BT-Drucksache 16/5598

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/4391, 16/5522- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft

Vom 12. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5598
16. Wahlperiode 12. 06. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Martin Zeil, Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, Gudrun Kopp,
Birgit Homburger, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Hellmut Königshaus, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Horst Meierhofer, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela
Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksachen 16/4391, 16/5522 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer
Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Dem Mittelstand kommt in unserem Land eine entscheidende Bedeutung zu,
mehr als drei Viertel aller Beschäftigten arbeiten in kleinen und mittleren Unter-
nehmen, ca. 80 Prozent aller Auszubildenden werden dort ausgebildet und fast
die Hälfte der deutschen Wirtschaftsleistung wird hier erbracht. Deshalb ist eine
entschiedene Politik der Bundesregierung mit dem wirtschaftspolitischen Ziel,
die Bürokratielasten und Bürokratiekosten zu senken, zwingend erforderlich,

um so Rahmenbedingungen zu schaffen, in dem die Unternehmen ihre Poten-
tiale voll entfalten und im internationalen Wettbewerb bestehen können.

Trotz der positiven Außenwirtschaftsbilanz leidet das Wirtschaftswachstum in
Deutschland immer noch unter einer ausufernden und hemmenden Bürokratie.
Die bisherigen Versuche diesem Problem zu begegnen führten nur zu margina-
len Ergebnissen und am Ende wurde auch das Jahr 2006 zu einem Jahr mit zu-
sätzlichen bürokratischen Belastungen.

Drucksache 16/5598 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Viele der 5 000 Gesetze und Verordnungen mit fast 90 000 Einzelvorschriften
beschränken unternehmerische Kreativität und Gestaltungskraft. Die fast 11 000
Informationspflichten führen zu einem enormen, kaum noch zu überblickenden
bürokratischen Aufwand für die Unternehmen. Die daraus entstehenden Kosten
werden vor allem von den kleinen und mittleren Unternehmen getragen. Die
Ausmaße der Bürokratie und die damit verbundenen Kosten haben sich in
Deutschland zu einem wesentlichen Hemmnis für das wirtschaftliche Wachstum
und die Schaffung neuer Arbeitsplätze entwickelt. Ein großer Teil dieser büro-
kratischen Hemmnisse liegt direkt im Verantwortungsbereich des Bundes. Die
Bürokratiekosten der Unternehmen erstrecken sich dabei auf die Rechtsberei-
che: Sozialversicherung, Steuern und Zoll, Arbeitsrecht und Arbeitsschutz, Um-
weltschutz und Statistiken.

Bei jährlichen Bürokratiekosten für die Wirtschaft von 46 Mrd. Euro (Institut für
Mittelstandsforschung) reicht die vorgesehene Entlastungswirkung von 58 Mio.
Euro aber bei Weitem nicht aus. Hier sind weitere Schritte erforderlich. Außer-
dem ist die Politik der Bundesregierung widersprüchlich, wenn durch andere
Gesetze wieder neue bürokratische Regelungen geschaffen werden, wie z. B.
durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder die so genannte Gesund-
heitsreform.

Die bürokratischen Strukturen in Deutschland sind immer noch gekennzeichnet
von länderspezifischen Unterscheidungen bei Gesetzen und Verordnungen, die
keinen Sinn machen und zu erhöhtem Verwaltungs- und Bürokratieaufwand bei
den Unternehmen führen, ohne erkennbare Gründe oder Vorteile. Bei der Be-
trachtung sind also nicht nur die Bürokratiekosten auf Bundesebene, sondern
auch auf Landesebene zu berücksichtigen.

Der Staat sollte sich grundsätzlich auf die Erbringung seiner hoheitlichen Auf-
gaben beschränken und nicht durch Ausweitung seiner Staatstätigkeit als Kon-
kurrent zu privatwirtschaftlichen Unternehmen auftreten.

