproblematik gibt es nicht. Eine
mittel- und langfristige Strategie zur Drogenbekämpfung muss auf allen Ebe-
nen, bei der Produktion, dem Handel und den Konsumenten, ansetzen. Es ist
die wesentliche Herausforderung, Alternativprodukte zu finden, die eine an-
gemessene Einkommensperspektive bieten. Neben Maßnahmen der afgha-
nischen Regierung, die auch eine entschlossene Strafverfolgung umfassen

müssen, ist es erforderlich, die Nachbarstaaten in die Drogenbekämpfung
einzubeziehen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5636

Das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet

Die sog. Federally Administered Tribal Areas (FATAs) im nordwestlichen
Grenzgebiet Pakistans zu Afghanistan entziehen sich weitgehend staatlicher
Kontrolle und sind u. a. für die Taliban eine Rückzugs- und Operationsbasis.
Eine Stabilisierung dieser Region wird ohne die Lösung der Flüchtlingspro-
blematik nicht zu erreichen sein. Daher müssen die pakistanische und die
afghanische Regierung mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft
die Rückführung möglichst vieler der derzeit noch in Pakistan lebenden
Flüchtlinge in ihre Heimat ermöglichen.

Den rund 3,5 Millionen Einwohnern in den FATAs wie auch den Bewohnern
der angrenzenden Provinz Belutschistan müssen dringend Bildungsangebote
außerhalb der etablierten Koranschulen gemacht und legale Einkommens-
perspektiven aufgezeigt werden. Allein in Belutschistan fehlen mehrere tau-
send reguläre Schulen. Trotz massiver militärischer Präsenz zwischen 2004
und 2006 ist es der pakistanischen Regierung nicht gelungen, wirkliche Kon-
trolle über diese Gebiete zu gewinnen. Daher muss die internationale Ge-
meinschaft die pakistanischen Sicherheitsbehörden bei der Wahrnehmung
gemeinsamer Interessen sowie im Rahmen der Ausbildungszusammenarbeit
unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüßt der Deutsche Bundestag,
dass die EU beabsichtigt, ihre materielle Unterstützung für Pakistan erheb-
lich auszuweiten. Die EU-Kommission hat angekündigt, ihre Zusagen in den
Bereichen Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Pakistan
für die Jahre 2007 bis 2010 auf insgesamt 200 Mio. Euro zu verdoppeln.

Korruption in Afghanistan

Alle bisherigen Vereinbarungen der internationalen Staatengemeinschaft
– von den in Bonn im Jahre 2001 beschlossenen Vereinbarungen bis hin zum
Afghanistan Compact des Jahres 2006 – bauen auf der Idee einer nach rechts-
staatlichen Prinzipien funktionierenden afghanischen Zentralregierung auf.
In der Realität zeigt sich jedoch, dass die grassierende Korruption der Wirk-
samkeit der afghanischen Staatsstrukturen Grenzen setzt und ihrem öffent-
lichen Ansehen schadet. Ohne eine Strategie zur Korruptionsbekämpfung
und Effizienzsteigerung wird die afghanische Regierung nicht in der Lage
sein, Rückhalt in der afghanischen Bevölkerung zu erlangen und die inter-
national getroffenen Vereinbarungen umzusetzen. Nicht unterschätzt werden
sollte in diesem Zusammenhang die Unterbezahlung von Polizisten und Sol-
daten.

Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte

Afghan Ownership ist ohne belastbare afghanische Sicherheitsstrukturen
nicht zu erreichen. Daher sind sowohl der Aufbau als auch das weitere Trai-
ning und die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte (ANA) als auch der
dreistufige Aufbau der afghanischen Polizei (ANP) umfassender und deut-
lich effektiver als bisher voranzutreiben. Die Versäumnisse personeller,
finanzieller und ausbildungsbezogener Art bei der Schaffung belastbarer
Polizeistrukturen müssen beseitigt werden. Es muss darüber hinaus für eine
angemessene Ausstattung der ANP gesorgt werden, damit diese auch in der
Lage ist, sich selbst zu schützen. Die Ausbildung der ANA muss qualitativ
und quantitativ verstärkt werden.

Koordination internationaler Unterstützung

Die finanzielle Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft zum
Wiederaufbau Afghanistans beläuft sich von 2002 bis 2010 auf ca. 30 Mrd.

