BT-Drucksache 16/5483

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/1829, 16/5444- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5483
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Klaus Ernst, Karin Binder, Diana Golze,
Elke Reinke und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/1829, 16/5444 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Einelternfamilien sind heute eine sozial anerkannte und häufige Familien-
form. In der Bundesrepublik Deutschland leben inzwischen 15,3 Prozent aller
minderjährigen Kinder mit einem allein erziehenden Elternteil (Mikrozensus
2005). Im Jahr 2004 betrug der Anteil der Alleinerziehenden an allen Familien
bundesweit 20 Prozent, in Ostdeutschland lag er mit 25 Prozent sogar noch deut-
lich höher (Leben und Arbeiten in Deutschland, Sonderheft 1: Familien und Le-
bensformen – Ergebnisse des Mikrozensus 1996 bis 2004, S. 26). Viele alleiner-
ziehende Eltern und ihre Kinder sehen sich verstärkt mit wirtschaftlichen
Problemen konfrontiert. Zwar haben Kinder in der Regel einen Barunterhaltsan-
spruch gegenüber dem Elternteil, von dem sie getrennt leben, ihr Anspruch kann
jedoch in vielen Fällen nicht realisiert werden. Oftmals ist der barunterhalts-
pflichtige Elternteil finanziell nicht in der Lage, den Kindesunterhalt zu zahlen
oder er entzieht sich der Unterhaltspflicht. Das Ausbleiben des Unterhalts führt
zur erheblichen Verschlechterung der Situation Alleinerziehender und ihrer
Kinder. Der enge Zusammenhang zwischen der Einkommenssituation und dem
Familienstand der Eltern wurde im Zwölften Kinder- und Jugendbericht (Bun-
destagsdrucksache 15/6014) klar aufgezeigt. Es wurde ausgewiesen, dass
Alleinerziehende 2003 nur 70 Prozent des Durchschnittseinkommens erzielten
(Bundestagsdrucksache 15/6014, S. 64) und damit ein deutlich höheres Armuts-
risiko tragen. Sind es im Durchschnitt 16 Prozent, so leben knapp 40 Prozent der
Alleinerziehenden mit ihren Kindern in Armut. Die Unterhaltsvorschussleistung
ist daher ein notwendiger Baustein zur wirtschaftlichen Entlastung von Ein-
elternfamilien.
2. Die Mehrheit der Einelternfamilien ist wegen der gesetzlichen Leistungsbe-
grenzung von der Entlastung durch den Unterhaltsvorschuss ausgeschlossen.
Denn die Dauer der Leistungen ist auf maximal 72 Monate bzw. bis zum 12. Le-
bensjahr des Kindes begrenzt. Ist der Leistungsrahmen ausgeschöpft, sind die
Familien gezwungen, ohne Unterhaltszahlungen auszukommen. Zur Verbesse-
rung der wirtschaftlichen Situation von Einelternfamilien muss der Unterhalts-

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vorschuss so ausgebaut werden, dass er nicht nur eine vorübergehende Leistung
ist, sondern bei Bedarf bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in Anspruch ge-
nommen werden kann.

3. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene volle Anrechnung des Kinder-
geldes auf den Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen ist sozialpolitisch
fragwürdig, systematisch wenig stringent und führt zu einer Verschlechterung
der jetzigen Situation. Die Anrechnung führt dazu, dass trotz einer Erhöhung der
Unterhaltsvorschussleistung die ausgezahlte Summe in der Höhe nahezu gleich
bleibt. Auch der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts
(Bundestagsdrucksache 16/1830) nimmt eine andere Wertung vor, indem das
Kindergeld nur zur Hälfte vom Barbedarf abgezogen wird, wenn ein Elternteil
seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1612b Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB n. F.). Selbst diese Konstellation wird im Un-
terhaltsvorschussgesetz nicht ermöglicht. Auch die geplanten Neuregelungen im
Unterhaltsvorschussgesetz rechtfertigen eine volle Anrechnung des Kindergel-
des nicht. Denn weder in der Höhe noch in der Leistungsbezugsdauer ist der Un-
terhaltsvorschuss in seiner bisherigen Ausgestaltung geeignet, den tatsächlichen
Barbedarf eines Kindes zu decken oder dessen sozio-kulturelles Existenzmini-
mum zu sichern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf zu einer umfassenden Reform des Unter-
haltsvorschussgesetzes vorzulegen. Dieser soll folgende Punkte umfassen:

1. Die mögliche Bezugsdauer des Unterhaltsvorschusses wird von der Vollen-
dung des 12. auf die Vollendung des 18. Lebensjahres ausgeweitet.

2. Die Begrenzung der Dauer des Leistungsbezuges auf 72 Monate wird ab-
geschafft.

3. Die derzeit hälftige Anrechnung des Kindergeldes auf die Leistungen des
Unterhaltsvorschusses wird beibehalten.

Berlin, den 22. Mai 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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