Die Fraktion der FDP bedauert, dass viele Vorschläge, die in der Vergangenheit
zum Bürokratieabbau unterbreitet wurden (z. B. die Vorschläge zum
ersten Mittelstandsentlastungsgesetz (Bundestagsdrucksache 16/2040 und Aus-
schussdrucksache 16(9)212)), weder im ersten noch im zweiten Mittelstands-
entlastungsgesetz Berücksichtigung gefunden haben. Auch viele Verbände der
betreffenden Branchen haben umfangreiche Vorschläge zur Reduzierung der
Bürokratielasten erarbeitet, die aber weitestgehend ungehört geblieben sind.

Für die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit Deutschlands im internationalen Wett-
bewerb ist es wichtig, ein drittes Mittelstandsentlastungsgesetz auf den Weg zu
bringen, um die Mängel und Unvollständigkeiten des ersten und zweiten Mittel-
standsentlastungsgesetzes zu beheben und endlich spürbare Entlastungen für die
Unternehmen zu erreichen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Befugnisse des Normenkontrollrates auch auf die Überprüfung der Büro-
kratiekosten von Gesetzentwürfen die von den Fraktionen aus der Mitte des
Bundestages und des Bundesrates zu erweitern und dabei nicht nur die Infor-
mationspflichten, sondern die gesamten bürokratischen Belastungen zu be-
trachten;

2. die Bürokratiekosten nicht erst bis 2011 um 25 Prozent zu reduzieren, son-
dern dieses Ziel schon bis 2009 zu erreichen;

3. davon abzusehen, mit dem Mittelstandsentlastungsgesetz II das Dienst-
leistungskonjunkturstatistikgesetz einzuführen, da dies zu zusätzlichen büro-

kratischen Belastungen führt;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5598

4. die Informationspflichten beim Betriebsübergang (§ 613a des Bürgerlichen
Gesetzbuchs – BGB) im Sinne der EU-Richtlinie 2001/23/EG zu vereinfa-
chen;

5. den mit dem Jahressteuergesetz 2007 eingeführten Anspruch auf Kosten-
erstattung für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft über die steuer-
liche Beurteilung von bestimmten Sachverhalten wieder abzuschaffen;

6. die Grenze für die Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 der Abga-
benordnung auf 1 Mio. Euro zu erhöhen;

7. die Verwendungspflicht des EÜR-Formulars abzuschaffen (§ 60 Abs. 4 Ein-
kommensteuer-Durchführungsverordnung);

8. die Betragsgrenze für die Definition und die Bestandserfassung von ge-
ringwertigen Wirtschaftsgütern (§ 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes –
EStG) entsprechend der Inflationsentwicklung anzupassen;

9. das öffentliche Vergaberecht dahingehend zu vereinheitlichen, dass die
durch die EU-Schwellenwerte bestimmten Unterscheidungen nicht zu zu-
sätzlichem bürokratischen Aufwand führen und das GWB für das gesamte
Vergaberecht auf föderaler Ebene gilt;

10. eine bundesweite Plattform für die Vergabe von öffentlichen Ausschreibun-
gen zu schaffen und somit die unterschiedlichen Länderregelungen zu been-
den;

11. das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) so zu ändern, dass es erst ab einer
Betriebsgröße von mehr als 50 Mitarbeitern gilt und erst vier Jahre nach
Beginn des Arbeitsverhältnisses einsetzt;

12. das Betriebsverfassungsgesetz (§ 1 Abs. 1 BetrVG) so zu ändern, dass die
Gründung eines Betriebsrats erst in Unternehmen ab 20 Beschäftigten erfor-
derlich ist;

13. das Betriebsverfassungsgesetz (§ 9 BetrVG) so zu ändern, dass die vorge-
schriebene Anzahl der Mitglieder im Betriebsrat halbiert wird;

14. das Betriebsverfassungsgesetz (§ 38 BetrVG) so zu ändern, dass erst in Un-
ternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ein Betriebsratsmitglied freige-
stellt wird;