US-Dollar. 30 Prozent dieser Hilfe werden von der Europäischen Union und
ihren Mitgliedstaaten geleistet. Mit dieser Hilfe konnten bereits beachtliche

Drucksache 16/5636 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Erfolge erzielt werden, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, bei
Infrastrukturmaßnahmen und im Gesundheits- und Bildungsbereich. Von
einem „Durchbruch“ bei den Wiederaufbaubemühungen ist Afghanistan je-
doch noch weit entfernt. Die Qualität der Ausbildung im Bereich des Polizei-
aufbaus, der von Deutschland federführend betrieben wird, ist sehr gut, aber
in der Quantität noch deutlich verbesserungsfähig. Mit Hilfe der neuen
ESVP-Mission EUPOL Afghanistan besteht die Chance, den Polizeiaufbau
in ganz Afghanistan voranzubringen und zusammen mit der zeitlich eng be-
grenzten Entsendung von Feldjägern durch die Bundeswehr in Zukunft auch
die Zahl gut ausgebildeter Polizisten zu steigern. Der Deutsche Bundestag
sieht mit großer Sorge, dass die Europäische Union eine deutliche Reduzie-
rung ihrer finanziellen Zusagen für den Zeitraum von 2007 bis 2010 ange-
kündigt hat.

Die Koordination zwischen den internationalen Gebern und der afghani-
schen Regierung muss weiter verbessert werden. Dies gilt für die Arbeit der
beteiligten Ressorts der Bundesregierung und ihrer Durchführungsorgani-
sationen. Und es gilt erst recht für die Koordination unter den Geberlän-
dern. Die operative Abstimmung zwischen militärischen und polizeilichen
Maßnahmen auf der einen und zivilen Aufbaumaßnahmen auf der anderen
Seite bedarf dringend der Verbesserung. Dies gilt auch für die Abstimmung
der aufeinander aufbauenden zivilen Maßnahmen, wie den Bau von Schu-
len und die gleichzeitig notwendige Ausbildung von Lehrerinnen und Leh-
rern.

Zur Ergänzung des ISAF-Kontingents

Die Bundeswehr ist seit Ende 2003 mit Kräften in der Nordregion präsent
und führt seit Juni 2006 das Regionalkommando Nord der ISAF. In der
Region konnten mit dem Instrument der fünf PRTs, darunter zwei unter deut-
scher Führung, spürbare Fortschritte bei der Stabilisierung und beim Wieder-
aufbau erzielt werden.

Mit der Übernahme der Verantwortung im Osten im Oktober 2006 hat ISAF
seine Ausweitung auf das ganze Land abgeschlossen. Gleichzeitig hat die
Zahl der terroristischen Anschläge und der Angriffe auf die internationalen
Truppen 2006 zugenommen. Die regierungsfeindlichen Kräfte, allen voran
die Taliban, profitieren dabei von Rückzugsgebieten und dem Nachschub aus
den pashtunischen Stammesgebieten in Pakistan. Eine verstärkte Koopera-
tion der pakistanischen mit der afghanischen Regierung, insbesondere bei der
Sicherung der Grenze, ist erforderlich, um die Sicherheitslage in Afghanistan
nachhaltig zu verbessern.

Die NATO hat angesichts dieser Lage für die Ausweitung ihrer Aufgaben
Vorsorge getroffen und Fähigkeiten identifiziert, die zur Aufgabenerfüllung
im gesamten Land erforderlich sind. Dazu zählt auch die verbesserte Fähig-
keit zur Aufklärung aus der Luft, wozu die deutschen RECCE-Tornados be-
sonders gut geeignet sind. Ein deutlich verbessertes Lagebild dient dem Er-
folg der ISAF-Mission, dem Schutz der afghanischen Bevölkerung vor
Terror und Unterdrückung durch die Taliban, dem Schutz der im Lande ein-
gesetzten zivilen Helferinnen und Helfer sowie der ISAF-Soldaten in ganz
Afghanistan und damit auch direkt dem Schutz der eingesetzten deutschen
Soldatinnen und Soldaten. Der Antrag der Bundesregierung weist darauf hin,
dass die Datenübermittlung gemäß ISAF-Operationsplan erfolgt. Deutsch-
land ist für den Erfolg der Gesamtmission mit verantwortlich. Wenn die Sta-
bilisierung der Lage im Süden und Osten misslingt, sind auch die Fortschritte

beim Wiederaufbau im Bereich des durch Deutschland geführten ISAF-
Regionalkommandos Nord infrage gestellt. Daher hat der Deutsche Bundes-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5636

tag die Entsendung von Aufklärungsflugzeugen des Typs Tornado RECCE
unterstützt.

