BT-Drucksache 16/5612

Toxische Rückstände in Transport-Containern - Herausforderung für Arbeits- und Verbrauchersicherheit

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5612
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Antrag
der Abgeordneten Patrick Döring, Hans-Michael Goldmann, Michael Kauch, Horst
Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Joachim Günther (Plauen), Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Horst Meierhofer, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-
Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Toxische Rückstände in Transport-Containern – Herausforderung für Arbeits-
und Verbrauchersicherheit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zum Schutz anfälliger Ware werden im internationalen Warenverkehr vielfach
Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt, um die Transportcontainer zu reini-
gen und eine Schädigung des Transportgutes zu verhindern. In anderen Fällen
sondern die transportierten Güter durch Behandlungen während des Produk-
tionsprozesses selbst Gase ab. Durch den geschlossenen Transport verbleiben in
den Containern daher oftmals erhebliche toxische Rückstände, die insbesondere
bei wiederholtem Kontakt eine nicht unerhebliche Bedrohung für die Gesund-
heit z. B. von Mitarbeitern des Zolls oder Lagerarbeitern bedeuten können. Nach
einer Untersuchung z. B. der Universität Hamburg-Harburg („Begasungsmittel-
rückstände und toxische Industrie-Chemikalien in Import-Containern“) wurden
in 17 Prozent von 2 111 untersuchten Containern Grenzwertüberschreitungen
festgestellt. In 33 Fällen (1,6 Prozent) wurden die Grenzwerte toxisch wirkender
Stoffe um mehr als das Zehnfache überschritten. Auf das Gesamtaufkommen
übertragen würde dies bedeuten, dass pro Jahr allein im Hamburger Hafen
250 000 Container betroffen sind.

Im Umgang mit Containern, die toxische Rückstände enthalten, ist aus diesem

Grund besondere Vorsicht angebracht. Im Rahmen der International Maritime
Organization (IMO) wurde deshalb eine Kennzeichnung für begaste Container
vereinbart (International Maritime Dangerous Goods Code (IMDG-Code)
7.4.3 f.). Bei Kontrollen der Zollverwaltung auf vorhandene Begasung waren
jedoch nahezu 100 Prozent der als begast festgestellten Container nicht
gekennzeichnet (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion der FDP „Begasungsmittelrückstände in Import-Containern“, Bundes-

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tagsdrucksache 16/5154). Dies bedeutet eine wesentliche Bedrohung für die
Arbeitssicherheit von Mitarbeitern des Zolls und entladender Unternehmen.
Besonders groß ist das Risiko schwerer Langzeitschäden. Neben der z. T. bedeu-
tenden individuellen Schädigung und dauerhaften gesundheitlichen Beeinträch-
tigung bedeutet dies nach Einschätzung der Großhandels- und Lagerei-Berufs-
genossenschaft jährliche Krankenkosten für die Unternehmen in Millionenhöhe.

Die geänderten Technischen Regelungen für Gefahrstoffe (Begasungen), TRGS
512, empfehlen deshalb bei „potentiell begasten Transporteinheiten“ (Merk-
male: Kennzeichnung entfernt oder unlesbar, Lüftungsschlitze verschlossen,
Frachtgut auf Holzpaletten, unspezifische Messungen oder sonstige Verdachts-
momente) eine Belüftungsdauer von 30 Minuten, die Einhaltung eines Abstan-
des von sechs Metern und eine Kontrollmessung mit einem geeigneten Mess-
system.

Es steht allerdings zu befürchten, dass sich die Umsetzung dieser Sicherheits-
vorkehrungen in der Praxis auf Grund zeitlicher Engpässe, der hohen Zahl
potentiell begaster (also z. B. mit Holzpaletten beladener) Container und insbe-
sondere in kleinen Unternehmen durch das Fehlen geeigneter Messgeräte oder
entsprechend ausgebildeten Personals als schwierig erweisen wird. Hinzu
kommt, dass durch die weit gefasste Definition nichtbegaster Container in
großer Zahl auch Lieferungen von Unternehmen betroffen sind, die zum Bei-
spiel vorbildlich hitzebehandelte Holzpaletten verwenden – und trotzdem als
potentiell begast eingestuft und in der Folge zeitraubenden Prozeduren unter-
worfen werden müssen.

