BT-Drucksache 16/5479

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/3146, 16/5443- Entwurf eines Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz)

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5479
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Markus Kurth, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/3146, 16/5443 –

Entwurf eines Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben
und Zellen (Gewebegesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die EU-Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaf-
fung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von
menschlichen Geweben und Zellen soll für den wachsenden Sektor der Übertra-
gung menschlicher Gewebe und Zellen einheitliche Rahmenbedingung sicher-
stellen. Eine solche rechtliche Regelung ist dringend notwendig, um einerseits
medizinische Sicherheit für die betroffenen Patientinnen und Patienten zu
gewährleisten und andererseits eine Kommerzialisierung von Organ- und
Gewebespenden zu verhindern.

Aufgrund der verbesserten medizinischen Möglichkeiten ist die Nachfrage nach
menschlichen Geweben gestiegen. Mit menschlichen Geweben lassen sich
erhebliche Gewinne erwirtschaften. Oberstes Ziel bei der Umsetzung der Richt-
linie muss daher sein, der Kommerzialisierung von Teilen des menschlichen
Körpers entgegenzuwirken und einen ausschließlich an den Bedürfnissen der
Patientinnen und Patienten orientierten rechtlichen Rahmen zu schaffen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– Gewebetransplantate vom Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes
auszunehmen;
– sicherzustellen, dass alle zu transplantierenden Organe und Gewebe unter ein
gesetzliches Handelsverbot fallen;

– sicherzustellen, dass der Vorrang der Organ- vor der Gewebespende umfas-
send gewährleistet wird;

– die Entschädigungsregelungen für Gewebespenderinnen und -spender so
auszugestalten, dass diese lediglich auf den Ausgleich der durch die Spende

Drucksache 16/5479 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

entstandenen Aufwendungen gerichtet sind und eine direkte oder indirekte
Bezahlung von Gewebespenden verhindern;

– eine gerechte und an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orien-
tierte Koordinierung und Verteilung von Geweben frei von Interessen Dritter
zu gewährleisten;

– den Umgang mit fötalem und embryonalem Gewebe so zu regeln, dass die
Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch und dessen Durchfüh-
rung von der späteren Gewebespende nicht beeinflusst werden;

– die unter den im Gesetzentwurf festgelegten Voraussetzungen mögliche Kno-
chenmarksspende durch Minderjährige zwingend von der Zustimmung des
Vormundschaftsgerichts abhängig zu machen und sicherzustellen, dass die
Entscheidung über die Spende ausschließlich am Wohle des Spenders/der
Spenderin orientiert ist.

Berlin, den 23. Mai 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Umsetzung der
EU- Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Fest-
legung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung,
Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von mensch-
lichen Geweben und Zellen wird den in der Richtlinie enthaltenen Anforderungen
nicht gerecht.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ein Teil der Umsetzung der Richtlinie im Arz-
neimittelgesetz erfolgen soll. Dieser Weg wird von keinem anderen EU-Mit-
gliedstaat gewählt. Die rechtlichen Regelungen des Arzneimittelgesetzes wer-
den einerseits teilweise zu einer erheblichen Behinderung und Verteuerung
üblicher medizinischer Behandlungsverfahren führen. Sie gewährleisten ande-
rerseits jedoch nicht, dass der Handel mit Gewebe- und Zelltransplantaten aus-
geschlossen wird. Solange Gewebeeinrichtungen die Möglichkeit haben, zwi-
schen einer Zulassung und einer Genehmigung von Gewebetransplantaten zu
wählen. Nur die Genehmigung zieht ein Handelsverbot nach sich. Somit wird es
letztlich in das Ermessen der Betreiber einer solchen Einrichtung gestellt, ob ein
Transplantat wirtschaftlich verwertet werden kann oder nicht. Der Schutz vor
einem an kommerziellen Interessen orientierten Umgang mit Teilen des mensch-
lichen Körpers muss aus ethischen Gründen wie auch aus Gründen des Patien-
tenschutzes umfassend sichergestellt sein. Daher ist es unumgänglich, mensch-
liche Gewebe ausnahmslos einem Handelsverbot zu unterstellen.

