BT-Drucksache 16/5420

Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf deutschen Autobahnen

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5420
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Volker
Beck (Köln), Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf deutschen
Autobahnen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes bzw. der Straßenverkehrsordnung
vorzulegen, mit denen auf deutschen Autobahnen zum 1. Januar 2008 als klima-
politische Sofortmaßnahme zur Reduktion der CO2-Emissionen aus dem Ver-
kehrssektor und als Beitrag für mehr Verkehrssicherheit auf Autobahnen eine
generelle Geschwindigkeitsobergrenze von 120 Kilometern pro Stunde ein-
geführt wird.

Berlin, den 23. Mai 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Deutschland ist weltweit das einzige Industrieland, auf dessen Autobahnen
keine generelle Geschwindigkeitsgrenze gilt. Alle unsere Nachbarländer haben
ein Tempolimit. In Frankreich, Luxemburg, Österreich, Tschechien, Polen und
Dänemark liegt es bei 130 km/h, in Belgien, in den Niederlanden und der
Schweiz bei 120 km/h.

Ein Tempolimit von 120 km/h würde den deutschen Sonderweg endlich beenden
und einen Beitrag zur Harmonisierung der Geschwindigkeiten auf EU-Ebene
liefern. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das als Transitland besonders
wichtig.

Eine Entscheidung für die Einführung eines Tempolimits trifft auch auf hohe
Akzeptanz in der Bevölkerung. Aktuelle Umfragen belegen, dass sich die

Mehrheit der Bürger für ein Tempolimit auf Autobahnen als eine Maßnahme
für mehr Klimaschutz ausspricht. Im Februar 2007 befürworteten in einer
Forsa-Umfrage für das Magazin „stern“ 60 Prozent der Befragten eine Ge-
schwindigkeitsbeschränkung, um so den Ausstoß des Treibhausgases Kohlen-
dioxid zu verringern.

Drucksache 16/5420 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eine Studie des Umweltbundesamtes ermittelte bei einer generellen Geschwin-
digkeitsbeschränkung von 120 km/h einen Rückgang der von PKW auf Bundes-
autobahnen verursachten CO2-Emissionen um 9 Prozent. Bezogen auf die Ge-
samtemissionen des Pkw-Verkehrs, ließen sich 3 Prozent der CO2-Emissionen
einsparen.

Bezieht man die Gesamtemissionen des Pkw-Verkehrs (CO2-Reduktion um
3 Prozent) auf den aktuellen Fahrzeugbestand und Kraftstoffverbrauch, so lie-
ßen sich als Sofortmaßnahme, nach dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) bis
2020 40 Mio. t CO2 einsparen. Das entspricht einer jährlichen CO2-Emmission
von 3,3 Mio. t und damit der Emission aller Busse bzw. eines Steinkohlenkraft-
werkes.

Für die übrigen Schadstoffe wurden für die Autobahn Reduktionen von 9 bis
28 Prozent ermittelt. Geschwindigkeitsreduktionen führen ebenfalls zur Reduk-
tion der Feinstaubimmissionen. Eine Verbesserung des Verkehrsflusses kann
einen zusätzlichen Reduktionsbeitrag liefern: Die ständigen Brems- und Be-
schleunigungsvorgänge, die zu hohen Schadstoffausstößen führen, werden redu-
ziert. Außerdem werden die Feinstäube reduziert, die durch Reifenabrieb und
Aufwirbelungseffekte (Straßenstaub) entstehen.

Der große Vorteil gegenüber technischen Maßnahmen, deren Notwendigkeit als
Teil einer Klimaschutzstrategie trotz eines Tempolimits zu unterstreichen ist, ist
die Sofortwirkung, die ohne zusätzliche Kosten eingeführt werden kann.

Ein Tempolimit trägt auch dazu bei, Betriebszustände im Bereich höherer
Geschwindigkeiten zu vermeiden, in denen der Katalysator ansonsten seine so
genannte Volllastanreicherung erreicht, die zu einem sprunghaften Anstieg des
Schadstoffausstoßes führt.

Deutsche Autobahnen gelten im Allgemeinen als sicher. Dies gilt jedoch nur in
Relation zu anderen Straßen mit Gegenverkehr. Dieser Vergleich blendet die
Tatsache aus, dass es auf Autobahnen weder Gegenverkehr noch Fußgänger
oder Radfahrer gibt. 12,4 Prozent der Verkehrsopfer sterben auf Autobahnen.
Behauptungen auf deutschen Autobahnen würde doch schon heute durch-
schnittlich nicht schneller als 120 km/h gefahren, blenden die großen Gefahren
aus, die gerade durch Spitzengeschwindigkeiten von 180 km/h und mehr ent-
stehen.