Der Deutsche Bundestag ist sich der Tatsache bewusst, dass mit der Entsen-
dung zusätzlicher militärischer Kräfte nach Afghanistan und dem ISAF-wei-
ten Einsatz der Aufklärungsflugzeuge eine größere operative Verantwortung
einhergeht. Der Deutsche Bundestag erwartet von der Bundesregierung des-
halb, dass sie dieser Verantwortung gerecht wird, und bei den ISAF-Partnern
darauf drängt, die Operationsführung im Süden und Osten des Landes so zu
gestalten, dass das notwendige militärische Vorgehen und die zivile Wieder-
aufbauhilfe enger als bisher aufeinander abgestimmt werden. Auch militä-
rische Operationen im Rahmen von ISAF verfolgen einzig und allein das
Ziel, die für den zivilen Wiederaufbau notwendigen Rahmenbedingungen zu
schaffen. Im Rahmen der Operationen ist für den bestmöglichen Schutz der
eingesetzten deutschen Soldaten zu sorgen. Dies schließt Maßnahmen zum
vorbeugenden Selbstschutz ein, sofern und soweit die afghanische Seite hier-
zu nicht in der Lage ist. Der Kernansatz des ISAF-Einsatzes ist politischer
und nicht militärischer Natur. Dies muss in der Informationspolitik der Ver-
treter des Bündnisses klar zum Ausdruck kommen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine Evaluation des bisherigen politischen, zivilen und militärischen En-
gagements der Bundesregierung in Afghanistan vorzulegen und den zu-
ständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages regelmäßig über den
Fortgang der zivilen und militärischen Bemühungen um den Wiederauf-
bau in Afghanistan zu berichten;

2. das erfolgreiche zivil-militärische PRT-Konzept weiter zu verfolgen und
zu intensivieren;

3. gemeinsam mit der afghanischen Regierung zusätzliche zivile Projekte im
Osten und Süden Afghanistans zu unterstützen und in diesem Zusammen-
hang die 2007 wieder aufgenommene Tätigkeit in traditionellen Gebieten
deutscher Entwicklungszusammenarbeit, wie in den Provinzen Paktia,
Paktika und Khost, auszuweiten, sofern die Sicherheitslage dies weiterhin
erlaubt;

4. sich gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten sowie der afgha-
nischen Regierung für eine nachhaltige Verstärkung des zivilen Wieder-
aufbaus einzusetzen und in diesem Zusammenhang ab 2007 zusätzliche
Mittel für schnell sichtbare, dringend erforderliche Projekte sowie für die
Provincial Development Funds zur Verfügung zu stellen;

5. sich in der internationalen Staatengemeinschaft weiter für die Umsetzung
eines umfassenden zivil-militärischen Aufbaukonzeptes einzusetzen und
die Koordination zwischen den verschiedenen internationalen Akteuren
und der afghanischen Regierung zu verbessern sowie zu prüfen, ob zusätz-
liche personelle Ressourcen für diese Koordinationsaufgaben erforderlich
sind;

6. die Arbeit der Bundesressorts auf allen Ebenen weiter umfassend zu ver-
netzen;

7. die staatlichen Strukturen durch Unterstützung beim Aufbau zu stärken
und insgesamt auf ein funktionierendes System von Good Governance
(gute Regierungsführung, parlamentarische Kontrolle und transparente
Haushaltsführung) hinzuwirken. Die Regierung Hamid Karzais muss ihre
Verantwortung für einen Erfolg der Wiederaufbaubemühungen insbeson-

dere im Bereich der Korruptionsbekämpfung und der gesamten Personal-
politik wahrnehmen;

Drucksache 16/5636 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. gemeinsam mit den afghanischen Verantwortlichen und den Verbünde-
ten Konzepte zu entwickeln, die beim Problem Drogenanbau nicht vor-
rangig auf die chemische und manuelle Vernichtung von Anbauflächen
abzielen, sondern verstärkt auf alternative Produktion und Einkommens-
quellen für die Bauern setzen sowie die Vermarktung solcher Produkte
ermöglichen. Das bedeutet aber auch, den Einfluss lokaler informeller
Machthaber (Warlords) zurückzudrängen;

9. die Anstrengungen zum Polizeiaufbau, insbesondere im Rahmen der
ESVP-Mission, weiter zu intensivieren;

10. den Aufbau der afghanischen Armee weiterhin zu unterstützen;

11. gegenüber der pakistanischen Regierung auf bessere Zusammenarbeit
mit den afghanischen Nachbarn zu drängen, insbesondere, um die Pro-
bleme mit dem grenzüberschreitenden Nachschub für regierungsfeind-
liche Kräfte in den Griff zu bekommen;

12. in den Anstrengungen um größtmöglichen Schutz der eingesetzten deut-
schen Soldaten nicht nachzulassen und für eine bestmögliche Ausbil-
dung und Ausrüstung zur Vorbereitung und Durchführung des Einsatzes
Sorge zu tragen;

b) den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/4621 für erledigt zu erklären.

