BT-Drucksache 16/5604

Ein Konzept für die Budgethilfepraxis vorlegen und die Gewährung von Budgethilfe an strenge Kriterien knüpfen

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5604
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Antrag
der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst
Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam
Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Ein Konzept für die Budgethilfepraxis vorlegen und die Gewährung von
Budgethilfe an strenge Kriterien knüpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Angesichts geringer Erfolge bei der Armutsbekämpfung orientiert sich seit dem
Ende der 90er-Jahre die weltweite Entwicklungszusammenarbeit (EZ) um. Es
wuchs die Erkenntnis, dass nachhaltige Entwicklung nicht von außen implemen-
tiert werden kann. Um die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit zu
erhöhen, soll deshalb durch neue Formen der Kooperation den Regierungen der
Empfängerländer mehr Verantwortung übertragen werden. Grundlage dafür bil-
det die im Jahr 1999 von der Weltbank eingeführte Initiative „Poverty Reduction
Strategy Plan“ (PRSP). Danach sollen die Regierungen der Empfängerländer
gemeinsam mit den Zivilgesellschaften eine Armutsminderungsstrategie erar-
beiten, auf deren Grundlage die Geber ihre Entwicklungsleistungen ausrichten.
Als ein Element dieser neuen Entwicklungsagenda ist die sog. Budgethilfe ein
Instrument der finanziellen Zusammenarbeit, bei dem die Geber Mittel direkt in
die Staatshaushalte der Empfängerländer einzahlen. In der bilateralen, europäi-
schen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit wird Budgethilfe aber
auch als probate Maßnahme zur Beschleunigung des Mittelabflusses gesehen,
was aufgrund der steigenden Verpflichtungen zur internationalen öffentlichen
Entwicklungshilfe (ODA) weithin als Erfolgskriterium schlechthin gewertet
wird. Obgleich unbestritten Budgethilfe in Einzelfällen positive Wirkungen auf
die öffentliche Finanzverwaltung und Prozesse der Haushaltspolitik in den
Nehmerländern haben kann, stehen jedenfalls der jetzt beabsichtigten massiven
Ausweitung der Budgethilfen durch die Bundesregierung und die Europäische
Kommission schwerwiegende Bedenken entgegen.

Drucksache 16/5604 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1. Bisherige Bewilligungspraxis der Bundesregierung

Mit dem Bekenntnis der Bundesregierung zu der Paris-Deklaration aus dem Jahr
2005 manifestiert sich dieser neue Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit
durch den Wechsel von dem bisher verfolgten Projektansatz hin zu einem pro-
grammorientierten Ansatz (PGF) als effektiverer Form der Entwicklungszusam-
menarbeit. Die wichtigsten programmorientierten Ansätze sind die allgemeine
und sektorale Budgethilfe sowie SWAPs (sector wide approaches). Die allge-
meine Budgethilfe, die in den Gesamthaushalt des Empfängerlandes fließt, und
die sektorale Budgethilfe, die nur für bestimmte Sektoren bestimmt ist, stellen
die internationalen Geber regelmäßig in Form von Tranchen direkt und ohne
Zweckbindung zur Verfügung. Seit dem Beginn der Gewährung von Budget-
hilfen durch die Bundesregierung im Jahr 2001 hat sie dieses noch bis dahin
unerprobte Instrument der Entwicklungszusammenarbeit massiv ausgeweitet,
obwohl aussagekräftige Evaluierungen noch kaum vorliegen. Bereits 2005 be-
trug die deutsche Beteiligung an derartigen PGF-Maßnahmen im Rahmen der
finanziellen Zusammenarbeit 435 Mio. Euro, wovon 243 Mio. Euro als allge-
meine Budgethilfe und 192 Mio. Euro als sog. Korbfinanzierung oder als sekto-
rale Budgethilfe gewährt wurden. Die im selben Jahr in einem Operationsplan
des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) angekündigte stärkere Programmorientierung der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit realisierte die Bundesregierung 2006, indem sie die für
PGF vorgesehenen Mittel auf 545 Mio. Euro erhöhte. Das bedeutet, dass 2006
rund ein Viertel der Mittel der finanziellen Zusammenarbeit als Beiträge zu
Budgethilfen und in andere Formen von PGF geflossen ist. Eine weitere Aus-
weitung von PGF-Maßnahmen ist vorgesehen. So plant die Bundesregierung, ab
2007 bis zu 50 Prozent der bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit
als PGF-Maßnahmen zu gewähren. Bis zum Jahr 2010 sollen sogar etwa 66 Pro-
zent des Gesamtvolumens der finanziellen Zusammenarbeit als PGF gewährt
werden. Da allgemeine und sektorale Budgethilfen die wichtigsten PGF-Formen
sind, ist abzusehen, dass die Budgethilfe bis 2010 einen entsprechend großen
Teil der finanziellen Zusammenarbeit der Bundesrepublik ausmachen wird.