Die Verteilung von Geweben sollte – wie bei Organspenden – zentral koordiniert
werden. So kann gewährleistet werden, dass die nach einem festen Kriterienka-
talog bedürftigsten Empfänger bei einer Transplantation zuerst berücksichtigt
werden und nicht kommerzielle Interessen ausschlaggebend für die Verteilung
von Geweben sind.

Es ist zwar zu begrüßen, dass der Vorrang der Organspende vor der Gewebeent-
nahme festgeschrieben wird. In der Praxis ist jedoch die Verwertung von Organ-
bestandteilen als Gewebe – im Vergleich zur Transplantation des Organs als

Ganzem – für die Gewebeeinrichtungen weitaus gewinnbringender. Daher ist es
fraglich, ob allein die Bestätigung durch eine Person, die von der Koordinie-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5479

rungsstelle beauftragt wurde, den Vorrang der Organspende interessenunabhän-
gig sicherstellen kann. Der Gefahr einer weiteren Verknappung der ohnehin
nicht ausreichenden Zahl von Spenderorganen muss vorgebeugt werden. Daher
sollte durch zusätzliche Regelungen zweifelsfrei gewährleistet werden, dass zu-
nächst die Vermittlung eines Organs als Ganzes versucht werden muss, bevor
Teile des Organs als Gewebespende verwertet werden dürfen.

Der vorliegende Gesetzentwurf regelt nicht, unter welchen Bedingungen ein Ge-
webespender eine Entschädigung verlangen kann. In der EU-Richtlinie wird
eine Präzisierung gefordert, nach der diese Entschädigung strikt auf den Aus-
gleich der Ausgaben und Unannehmlichkeiten beschränkt ist, die durch die
Spende entstanden sind. Dies wird nicht umgesetzt. Auch das Transplantations-
gesetz in seiner bisherigen Form enthält hierzu keine klare Regelung. Daher
kann nicht ausgeschlossen werden, dass potentielle Spender sich wegen der
Aussicht auf eine (entsprechend hohe) „Entschädigung“ zu einer Spende
entschließen. Dies steht im Widerspruch zum Grundsatz der freiwilligen und
unentgeltlichen Gewebespende, der durch die EU-Richtlinie gerade sicher-
gestellt werden soll.

Besonders relevant wird dieser Aspekt im Zusammenhang mit der Verwertung
von fötalem und embryonalem Gewebe. Gerade für diese Fälle ist eine klare
Entschädigungsregelung unerlässlich, will man die indirekte „Bezahlung“ von
Schwangerschaftsabbrüchen ausschließen. Zudem muss ausgeschlossen wer-
den, dass ein Arzt, der an einem Schwangerschaftsabbruch beteiligt ist, später
auch an der Verwertung des embryonalen oder fötalen Gewebes beteiligt werden
darf. Nur so kann ein auch ethisch problematischer Interessenkonflikt ausge-
schlossen werden.

Die Knochenmarksspende durch Minderjährige muss auf das absolut Unerläss-
liche beschränkt werden. Das Wohl der Spenderin/des Spenders muss – wie in
der bisherigen Einzelfallpraxis zwischen Geschwistern – das ausschlaggebende
Kriterium für die Entscheidung sein. Nur wenn der Verlust eines nächsten An-
gehörigen das Wohlergehen der Spenderin/des Spenders wesentlich mehr beein-
trächtigen würde als die Spende selbst, kann ein solcher Eingriff gerechtfertigt
sein. Bei der Entscheidung über eine solche Spende sollte das Vormundschafts-
gericht als neutrale Instanz zwingend einbezogen werden, um die Berücksich-
tigung der Interessen der Spenderin/des Spenders und ihr/sein Wohlergehen zu
gewährleisten.

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