Berlin, den 13. Juni 2007

Der Auswärtige Ausschuss

Ruprecht Polenz
Vorsitzender

Eckart von Klaeden
Berichterstatter

Detlef Dzembritzki
Berichterstatter

Dr. Wolfgang Gerhardt
Berichterstatter

Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Jürgen Trittin
Berichterstatter

schließungsantrag auf Drucksache 16/4620 in folgender tere 200 Mio. Kanadische Dollar (ca. 128 Mio. Euro) vor-
genommen. Die Bundesregierung hat die Hilfe für 2007
Fassung anzunehmen:

„I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Es war und ist Ziel der internationalen Staatengemein-
schaft, dafür zu sorgen, dass von Afghanistan keine terro-

um 20 Mio. auf 100 Mio. Euro aufgestockt. Der Allge-
meine Rat hat am 12. Februar 2007 das Krisenmanage-
mentkonzept für eine ESVP-Mission (ESVP: Europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik) in Afghanistan an-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/5636

Bericht der Abgeordneten Eckart von Klaeden, Detlef Dzembritzki, Dr. Wolfgang
Gerhardt, Wolfgang Gehrcke und Jürgen Trittin

I. Überweisung
a) Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Druck-

sache 16/4620 in seiner 86. Sitzung am 9. März 2007 in
erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung
dem Auswärtigen Ausschuss, zur Mitberatung dem
Innenausschuss, dem Rechtsausschuss, dem Haushalts-
ausschuss, dem Verteidigungsausschuss, dem Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und dem Aus-
schuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung überwiesen.

b) Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Druck-
sache 16/4621 in seiner 86. Sitzung am 9. März 2007 in
erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung
dem Auswärtigen Ausschuss, zur Mitberatung dem
Innenausschuss, dem Rechtsausschuss, dem Haushalts-
ausschuss, dem Verteidigungsausschuss, dem Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und dem Aus-
schuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner 45. Sitzung am
13. Juni 2007 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die beiden
Entschließungsanträge auf den Drucksachen 16/4620 und
16/4621 für erledigt zu erklären und stattdessen die Be-
schlussempfehlung der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP anzunehmen.

a) In Kenntnis der vom federführenden Ausschuss beab-
sichtigten Abstimmung der geänderten Fassung zum
Entschließungsantrag auf Drucksache 16/4620 verzich-
ten die übrigen mitberatenden Ausschüsse auf die Abga-
be einer Stellungnahme.

b) In Kenntnis der vom federführenden Ausschuss beab-
sichtigten Empfehlung, den Entschließungsantrag auf
Drucksache 16/4621 für erledigt zu erklären, verzichten
die übrigen mitberatenden Ausschüsse auf die Abgabe
einer Stellungnahme.

III. Beratung im Auswärtigen Ausschuss
Die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP haben in der
43. Sitzung des Auswärtigen Ausschusses den folgenden
Antrag gestellt:

1. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen, den Ent-

den möglich, weil sich Afghanistan zu einem Trainings-,
Ruhe- und Rückzugsraum für Terroristen entwickelt hat-
te. Es gilt, Stabilität in Afghanistan herzustellen und eine
politische Entwicklung voranzutreiben, die den Men-
schen in Afghanistan Sicherheit und Frieden bringt und
einen Rückfall in den früheren Zustand verhindert.

Seit Ende 2001 hat Deutschland dazu drei internationale
Afghanistan-Konferenzen organisiert (2001, 2002 und
2004). Die Bundeswehr leistet seit Beginn des interna-
tionalen Engagements im Rahmen eines VN-Mandates
einen unverzichtbaren Beitrag zur notwendigen militä-
rischen Absicherung des Stabilisierungs- und Wiederauf-
bauprozesses in Afghanistan. Deutschland leistet einen
bedeutenden Beitrag zum Wiederaufbau Afghanistans.
Mit finanziellen Leistungen und Zusagen in Höhe von
bisher ca. 900 Mio. Euro bis zum Jahre 2010 ist Deutsch-
land das viertgrößte Geberland.

Die demokratisch gewählte und legitimierte Regierung
Afghanistans hat die internationale Gemeinschaft um ih-
re Unterstützung gebeten. In dem auf der internationalen
Afghanistan-Konferenz am 31. Januar/1. Februar 2006
in London verabschiedeten Afghanistan Compact wur-
den zwischen der internationalen Staatengemeinschaft
und Afghanistan Ziele für den Wiederaufbau bis 2010
vereinbart. Daran anknüpfend haben am 30./31. Januar
2007 in Berlin Treffen des Joint Coordination and Moni-
toring Board (JCMB) stattgefunden.

Die Antworten auf die zentralen Herausforderungen in
Afghanistan sind ebenso sicherheits- wie entwick-
lungspolitischer Natur. Deshalb ist ein ganzheitlicher An-
satz, der viele Arten von Unterstützungsleistungen um-
fasst, grundsätzlich der richtige Weg. Die vier beteiligten
Ressorts der Bundesregierung (AA, BMVg, BMI, BMZ)
haben das deutsche Afghanistan-Konzept zuletzt im Sep-
tember 2006 aktualisiert.

Das Erfordernis eines solchen übergreifenden zivil-mili-
tärischen Ansatzes wurde während des NATO-Gipfels in
Riga am 28./29. November 2006 von den Verbündeten
bekräftigt und auf dem jüngsten NATO-Außenminister-
treffen am 26. Januar 2007 sowie dem Treffen der
NATO-Verteidigungsminister vom 8./9. Februar 2007
bestätigt. In der Folge sind bereits umfangreiche zusätz-
liche Mittel für zivile Projekte bereitgestellt worden.