Angesichts der großen Zahl begaster und in der Regel nicht gekennzeichneter
Container sind die Technischen Regelungen für potentiell begaste Transportein-
heiten notwendig. Darüber hinaus müssen jedoch Maßnahmen ergriffen werden,
um die Einhaltung der Kennzeichnungspflichten des IMDG-Codes durchzuset-
zen. Dies verlangt insbesondere eine konsequentere Kontrolle durch den Zoll.
Dazu ist vor allem die schnellstmögliche Ausstattung des Zolls mit geeigneten
mobilen Messgeräten notwendig. Dies dient auch der Verbesserung der Arbeits-
sicherheit. Bisher verfügt in Deutschland nur die Hamburger Polizei über drei
elektronische Prüfsonden, die Hafenbehörden Bremen sind mit Kurzzeit-Prüf-
röhrchen ausgestattet.

Auch müssen die Kontrollen zu konsequenteren Sanktionen führen: Die Ver-
letzung der Kennzeichnungsvorschriften des IMDG-Codes muss im Rahmen
der internationalen Vereinbarungen europaweit geahndet und damit ein Anreiz
zur Einhaltung der Kennzeichnungspflichten geschaffen werden. Eine nationale
Regelung ist hier nicht Ziel führend, weil in der Folge Warenströme allenfalls
umgelenkt werden und belastete Container dann aus anderen europäischen
Häfen nach Deutschland gelangen.

Auf der anderen Seite müssen Mittel und Wege gefunden werden, um Container,
die keine toxischen Rückstände beinhalten, jedoch auf Grund bestimmter Merk-
male derzeit als potentiell begast eingestuft werden müssen, von den aufwän-
digen und zeitraubenden Vorsichtsmaßnahmen nach der TRGS 512 zu befreien.
So wird auch ein zusätzlicher Anreiz zur Nutzung alternativer, nicht gesund-
heitsschädlicher Methoden geschaffen (z. B. für die Nutzung hitzebehandelter
Holzpaletten anstelle einer Methylbromid-Begasung).

Ein weiteres sich im Zusammenhang mit der Begasung von Import-Containern
stellendes Problem ist die mögliche Gefährdung für die Verbraucher. In vielen
Fällen handelt es sich bei den begasten Gütern um besonders sensible Gegen-
stände des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Lebens- und Genussmittel,
Matratzen, Spielzeug, selten gereinigte Kleidungsstücke (Jacken, Mäntel),
Möbel u. Ä., über die auch Käufer der Produkte eventuell über einen längeren

Zeitraum und/oder sehr intensiv mit dem Giftstoff in Berührung kommen

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können. Auch Lebensmittel-Verpackungen bieten nicht in jedem Fall einen
zuverlässigen Schutz. So wurden in einer niederländischen Untersuchung in
30 Prozent der Lebensmittel Rückstände von Methylbromid festgestellt. In
17 Prozent der Fälle wurden die zulässigen Grenzwerte überschritten. Nach
Auskunft der Bundesregierung liegen Erkenntnisse über die Situation in
Deutschland bisher nicht vor. Auch erlaubten die niederländischen Ergebnisse
keine Rückschlüsse, ob die in Deutschland gültigen Höchstmengen nach der
Rückstand-Höchstmengenverordnung überschritten werden.

Daher ist es notwendig, dass in einem ersten Schritt schnell und entschieden
Untersuchungen angestellt werden, um das tatsächliche Ausmaß dieses Pro-
blems und etwaige gesundheitliche Risiken für die Verbraucher in Deutschland
festzustellen. In einem zweiten Schritt sind geeignete Maßnahmen zu prüfen,
um möglicherweise festgestellte Risiken abzustellen oder zumindest zu be-
grenzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– den Zoll umgehend mit geeigneten mobilen Messgeräten auszustatten, um
eine schnelle und sichere Überprüfung von Import-Containern zu ermög-
lichen;

– sich auf europäischer Ebene für konsequentere Kontrollen sowie für schär-
fere Sanktionen für nicht entsprechend den IMDG-Vorschriften gekennzeich-
nete begaste Container einzusetzen;

– in Zusammenarbeit mit den Ländern sowie betroffenen Unternehmen,
Verbänden und Institutionen die Funktionalität der überarbeiteten TRGS 512
zu evaluieren und dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis zu berichten;

– Verfahren zu prüfen, um verantwortungsbewusste Unternehmen von aufwän-
digen Vorsichtsmaßnahmen zu entlasten (z. B. durch freiwillige Unterneh-
menszertifizierungen oder die Möglichkeit einer freiwilligen Kennzeichnung
nichtintoxinierter Container);

– Untersuchungen anzustellen, ob und inwieweit sensible Verbrauchsgüter
durch toxische Rückstände belastet sind;

– gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Ländern Konzepte zu entwickeln,
um die Belastung sensibler Verbrauchsgüter möglichst frühzeitig zu erken-
nen bzw. die Ursachen für gesundheitsschädliche Belastungen zu bekämpfen.

Berlin, den 12. Juni 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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