Erfahrungen mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen zeigen, dass Geschwindig-
keitsbegrenzungen auf Autobahnen positive Wirkungen entfalten. Die situa-
tionsangepassten Geschwindigkeitsregelungen sorgen für eine Reduktion der
Unfälle mit Personenschäden um durchschnittlich 20 bis 30 Prozent. Ähnliche
Erfahrungen wurden auf deutschen Autobahn-Teststrecken mit Tempo 130
gemacht. Dort wurden 30 Prozent weniger Unfälle mit 20 Prozent weniger
Toten festgestellt. Von 1984 bis 1987 galt auf einigen Autobahnen in Hessen
ein Tempolimit von 100 km/h. Hierdurch sank die Zahl der Toten und Schwer-
verletzten um 25 bis 50 Prozent auf den betroffenen Abschnitten.

Geschwindigkeitsbegrenzungen verbessern die Zugangsgerechtigkeit. Durch
die Extremgeschwindigkeiten von einer Minderheit von Rasern und Autofahrern
trauen sich viele – und nicht nur ältere – Autofahrerinnen und Autofahrer nicht
mehr auf der Autobahn zu fahren. Diese Problematik wird durch den demo-
grafischen Wandel weiter verschärft werden, denn im Jahr 2010 wird in Deutsch-
land jeder vierte älter als 65 Jahre sein, 2030 sogar jeder dritte. Ein Tempolimit
entschärft diese untragbare Situation und führt dazu, dass sich wieder mehr
Fahrerinnen und Fahrer auf die Autobahn trauen, die sich an der gültigen Richt-
geschwindigkeit orientieren.

Die Leistungsfähigkeit einer Straße wird nicht durch die maximal zulässige

Geschwindigkeit, sondern durch die Anzahl der Fahrspuren bestimmt. Fahren

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5420

die Fahrzeuge langsamer, kann der Sicherheitsabstand reduziert werden, wo-
durch die Kapazität steigt. Ein allgemeines Tempolimit harmonisiert den Ver-
kehrsfluss insbesondere auf Autobahnen, weil die Geschwindigkeitsdifferenzen
reduziert werden. Bei hohen Verkehrsbelastungen nehmen Unregelmäßigkeiten
im Verkehrsfluss ab, was spontane Staubildungen verhindern kann. Wenn alle
mit geringerer Höchstgeschwindigkeit fahren, können auch alle schneller an-
kommen. Durch diese Kapazitätssteigerung könnten sehr teure Ausbaumaß-
nahmen reduziert werden, so dass mehr Geld für den Erhalt vorhandener Infra-
struktur zur Verfügung stehen würde. Zum Vergleich: Der höchste Verkehrsfluss
mit bis zu 2 600 Autos pro Stunde und Fahrspur würde sich bei ca. 85 km/h ein-
stellen, wenn sich die Geschwindigkeiten der einzelnen Fahrzeuge einander an-
passen und das Lückenspringen im Rahmen gehalten wird. Ein verbesserter
Verkehrsfluss sorgt auch für eine Reduktion von Luftschadstoffen und klima-
schädlichem Kohlendioxid-Emissionen.

Die Lärmimmissionen würden ebenfalls abnehmen, denn Lärmminderungen
beziehen sich nicht nur auf die geringeren Durchschnittsgeschwindigkeiten,
sondern auch auf der sich daraus ergebenden Verstetigung des Verkehrsflusses.
Außerdem tragen insbesondere Exzessivgeschwindigkeiten von 150 km/h und
mehr zu aggressiven Geräuschen bei, die durch ein generelles Tempolimit ver-
hindert würden.

Neben den unmittelbaren Effekten, die sich auf die Verkehrssicherheit und den
Energieverbrauch im Straßenverkehr auswirken, ist auch ein positiver Tech-
nologieeffekt zu erwarten Ein Tempolimit ist Grundvoraussetzung und Signal
an die Autoindustrie für den Bau sparsamerer Autos. Niedrigere Geschwindig-
keiten ermöglichen den Einbau leichterer Motoren, die Sicherheit der Insassen
kann mit geringerem Aufwand und Fahrzeuggewicht sichergestellt werden.
Dieses Downsizing der Fahrzeuge könnte die CO2-Emissionen von PKW in
relativ kurzer Zeit halbieren und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Auto-
industrie im globalen Markt weiter verbessern.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.