Für 2007 und 2008 haben die USA insgesamt 2 Mrd. US-
Dollar für den Wiederaufbau und die Eindämmung des
Drogenhandels zugesagt, Kanada hat für den gleichen
Zeitraum eine Aufstockung seines Engagements um wei-
ristische Bedrohung mehr ausgeht. Die Anschläge vom
11. September 2001 auf New York und Washington wur-

genommen, durch die der Aufbau der Polizei vorangetrie-
ben werden soll; die EU-Kommission hat mit Unterstüt-

Drucksache 16/5636 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zung der Bundesregierung eine deutliche Aufstockung der
für den Justizaufbau in Afghanistan bereitgestellten Mittel
angekündigt.

Der Erfolg des gesamten internationalen Engagements
wird maßgeblich davon abhängen, dass mit der Sta-
bilisierung der Sicherheitslage der Aufbau von staat-
lichen und wirtschaftlichen Strukturen in Afghanistan ge-
lingt. Die Menschen in Afghanistan und die von ihnen
gewählte politische Vertretung tragen die Verantwortung
für den nachhaltigen Aufbau des Landes. Das Ziel des
Engagements der internationalen Gemeinschaft besteht
darin, Hilfe und Unterstützung zur Selbsthilfe zu geben,
damit die Menschen in Afghanistan schließlich unabhän-
gig von Dritten die Geschicke ihres Landes in einem
friedlichen regionalen Umfeld gestalten können. Auf-
grund der sozioökonomischen Struktur Afghanistans
kommt der Entwicklung des ländlichen Raumes dabei
besondere Bedeutung zu. Komplementär zu den Maß-
nahmen der Entwicklungszusammenarbeit leisten auch
die von der Bundesregierung geförderten Provincial De-
velopment Funds einen wichtigen Beitrag zur partner-
schaftlichen Entwicklung der ländlichen Infrastruktur.

Hauptprobleme des Wiederaufbaus

Mehr als fünf Jahre nach Beginn der Wiederaufbaubemü-
hungen stehen vier Hauptprobleme einem Erfolg der
internationalen Staatengemeinschaft beim Wiederaufbau
des Landes im Wege: erstens die Zunahme des Dro-
genanbaus und des Drogenhandels; zweitens die Situa-
tion im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet; drittens
die die gesamte Gesellschaft durchziehende Korruption
und viertens das Fehlen belastbarer afghanischer Sicher-
heitsstrukturen. Die sich verschärfende Sicherheitslage in
Afghanistan im Jahre 2006 ist vor allen Dingen auf unge-
löste Probleme in diesen vier Bereichen zurückzuführen.
Dies wiederum behindert die zivilen Wiederaufbaubemü-
hungen, insbesondere in den Regionen, wo zivile Hilfe
am meisten gebraucht würde.

Die Drogenproblematik

Während noch 2005 sichtbare Erfolge bei der Drogenbe-
kämpfung erzielt werden konnten, d. h. sowohl Anbau-
fläche als auch Produktion reduziert werden konnten, hat
sich dieser Trend im Jahre 2006 wieder umgekehrt. Im
letzten Jahr hat nach Angaben des United Nations Office
on Drugs and Crime (UNODC) die Drogenanbaufläche
um 59 Prozent auf 169 000 Hektar zugenommen. Die
Zahl der in Drogenanbau, -verarbeitung und -handel in-
volvierten Personen ist auf knapp 3 Millionen und somit
ca. 10 Prozent der Bevölkerung angewachsen. 92 Prozent
des weltweit gehandelten Heroins stammen aus Af-
ghanistan. Der Handelswert beläuft sich auf über 3 Mrd.
US-Dollar. Schwerpunktmäßig nimmt der Drogenanbau
insbesondere in den südlichen Provinzen des Landes zu.
Allein in der Provinz Helmand befinden sich über 40 Pro-
zent der landesweiten Drogenanbauflächen. Aber auch in
den nördlichen Provinzen, für die Deutschland die mi-
litärische regionale Verantwortung übernommen hat,
befinden sich weiterhin Zentren des Drogenanbaus. Die
Vereinten Nationen weisen seit Jahren zu Recht darauf

Ein Patentrezept zur Bewältigung der Drogenproblema-
tik gibt es nicht. Eine mittel- und langfristige Strategie
zur Drogenbekämpfung muss auf allen Ebenen, bei der
Produktion, dem Handel und den Konsumenten, anset-
zen. Es ist die wesentliche Herausforderung, Alternativ-
produkte zu finden, die eine angemessene Einkommens-
perspektive bieten. Neben Maßnahmen der afghanischen
Regierung, die auch eine entschlossene Strafverfolgung
umfassen müssen, ist es erforderlich, die Nachbarstaaten
in die Drogenbekämpfung einzubeziehen.