Derzeit erhalten 16 Staaten, darunter 9 afrikanische Staaten, Budgethilfe. 2006
waren 30 von 53 Vorhaben in Ländern geplant, mit denen bislang keine PGF-
Zusammenarbeit bestand. So empfangen immer mehr Länder Budgethilfe.
Grundlage für die Gewährung deutscher Budgethilfe sind nach wie vor lediglich
ein internes Positionspapier und eine „Handreichung“ zur Mitwirkung an ge-
meinschaftlichen Finanzierungen des BMZ von 2001. Danach soll allgemeine
Budgethilfe auf die Mitfinanzierung von Poverty Reduction Strategy Credits
(PRSCs) der Weltbank begrenzt sein. Dabei stehen der Bundesregierung eigene
Gestaltungsspielräume, etwa bei der Bewertung von Indikatoren oder der
Bemessung des Auszahlungsvolumens, nicht zu. In der Praxis der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit wurden bereits Budgethilfen ohne Anbindung an
PRSC gewährt, so im Fall Mosambiks und Ghanas. Die Realität der deutschen
Beteiligung an Budgethilfen stimmt also in Teilen nicht einmal mehr mit den
vagen Zielvorgaben der Strategiepapiere des BMZ überein. Es fehlt ein Kon-
zept, welches die Voraussetzungen für Budgethilfegewährung in der deutschen
Bewilligungspraxis festlegt und die Instrumente dafür klar definiert.

2. Budgetbewilligung an strenge Voraussetzungen knüpfen

An die Voraussetzungen für die Gewährung von Budgethilfe müssen strenge
Anforderungen gestellt werden. Das mit der Budgethilfebewilligung verfolgte
Ziel der Übernahme von Eigenverantwortung der Empfängerländer durch mit-
telfristige Entwicklungspläne setzt die entsprechende Aufnahmefähigkeit, also
insbesondere die Funktionsfähigkeit von Regierung und Verwaltung sowie aus-
reichender Kapazitäten für die Umsetzung der Programme voraus. Dort, wo
solche stabilen staatlichen Strukturen nicht gegeben sind, kann Budgethilfe auch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5604

kein taugliches Instrument der Entwicklungszusammenarbeit sein. Erste Eva-
luierungen haben gezeigt, dass sich die mit der Budgethilfe verbundenen hohen
Erwartungen nur zum Teil erfüllt haben. Trotz des großen Mittelaufwandes
konnte die Einkommensarmut nicht im beabsichtigten Maße reduziert werden.
Zudem ist der von der Empfängerseite und bei zivilgesellschaftlichen Akteuren
erhoffte Rückgang des Gebereinflusses auf die Politik in den Empfängerländern
bisher ausgeblieben. Vielmehr hat die Koordinierung der Geber durch Budget-
hilfearbeitsgruppen einerseits zur Verlagerung des Politikdialogs auf höchste
politische Entscheidungsebene und andererseits zu einem größeren Machtun-
gleichgewicht zwischen den Akteuren geführt. So ist es in den untersuchten
Ländern nicht gelungen, Parlamente und Zivilgesellschaft in die Diskussion
über die Leistungen und Erfolge bei der Umsetzung der Armutsstrategien einzu-
beziehen.

Mit dem Finanzierungsinstrument der Budgethilfe soll ein größeres Gewicht auf
die konkrete Messbarkeit der Maßnahmen erreicht werden. Auch hier bleibt die
Umsetzung hinter den Erwartungen zurück. Die Gewährung von Budgethilfe an
Ergebnisse und Auswirkungen statt an bestimmte Politikmaßnahmen zu knüp-
fen, erfordert lokale Auswertungskapazitäten; Maßnahmen mit langer Laufzeit
können gar nicht einbezogen werden. Eine weitere zentrale Erwartung an die
Budgethilfe, die Senkung der Transaktionskosten, also jener Kosten, die für
Verwaltung und Abwicklung von Entwicklungszusammenarbeit anfallen, wurde
sogar völlig verfehlt. Bisherige Untersuchungen haben vielmehr steigende
Transaktionskosten nachgewiesen. Dies ist auch plausibel, da bei Fortbestand
der herkömmlichen Strukturen neue Parallelstrukturen aufgebaut werden müs-
sen. Aufgrund der unterschiedlichen nationalen Interessen an der Sichtbarkeit
der Maßnahmen kann das für ein Land wie Tansania bedeuten, 2 000 Berichte
zu verfassen und 1 000 Gebermissionen zu empfangen. In Uganda wurden allein
30 verschiedene Budgethilfeinstrumente ausgemacht. Dies überfordert natur-
gemäß die Nehmerländer.