15. das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) dahingehend zu ändern, dass die
Versicherung gegen das Risiko der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
(Umlageverfahren U1) allein auf freiwilliger Basis erfolgt;

16. die Grenze für die Freistellung von Handwerksbetrieben von der Dokumen-
tationspflicht in § 18 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung zur Durchführung des
Fahrpersonalgesetzes EU-konform auf 100 Kilometer heraufzusetzen. Dazu
ist klarzustellen, dass Handwerker auch dann freigestellt bleiben, wenn sie
ihre Erzeugnisse zum Kunden transportieren;

17. bei der angekündigten Reform der gesetzlichen Unfallversicherung eine
gesetzliche Grundlage (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII) zu
schaffen, nach der das gesetzliche Sozialgerichtsverfahren unterbrochen
oder gehemmt wird, solange eine außergerichtliche Streitbeilegung mittels
eines Ombudsmannes oder Schiedsrichters läuft. Die außergerichtliche
Streitbeilegungsstelle soll eingerichtet und durch von Berufsgenossenschaf-
ten unabhängige Personen besetzt werden;

18. die Regeln für Auswärtstätigkeiten (§ 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG, R 37 bis 40 der
Lohnsteuerrichtlinie – LStR) zu vereinheitlichen;

Drucksache 16/5598 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
19. die Straßenverkehrsordnung (§ 30 StVO) dahingehend zu ändern, dass nur
noch an bundeseinheitlichen Feiertagen ein LKW-Fahrverbot gilt, um die
derzeitige nationale Zersplitterung zu umgehen;

20. für eine Vereinheitlichung bei der Erlangung von straßenrechtlichen und
straßenverkehrsrechtlichen Veranstaltungsgenehmigungen zu sorgen, um
eine Doppelbeantragung und damit einen erhöhten Verwaltungsaufwand zu
verhindern;

21. die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (§§ 18 bis 29 StVZO) dahinge-
hend zu ändern, dass Autobesitzer ihre Wagen künftig auch per Internet oder
direkt bei den Autohäusern zulassen können;

22. das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle anzuweisen, seine Ent-
scheidungen schneller, spätestens aber innerhalb von drei Monaten zu fäl-
len, um eine unzumutbar lange Wartezeit für die beteiligten Unternehmen
zu verhindern;

23. die Bauabzugsteuer (§§ 48 bis 48d EStG) wieder abzuschaffen, da der Er-
trag in keinem Verhältnis zum Aufwand steht;

24. die Regelungen des Baugesetzbuches zu vereinfachen, z. B., dass im Au-
ßenbereich genehmigte ältere Gebäude erneuert oder saniert werden kön-
nen, ohne dass eine kostentreibende und unsinnige „Wand-für-Wand-Sanie-
rung“ erfolgen muss;

25. den Zwang zum Bauantrag für Werbeschilder abzuschaffen, wenn lediglich
eine Neubeschriftung vorhandener Werbeträger erfolgt;

26. bei der Nutzungsänderung bezüglich der Umwidmung von Gewerberäumen
in vergleichbare Nutzungen die bestehende Antragspflicht durch eine An-
zeigepflicht zu ersetzen;

27. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass in die Richtlinie über
Elektro- und Elektronik-Altgeräte eine Bagatellregelung aufgenommen
wird, wonach die Regelungen der Richtlinie erst ab einer gewissen Zahl
jährlich produzierter Einheiten bzw. ab einer bestimmten Gewichtsmenge
anwendbar wird und nach einer entsprechenden Änderung der Richtlinie in
das ElektroG eine Kleinbetriebs-Regelung aufzunehmen;

28. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Stoffverbote und Ge-
trennthaltungspflichten nur dann vorgesehen werden, wenn diese aus öko-
logischen oder gesundheitlichen Gründen zwingend erforderlich sind und
eine Getrennthaltung technisch unumgänglich und verhältnismäßig ist.

Berlin, den 12. Juni 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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