Das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet

Die sog. Federally Administered Tribal Areas (FATAs)
im nordwestlichen Grenzgebiet Pakistans zu Afghanistan
entziehen sich weitgehend staatlicher Kontrolle und sind
u. a. für die Taliban eine Rückzugs- und Operationsbasis.
Eine Stabilisierung dieser Region wird ohne die Lösung
der Flüchtlingsproblematik nicht zu erreichen sein. Da-
her müssen die pakistanische und die afghanische Regie-
rung mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft
die Rückführung möglichst vieler der derzeit noch in Pa-
kistan lebenden Flüchtlinge in ihre Heimat ermöglichen.

Den rund 3,5 Millionen Einwohnern in den FATAs
wie auch den Bewohnern der angrenzenden Provinz
Belutschistan müssen dringend Bildungsangebote außer-
halb der etablierten Koranschulen gemacht und legale
Einkommensperspektiven aufgezeigt werden. Allein in
Belutschistan fehlen mehrere tausend reguläre Schulen.
Trotz massiver militärischer Präsenz zwischen 2004 und
2006 ist es der pakistanischen Regierung nicht gelungen,
wirkliche Kontrolle über diese Gebiete zu gewinnen.
Daher muss die internationale Gemeinschaft die pakis-
tanischen Sicherheitsbehörden bei der Wahrnehmung
gemeinsamer Interessen sowie im Rahmen der Ausbil-
dungszusammenarbeit unterstützen. In diesem Zusam-
menhang begrüßt der Deutsche Bundestag, dass die EU
beabsichtigt, ihre materielle Unterstützung für Pakistan
erheblich auszuweiten. Die EU-Kommission hat ange-
kündigt, ihre Zusagen in den Bereichen Wirtschaft und
Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Pakistan für
die Jahre 2007 bis 2010 auf insgesamt 200 Mio. Euro zu
verdoppeln.

Korruption in Afghanistan

Alle bisherigen Vereinbarungen der internationalen Staa-
tengemeinschaft – von den in Bonn im Jahre 2001 be-
schlossenen Vereinbarungen bis hin zum Afghanistan
Compact des Jahres 2006 – bauen auf der Idee einer nach
rechtsstaatlichen Prinzipien funktionierenden afghani-
schen Zentralregierung auf. In der Realität zeigt sich je-
doch, dass die grassierende Korruption der Wirksamkeit
der afghanischen Staatsstrukturen Grenzen setzt und
ihrem öffentlichen Ansehen schadet. Ohne eine Strategie
zur Korruptionsbekämpfung und Effizienzsteigerung
wird die afghanische Regierung nicht in der Lage sein,
Rückhalt in der afghanischen Bevölkerung zu erlangen
und die international getroffenen Vereinbarungen umzu-
setzen. Nicht unterschätzt werden sollte in diesem Zu-
hin, dass die Stabilisierung des Landes entscheidend von
der Lösung der Drogenproblematik abhängt.

sammenhang die Unterbezahlung von Polizisten und Sol-
daten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/5636

Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte

Afghan Ownership ist ohne belastbare afghanische Si-
cherheitsstrukturen nicht zu erreichen. Daher sind so-
wohl der Aufbau als auch das weitere Training und die
Ausbildung der afghanischen Streitkräfte (ANA) als auch
der dreistufige Aufbau der afghanischen Polizei (ANP)
umfassender und deutlich effektiver als bisher voranzu-
treiben. Die Versäumnisse personeller, finanzieller und
ausbildungsbezogener Art bei der Schaffung belastbarer
Polizeistrukturen müssen beseitigt werden. Es muss dar-
über hinaus für eine angemessene Ausstattung der ANP
gesorgt werden, damit diese auch in der Lage ist, sich
selbst zu schützen. Die Ausbildung der ANA muss quali-
tativ und quantitativ verstärkt werden.

Koordination internationaler Unterstützung

Die finanzielle Unterstützung der internationalen Staaten-
gemeinschaft zum Wiederaufbau Afghanistans beläuft
sich von 2002 bis 2010 auf ca. 30 Mrd. US-Dollar. 30 Pro-
zent dieser Hilfe werden von der Europäischen Union und
ihren Mitgliedsstaaten geleistet. Mit dieser Hilfe konnten
bereits beachtliche Erfolge erzielt werden, insbesondere
im Bereich der Grundversorgung, bei Infrastrukturmaß-
nahmen und im Gesundheits- und Bildungsbereich. Von
einem „Durchbruch“ bei den Wiederaufbaubemühungen
ist Afghanistan jedoch noch weit entfernt. Die Qualität
der Ausbildung im Bereich des Polizeiaufbaus, der von
Deutschland federführend betrieben wird, ist sehr gut,
aber in der Quantität noch deutlich verbesserungsfähig.
Mit Hilfe der neuen ESVP-Mission EUPOL Afghanistan
besteht die Chance, den Polizeiaufbau in ganz Afghanis-
tan voranzubringen und zusammen mit der zeitlich eng
begrenzten Entsendung von Feldjägern durch die
Bundeswehr in Zukunft auch die Zahl gut ausgebildeter
Polizisten zu steigern. Der Deutsche Bundestag sieht mit
großer Sorge, dass die Europäische Union eine deutliche
Reduzierung ihrer finanziellen Zusagen für den Zeitraum
von 2007 bis 2010 angekündigt hat.