Budgethilfeprogramme fokussieren – ebenso wie die Poverty Reduction Strate-
gies der Weltbank, die ihnen zugrunde liegen – noch zu wenig auf die öko-
nomische Entwicklung. Es fehlen positive Anreize dafür, die Eigenfinan-
zierungskapazität der Nehmerländer zu stärken. Schwache Finanzsysteme,
treuhänderische Risiken und Korruption sind weiterhin ungelöste Probleme der
Budgethilfegewährung. Nur eine sorgfältige Auswahl geeigneter Instrumente
im Einzelfall sichert die Qualität der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Die Einschätzung der Förderungswürdigkeit hängt von vielen Kriterien ab, die
in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden müssen. Zielgruppe für Budget-
hilfebewilligungen dürfen ausschließlich Länder mit relativ guter Regierungs-
führung sein, deren Zahl leider noch immer sehr begrenzt ist. Die Bundesregie-
rung zeigt sich jedoch auch für Länder mit fragiler Staatlichkeit offen. So betei-
ligt sich die Bundesregierung in Uganda in Form einer Mitfinanzierung eines
Weltbank-Armutskredites mit einem Gesamtvolumen von 12 Mio. Euro am
Staatshaushalt, obgleich die politische Situation des Landes dies nicht rechtfer-
tigt. Die politische und wirtschaftliche Lage in Uganda hat sich nach anfäng-
licher Besserung nach der Machtübernahme Yoweri Kaguta Musevenis in den
letzten Jahren wieder massiv verschlechtert. Kriegerische Auseinandersetzun-
gen der ugandischen Regierung mit der Rebellenführung im Norden des Landes
sind mit einem Flüchtlingselend von etwa 1,4 Millionen Betroffenen verbunden.
Kritik zog Uganda auch wegen stark verbreiteter Korruption und unbefriedigen-
der Regierungsführung auf sich, worauf die internationale Gebergemeinschaft
mit einer Kürzung der Budgethilfe um 10 Prozent reagiert hat. In den meisten
Fällen handelt es sich jedoch nicht um Kürzungen, sondern um Umwidmungen
zugunsten humanitärer Hilfsprojekte in Norduganda. Auf die makroökonomi-
sche Stabilität haben die Kürzungsmaßnahmen ebenfalls keinen Einfluss: zum
einen verfügt die Bank von Uganda über Reserven von inzwischen 1,3 Mrd.

Drucksache 16/5604 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

US-Dollar, zum anderen rechnet das ugandische Finanzministerium bei seiner
Budgetplanung von vornherein mit einem sog. Budget-Support Discount Factor,
d. h. es geht bereits davon aus, dass nur ein Teil der Budgethilfe realisiert wird.

Nach den bisherigen Evaluierungsergebnissen ist eine Ausweitung von Budget-
hilfen zu Lasten anderer EZ-Instrumente deshalb nicht zu rechtfertigen. Nach
wie vor gibt es Länder, in denen Budgethilfe nicht sinnvoll, bzw. gar nicht zu
verantworten ist. 2004 beteiligte sich die Bundesregierung im Rahmen eines
PRSC in Höhe von 10 Mio. Euro an Budgethilfe in Nicaragua. Aufgrund einer
politischen Krise und der lang anhaltenden Handlungsunfähigkeit der Regierung
existierten Probleme bei der öffentlichen Haushaltserstellung, die eine an der
Armutsminderung orientierte Verwendung der Mittel mehr als zweifelhaft er-
scheinen lassen. Während Großbritannien diese treuhänderischen Risiken 2005
als inakzeptabel hoch einschätzte, zahlten Deutschland und andere Geber die
Budgethilfe vollständig oder zumindest zu einem Teil aus. Das war und wäre in
vergleichbaren Fällen auch in Zukunft unverantwortlich. Länder, die die Förder-
kriterien nicht mehr einhalten, dürfen keine weitere Budgethilfe erhalten.

