BT-Drucksache 16/5618

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -16/5436, 16/5655- Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Überwachungsmission AMIS der Afrikanischen Union (AU) in der Region Darfur/Sudan auf Grundlage der Resolutionen 1556 (2004) und 1564 (2004) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 30. Juli 2004 und 18. September 2004

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5618
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin,
Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Dr. Hakki Keskin, Katrin Kunert,
Michael Leutert, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich,
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 16/5436, 16/5655 –

Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung
der Überwachungsmission AMIS der Afrikanischen Union (AU)
in der Region Darfur/Sudan auf Grundlage der Resolutionen 1556 (2004)
und 1564 (2004) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
vom 30. Juli 2004 und 18. September 2004

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. all ihre politischen und diplomatischen Möglichkeiten mit dem Ziel ein-
zusetzen, ein von allen Beteiligten akzeptiertes Waffenstillstandsabkommen
für die sudanesische Region Darfur zu erreichen, um damit die notwendige
politische Grundlage für einen langfristigen Friedensprozess zu schaffen, der
an die Stelle des ungenügenden Abkommens von Abuja tritt;

2. die letzte Beratung des Europäischen Rates unter ihrer Präsidentschaft dafür
zu nutzen, auf eine gemeinsame Position der Europäischen Union hinzu-
wirken, die nachdrücklich auf die zivilen politischen Möglichkeiten der EU
setzt, um zu einer Konfliktlösung in der Region Darfur auf der Grundlage
eines schnellen Waffenstillstands und eines umfassenden Friedensprozesses
beizutragen;

3. sich darum zu bemühen, in eine solche Position auch die Vereinigten Staaten
einzubinden;

4. auf sofortige und kontinuierliche Verhandlungen unter dem Dach der Verein-

ten Nationen hinzuwirken, die alle beteiligten Akteurinnen und Akteure und
möglichen Vermittlerinnen und Vermittler einbeziehen;

5. dabei insbesondere die Position der Afrikanischen Union sowie die vermit-
telnde Rolle der Arabischen Liga zu stärken;

6. solche Staaten wie z. B. China und Malaysia, die über gute Beziehungen zu
der sudanesischen Regierung verfügen, aufzufordern, diese Beziehungen zu
nutzen, um Verhandlungsoptionen zu erwirken;

Drucksache 16/5618 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. den EU-Sonderbeauftragten für den Sudan bei seinen Bemühungen zu
unterstützen, die sudanesische Regierung und die Rebellengruppen an einen
Tisch zu bekommen sowie den Rahmen für einen Dialog zwischen den ver-
feindeten Gruppen in Darfur zu schaffen und dabei darauf zu achten, dass
der angestrebte Dialog auch Personen einbezieht, die keinen bewaffneten
Gruppen angehören, insbesondere lokale Politikerinnen und Politiker,
Flüchtlingsvertreter und Frauen, wie in der UN-Resolution 1325 vorge-
sehen;

8. einen breit angelegten zivilgesellschaftlichen Verständigungsprozess für
den gesamten Sudan in Anknüpfung an den Entebbe-Prozess anzuregen und
zu unterstützen;

9. im Rahmen und als Bestandteil eines solchen Friedensprozesses konkrete
Perspektiven für die Wiederaufnahme der bilateralen deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit mit dem Nord-Sudan zu entwickeln und dabei einen
Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Versteppung und zur
landwirtschaftlichen Nutzbarmachung der Region Darfur zu legen;

10. bis zur Wiederaufnahme bilateraler Entwicklungszusammenarbeit die Mög-
lichkeiten nichtstaatlicher Entwicklungs- und Aufbaumaßnahmen über
Nichtregierungsorganisationen stärker auszuschöpfen;

11. des Weiteren solche Instrumente der deutschen Entwicklungszusammen-
arbeit verstärkt im Sudan zum Einsatz zu bringen, die Beiträge zur zivilen
Konfliktbearbeitung und zur zivilen Prävention möglicher weiterer Kon-
flikte leisten können, dabei insbesondere die Präsenz des Zivilen Friedens-
dienstes im Sudan erheblich auszubauen.

Berlin, den 12. Juni 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Dauerhafter Frieden kann nur als Ergebnis eines politischen Verhandlungspro-
zesses, der alle Konfliktparteien und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und
Akteure einbezieht, erreicht werden. Ein solcher Prozess muss auf den unter-
schiedlichen Konfliktebenen, also international, national, regional und lokal,
verlaufen. Dazu ist eine erste politische Grundlage nötig, wie ein Waffenstill-
standsabkommen.

Seit Jahren wird die Katastrophe in Darfur skandalisiert und zugleich verdrängt.
Der politische Wille zu einer ernsthaften und dauerhaften politischen Auseinan-
dersetzung mit dem Konflikt ist weder bei der Bundesregierung, noch bei der
EU oder den USA zu erkennen. Auch vom Gipfeltreffen der G8 ging keine
Initiative für einen politischen Weg aus der Krise aus. Die Bundesregierung hat
ihre EU-Rats- und G8-Präsidentschaft leider nicht in diesem Sinne genutzt.

Der deutsche Beitrag zu AMIS wird nicht von ernsthaftem politischem Engage-
ment begleitet. Er ist in diesem Sinne kein Ausweis politischer Verantwortung
und kein wirkungsvoller Beitrag zur Lösung des Konflikts. Der Fortsetzung der
deutschen Beteiligung an AMIS ist deshalb nicht zuzustimmen. Sinnvoll und
begrüßenswert sind die humanitäre Nothilfe der Bundesregierung sowie ihre
finanzielle Unterstützung für die Friedensgespräche in Abuja. Allerdings ver-
puffen auch diese Initiativen, da die Bundesregierung sich nicht – ebenso wenig

wie andere Regierungen – nachdrücklich auf internationaler Ebene für eine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5618

Lösung des Konflikts einsetzt. Ihre diesbezüglichen politischen Möglichkeiten
nutzend, könnte die Bundesregierung weitaus mehr bewirken als mit ihrer Be-
teiligung an den militärischen Missionen.

Dabei darf der Krieg in der Region Darfur nicht isoliert von der ökonomischen
und sozialen Entwicklung und der ökologischen Degradation im Sudan und der
gesamten Region betrachtet werden. Neben der dringend notwendigen humani-
tären Hilfe für die Menschen in der Region Darfur und in den angrenzenden
Flüchtlingslagern muss deshalb auch eine Perspektive der Wiederaufnahme des
gesamten Sudan in die deutsche und europäische Entwicklungszusammenarbeit
als Teil eines Friedensprozesses entwickelt werden. Die Instrumente der zivilen
Konfliktprävention und Konfliktbearbeitung sind dabei besonders hervorzu-
heben. Massiv gestärkt, können sie einen wichtigen Beitrag zu einem solchen
Friedensprozess leisten.

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