Die Koordination zwischen den internationalen Gebern
und der afghanischen Regierung muss weiter verbessert
werden. Dies gilt für die Arbeit der beteiligten Ressorts
der Bundesregierung und ihrer Durchführungsorganisa-
tionen. Und es gilt erst recht für die Koordination unter
den Geberländern. Die operative Abstimmung zwischen
militärischen und polizeilichen Maßnahmen auf der
einen und zivilen Aufbaumaßnahmen auf der anderen
Seite bedarf dringend der Verbesserung. Dies gilt auch
für die Abstimmung der aufeinander aufbauenden zivilen
Maßnahmen, wie den Bau von Schulen und die gleichzei-
tig notwendige Ausbildung von Lehrerinnen und Leh-
rern.

Zur Ergänzung des ISAF-Kontingents

Die Bundeswehr ist seit Ende 2003 mit Kräften in der
Nordregion präsent und führt seit Juni 2006 das Regio-
nalkommando Nord der ISAF. In der Region konnten mit
dem Instrument der fünf PRTs, darunter zwei unter deut-
scher Führung, spürbare Fortschritte bei der Stabilisie-
rung und beim Wiederaufbau erzielt werden.

Land abgeschlossen. Gleichzeitig hat die Zahl der terro-
ristischen Anschläge und der Angriffe auf die internatio-
nalen Truppen 2006 zugenommen. Die regierungsfeind-
lichen Kräfte, allen voran die Taliban, profitieren dabei
von Rückzugsgebieten und dem Nachschub aus den
pashtunischen Stammesgebieten in Pakistan. Eine ver-
stärkte Kooperation der pakistanischen mit der afghani-
schen Regierung, insbesondere bei der Sicherung der
Grenze, ist erforderlich, um die Sicherheitslage in Afgha-
nistan nachhaltig zu verbessern.

Die NATO hat angesichts dieser Lage für die Ausweitung
ihrer Aufgaben Vorsorge getroffen und Fähigkeiten iden-
tifiziert, die zur Aufgabenerfüllung im gesamten Land
erforderlich sind. Dazu zählt auch die verbesserte Fähig-
keit zur Aufklärung aus der Luft, wozu die deutschen
RECCE-Tornados besonders gut geeignet sind. Ein deut-
lich verbessertes Lagebild dient dem Erfolg der ISAF-
Mission, dem Schutz der afghanischen Bevölkerung vor
Terror und Unterdrückung durch die Taliban, dem Schutz
der im Lande eingesetzten zivilen Helferinnen und Helfer
sowie der ISAF-Soldaten in ganz Afghanistan und damit
auch direkt dem Schutz der eingesetzten deutschen Sol-
datinnen und Soldaten. Der Antrag der Bundesregierung
weist darauf hin, dass die Datenübermittlung gemäß
ISAF-Operationsplan erfolgt. Deutschland ist für den Er-
folg der Gesamtmission mit verantwortlich. Wenn die
Stabilisierung der Lage im Süden und Osten misslingt,
sind auch die Fortschritte beim Wiederaufbau im Bereich
des durch Deutschland geführten ISAF-Regionalkom-
mandos Nord infrage gestellt. Daher hat der Deutsche
Bundestag die Entsendung von Aufklärungsflugzeugen
des Typs Tornado RECCE unterstützt.

Der Deutsche Bundestag ist sich der Tatsache bewusst,
dass mit der Entsendung zusätzlicher militärischer Kräfte
nach Afghanistan und dem ISAF-weiten Einsatz der Auf-
klärungsflugzeuge eine größere operative Verantwortung
einhergeht. Der Deutsche Bundestag erwartet von der
Bundesregierung deshalb, dass sie dieser Verantwortung
gerecht wird, und bei den ISAF-Partnern darauf drängt,
die Operationsführung im Süden und Osten des Landes
so zu gestalten, dass das notwendige militärische Vorge-
hen und die zivile Wiederaufbauhilfe enger als bisher
aufeinander abgestimmt werden. Auch militärische Ope-
rationen im Rahmen von ISAF verfolgen einzig und
allein das Ziel, die für den zivilen Wiederaufbau notwen-
digen Rahmenbedingungen zu schaffen. Im Rahmen der
Operationen ist für den bestmöglichen Schutz der einge-
setzten deutschen Soldaten zu sorgen. Dies schließt Maß-
nahmen zum vorbeugenden Selbstschutz ein, sofern und
soweit die afghanische Seite hierzu nicht in der Lage ist.
Der Kernansatz des ISAF-Einsatzes ist politischer und
nicht militärischer Natur. Dies muss in der Informations-
politik der Vertreter des Bündnisses klar zum Ausdruck
kommen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung
auf,