3. Budgethilfebewilligungspraxis der EU

Der Trend zur Ausweitung der Budgethilfebewilligungen und -auszahlungen
zeigt sich besonders in der Entwicklungszusammenarbeit der EU. Von 2000 bis
2004 haben sich die Bewilligungen europäischer Budgethilfe verdoppelt. Im
Jahr 2004 zahlte die EU insgesamt 624 Mio. Euro als Budgetzuschüsse aus, im
Jahr 2005 stieg dieser Betrag auf 770 Mio. Euro. Derzeit sind 21 Prozent aller
Neuzusagen Budgethilfebewilligungen. Die EU-Kommission hat bekräftigt, bis
2007 die Bewilligungen noch zu steigern. Zielvorgabe bis 2010 ist, 66 Prozent
der ODA-Leistungen im Rahmen programmorientierter Ansätze bereitzustellen,
wobei die Budgethilfe ca. 50 Prozent ausmachen wird. Zudem geht der Trend in
der EU eindeutig dahin, die Laufzeiten von Budgethilfen auszuweiten, um, wie
es heißt, die Vorhersehbarkeit des Budgets für die Nehmerländer zu erhöhen.

Auch für die Finanzhilfen der EU müssen die Kriterien gelten, wie sie der
Deutsche Bundestag für die bilaterale deutsche Entwicklungszusammenarbeit
fordert. Schwerpunkt europäischer Entwicklungszusammenarbeit muss deshalb
auch im Bereich der Budgethilfe einerseits die Evaluierung der konkreten Aus-
wirkungen der Budgethilfe und andererseits die Koordinierung der Geber inner-
halb der EU sein. Ein solcher politischer Dialog kann im EU-Parlament auf-
grund der Gewährungspraxis jedoch nicht stattfinden. Die EU-Kommission hat
Schwierigkeiten, die Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Budgethilfepraxis
zu bewegen, und sie hat es versäumt, die Budgetmanagementsysteme zu verbes-
sern, obwohl der Europäische Rechnungshof dies bereits 2001 angemahnt hat.

Ein Großteil der Budgethilfe der EU wird im Rahmen des Europäischen
Entwicklungsfonds (EEF) zur Verfügung gestellt. Von den 2005 ausgezahlten
770 Mio. Euro gingen 148 Mio. Euro an die Mittelmeeranrainer, 8 Mio. Euro
nach Asien und 606 Mio. Euro an die AKP-Staaten (Afrika, Karibik und
Pazifik). Damit flossen 2005 knapp 80 Prozent der von der EU geleisteten Bud-
gethilfen über den EEF. Die Bundesregierung kontrolliert die Umsetzungs-
aktivitäten des EEF lediglich im Rahmen der so genannten Komitologieaus-
schüsse (EEF-Ausschuss). Auf die Programmdurchführung hat die Bundes-
regierung im Gegensatz zu der Programmbewilligung keinerlei Einfluss. Der
EEF ist nicht in den EU-Haushalt eingestellt und unterliegt damit nicht der
Kontrolle des EU-Parlaments. Die Integration des EEF in den EU-Haushalt ist
längst überfällig, da nur so Budgetklarheit und parlamentarische Kontrolle, hier
des Europäischen Parlaments, zu gewährleisten sind. Die Integration ist umso
dringlicher, als die internationalen Geber mit der Gewährung von Budgethilfe
auf Transparenz und Stärkung der Kontrollrechte der Parlamente in den Neh-
merländern abzielen. Diese Forderung ist jedoch unglaubwürdig, wenn die EU

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5604

selbst dem Europäischen Parlament vollständige Transparenz der Budgethilfe-
bewilligungen und Kontrolle über den Haushalt für den EEF versagt.