1. eine Evaluation des bisherigen politischen, zivilen
und militärischen Engagements der Bundesregierung
Mit der Übernahme der Verantwortung im Osten im Ok-
tober 2006 hat ISAF seine Ausweitung auf das ganze

in Afghanistan vorzulegen und den zuständigen Aus-
schüssen des Deutschen Bundestages regelmäßig über

haltige Verstärkung des zivilen Wiederaufbaus einzu-
setzen und in diesem Zusammenhang ab 2007
zusätzliche Mittel für schnell sichtbare, dringend er-
forderliche Projekte sowie für die Provincial Deve-
lopment Funds zur Verfügung zu stellen;

5. sich in der internationalen Staatengemeinschaft wei-
ter für die Umsetzung eines umfassenden zivil-militä-
rischen Aufbaukonzeptes einzusetzen und die Koor-
dination zwischen den verschiedenen internationalen
Akteuren und der afghanischen Regierung zu verbes-
sern sowie zu prüfen, ob zusätzliche personelle Res-
sourcen für diese Koordinationsaufgaben erforderlich
sind;

6. die Arbeit der Bundesressorts auf allen Ebenen weiter
umfassend zu vernetzen;

7. die staatlichen Strukturen durch Unterstützung beim
Aufbau zu stärken und insgesamt auf ein funktionie-
rendes System von Good Governance (gute Regie-
rungsführung, parlamentarische Kontrolle und trans-
parente Haushaltsführung) hinzuwirken. Die Regie-
rung Hamid Karzais muss ihre Verantwortung für
einen Erfolg der Wiederaufbaubemühungen insbe-
sondere im Bereich der Korruptionsbekämpfung und
der gesamten Personalpolitik wahrnehmen;

11. gegenüber der pakistanischen Regierung auf bessere
Zusammenarbeit mit den afghanischen Nachbarn zu
drängen, insbesondere, um die Probleme mit dem
grenzüberschreitenden Nachschub für regierungs-
feindliche Kräfte in den Griff zu bekommen;

12. in den Anstrengungen um größtmöglichen Schutz
der eingesetzten deutschen Soldaten nicht nachzu-
lassen und für eine bestmögliche Ausbildung und
Ausrüstung zur Vorbereitung und Durchführung des
Einsatzes Sorge zu tragen.

2. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen, den Ent-
schließungsantrag auf Drucksache 16/4621 für erledigt
zu erklären.

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 43. Sitzung am
13. Juni 2007 beraten und empfiehlt

a) mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Entschließungsantrag
auf Drucksache 16/4620 in geänderter Fassung anzuneh-
men;

b) einvernehmlich, den Entschließungsantrag auf Druck-
sache 16/4621 für erledigt zu erklären.

Berlin, den 13. Juni 2007

Eckart von Klaeden
Berichterstatter

Detlef Dzembritzki
Berichterstatter

Dr. Wolfgang Gerhardt
Berichterstatter

Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Jürgen Trittin
Berichterstatter
Drucksache 16/5636 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

den Fortgang der zivilen und militärischen Bemühun-
gen um den Wiederaufbau in Afghanistan zu berich-
ten;

2. das erfolgreiche zivil-militärische PRT-Konzept wei-
ter zu verfolgen und zu intensivieren;

3. gemeinsam mit der afghanischen Regierung zusätz-
liche zivile Projekte im Osten und Süden Afghanis-
tans zu unterstützen und in diesem Zusammenhang
die 2007 wieder aufgenommene Tätigkeit in traditio-
nellen Gebieten deutscher Entwicklungszusammenar-
beit, wie in den Provinzen Paktia, Paktika und Khost,
auszuweiten, sofern die Sicherheitslage dies weiterhin
erlaubt;

4. sich gemeinsam mit unseren Partnern und Verbünde-
ten sowie der afghanischen Regierung für eine nach-

8. gemeinsam mit den afghanischen Verantwortlichen
und den Verbündeten Konzepte zu entwickeln, die
beim Problem Drogenanbau nicht vorrangig auf die
chemische und manuelle Vernichtung von Anbau-
flächen abzielen, sondern verstärkt auf alternative
Produktion und Einkommensquellen für die Bauern
setzen sowie die Vermarktung solcher Produkte
ermöglichen. Das bedeutet aber auch, den Einfluss
lokaler informeller Machthaber (Warlords) zurück-
zudrängen;

9. die Anstrengungen zum Polizeiaufbau, insbesonde-
re im Rahmen der ESVP-Mission, weiter zu intensi-
vieren;

10. den Aufbau der afghanischen Armee weiterhin zu
unterstützen;

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