Seit 2002 unternimmt die EU-Kommission Maßnahmen zur Bekämpfung des
nur schleppenden Abflusses der Mittel aus dem EEF. Ursachen für die langsame
Durchführung der EEF-Maßnahmen sind politische Unruhen und eine man-
gelnde Absorptionsfähigkeit in den Nehmerländern aber ebenso die Schwer-
fälligkeit der Durchführungsverfahren der EU-Kommission. Dabei waren admi-
nistrative Probleme der EU mit 40 Prozent Hauptgrund für verspätete oder
ausbleibende Auszahlungen. Zur Beschleunigung des Mittelabflusses werden
daher zunehmend Instrumente der raschen Auszahlung, vor allem Budgethilfen,
genutzt. Auffallend ist, dass der Budgethilfeanteil innerhalb des EEF mit über
23 Prozent weit über dem Anteil der Budgethilfe des allgemeinen Entwicklungs-
haushalts mit 17 Prozent liegt. Vor dem Hintergrund des 10. EEF und der darin
festgeschriebenen „sunset clause“, welche die Übertragung der Restmittel auf
den künftigen EEF verbietet, ist eine weitere Ausweitung der Budgethilfe zur
Beschleunigung des Mittelabflusses und damit die Gefahr unzweckmäßiger
oder gar zweckwidriger Verwendung absehbar.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● ein klares Konzept für Budgethilfe vorzulegen, welches die Vergabekriterien
und die Leistungsindikatoren transparent macht,

● keine Budgethilfen zu leisten, die nicht klaren Vergabekriterien entsprechen,
sondern lediglich dem Zweck dienen, einen beschleunigten Mittelabfluss und
damit eine künstliche Erhöhung der ODA-Quote zu bewirken,

● das Gesamtvolumen der Budgethilfen nicht auszuweiten bevor weitere Eva-
luierungen der bereits gewährten und der für die Zukunft vorgemerkten
Budgethilfen vorliegen und bestehende Defizite in der Budgethilfepraxis be-
hoben sind,

● durch die Budgethilfen andere wirkungsvolle EZ-Instrumente nicht zu ver-
drängen, da sowohl Projekthilfe als auch SWAPs komparative Vorteile
gegenüber Budgethilfen haben,

● Budgethilfe regelmäßig nur innerhalb eines Instrumentenmixes aus Projekt-,
Programm- und Gemeinschaftsfinanzierung zu gewähren,

● aufgrund der Komplexität der Prozesse, die beim Einsatz von Budgethilfe be-
achtet werden müssen, Budgethilfebewilligungen der deutschen EZ weiter-
hin nur im Rahmen formalisierter Gebergruppen zu gewähren,

● die Debatte über geeignete Strukturen im Bereich öffentlicher Finanzen auf
der Nehmerseite als zentrales Thema des Politikdialogs zwischen der Bun-
desregierung und der Nehmerseite zu verankern,

● bei der Umsetzung von Budgethilfeprogrammen der Bekämpfung der Ein-
kommensarmut und dem Wirtschaftswachstum mehr Gewicht zu geben und
die Schwerpunktsetzung bei der quantitativen Erhöhung der Grundversor-
gungsdienste zu reduzieren,

● die Einnahmemobilisierung der Entwicklungsländer zu stärken und sie beim
Aufbau effizienter Finanzverwaltungen und der Schaffung effektiver Steuer-
systeme zu unterstützen,

● Reformen der Steuer- und Gebührensysteme anzuregen, die durch einen ver-
stärkten Aufbau von Kapazitäten begleitet werden, wobei deutsche Institu-
tionen aufgrund ihrer sektoralen Erfahrungen insbesondere in den Bereichen
der Nutzerfinanzierung und der Effizienzverbesserung konstruktive Beiträge
in den Dialog einbringen und darüber hinaus die Reform der Steuerpolitik
durch die Beratung der zuständigen Institutionen unterstützen können,

Drucksache 16/5604 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Budgethilfen nur an Länder mit ausreichender Qualität der öffentlichen
Finanz- und Kontrollverfahren und einer guten governance performance zu
gewähren und die Ausweitung der Bewilligungspraxis auf weitere Entwick-
lungsländer an strenge Voraussetzungen zu knüpfen,

● keine Budgethilfezahlungen an fragile Staaten zu leisten,

● darauf hinzuwirken, dass die Laufzeiten von Budgethilfebewilligungen zeit-
lich befristet werden und auch die folgenden Tranchen nur bei Einhaltung der
Kriterien ausgezahlt werden,

● ihre starke Position als größter Beitragszahler des 10. EEF zu nutzen, um die
Ausweitung von Budgethilfebewilligungen zu bremsen und die Integration
des EEF in den EU-Haushalt voranzutreiben, damit endlich Transparenz und
parlamentarische Kontrolle über Budgethilfegewährungen sichergestellt
werden, und

● darauf hinzuwirken, dass die EU-Kommission ebenfalls sowohl die Be-
wertungskriterien für Budgethilfe evaluiert und präzisiert und die Budget-
managementsysteme besser koordiniert.

Berlin, den 12. Juni 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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