BT-Drucksache 16/5301

Die einkommenssteuerrechtliche Behandlung der Geldleistungen für Kinder in Kindertages- und Vollzeitpflege

Vom 9. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5301
16. Wahlperiode 09. 05. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, Carl-Ludwig Thiele,
Gisela Piltz, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde,
Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion
der FDP

Die einkommenssteuerrechtliche Behandlung der Geldleistungen
für Kinder in Kindertages- und Vollzeitpflege

Die Tagespflege, d. h. die Betreuung von Kindern durch Tagesmütter und -väter
ist fester und unverzichtbarer Bestandteil familienergänzender Kindertages-
betreuung in Deutschland. Sie stellt ein der Kindertagesstätte ähnliches, beson-
ders flexibles Angebot im familiären Rahmen sicher. Tagespflege findet regel-
mäßig und gegen Entgelt statt. Selbstständige Tagesmütter- und -väter bieten
Betreuungsmöglichkeiten, die mehr Individualität und mehr Flexibilität als
Krippen, Kindergärten und Kinderhorte erlauben. Die schlechte Versorgung
institutioneller Kinderbetreuung vor allem in den westlichen Bundesländern für
Kinder unter drei Jahren, fehlende Flexibilität der institutionellen Betreuungs-
angebote und der Wunsch und die Notwendigkeit, Erwerbstätigkeit und
Familienarbeit zu verbinden, führen zu einer verstärkten Inanspruchnahme von
Tagespflege. Neben der Individualität und Flexibilität zeichnet sich die Kinder-
tagespflege durch eine enge Bindung zwischen Kind und Tagespflegeperson
aus. Kinder unter drei Jahren sind auf verlässliche Bezugspersonen angewie-
sen, um sich den Alltag zu erschließen. Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz
(TAG) und dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe
(KICK) wurde die Kindertagespflege den Tageseinrichtungen 2005 gleich-

gestellt. Insbesondere wurde die Bildung, Erziehung und Betreuung als fami-
lienunterstützende und -ergänzende Aufgabe der Kindertagespflege festge-
schrieben (§§ 22 f. SGB VIII).

Die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege ist
eine originäre Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe in den Kommunen. Öffent-
liche Tagespflegeverhältnisse werden, nach den §§ 22 ff. SGB VIII von einem
Träger der öffentlichen oder der freien Jugendhilfe vermittelt, ausgestaltet und

Drucksache 16/5301 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

fachlich begleitet, sowie teilweise öffentlich finanziert. Ein bedarfsgerechtes
Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege ist für
Kinder auch unter drei Jahren vorzuhalten, damit Eltern ihr Wunsch- und Wahl-
recht (§ 5 SGB VIII) auch tatsächlich ausüben können.

Pflegegelder aus öffentlichen Kassen an Tagespflegepersonen sind bislang ein-
kommenssteuerfrei und damit auch rentenversicherungsfrei, wenn die Pflege-
tätigkeit nicht erwerbsmäßig betrieben wird (vgl. zur einkommenssteuerlichen
und rentenversicherungsrechtlichen Situation von Müttern und Vätern in der
Tagespflege auch Bundestagsdrucksache 14/7406 und 14/7725). Mit Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. April 2007 (IV C 3 – S 2342/
07/0001) sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2008 die laufenden Geldleistun-
gen, die die Tagespflegeperson für die Erstattung des Sachaufwandes und die
Förderungsleistung erhält, als steuerpflichtige Einnahme aus freiberuflicher Tä-
tigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG qualifiziert werden. Dies soll unabhängig
von der Anzahl der betreuten Kinder und von der Herkunft der vereinnahmten
Mittel gelten. Die Erstattungen an die Tagespflegeperson für die nachgewie-
senen Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie hälftig
für die nachgewiesenen Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung
durch den Träger der Jugendhilfe sollen zu den steuerpflichtigen Einnahmen
gehören. Ferner soll bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
anstelle der tatsächlichen Betriebsausgaben von den erzielten Einahmen 300
Euro je Kind und Monat pauschal als Betriebsausgaben abgezogen werden
können, wobei sich die Pauschale auf eine Betreuungszeit von 8 Stunden und
mehr pro Kind und Tag beziehen und bei geringerer Betreuungszeit anteilig zu
kürzen ist. Es soll der Tagespflegeperson allerdings unbenommen bleiben, die
tatsächlichen Aufwendungen etwa für Nahrungsmittel, Ausstattungsgegen-
stände, Literatur, Kommunikationskosten u. a. nachzuweisen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Umfang wird sich der Bund finanziell an dem geplanten Ausbau
der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren beteiligen, und in
welchem Umfang werden Mittel für die Kindertagespflege zur Verfügung
gestellt?

2. Welches sind die wesentlichen Aussagen des aktuellen Gutachtens des Deut-
schen Vereins zu „Rechtsfragen der Finanzierung von Kindertagesplätzen
aus öffentlicher Hand unter Einbeziehung von arbeits-, steuer- und versiche-
rungsrechtlichen Faktoren“, welche Handlungsaufträge ergeben sich hieraus
für die Bundesregierung, und wann und in welcher Form werden diese um-
gesetzt?

3. In welchem Umfang soll die Tagespflege im Rahmen des geplanten Ausbaus
des Angebots von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren mit
Blick auf das in § 5 SGB VIII verankerte Wunsch- und Wahlrecht der Eltern
verstärkt mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, und falls ja, in wel-
chem Umfang soll dies seitens des Bundes, der Länder bzw. Kommunen
übernommen werden?

4. Wie sollte eine bundesweite Qualitätsoffensive für die Kindertagespflege
ausgestaltet sein, und welche Projekte sind seitens der Bundesregierung für
eine Steigerung der Attraktivität, der Profilschärfung, und zur Steigerung
der Akzeptanz der Kindertagespflege in der Öffentlichkeit geplant?

5. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung in Abstimmung mit
den Bundesländern für den weiteren Ausbau der Kindertagespflege mit
Blick auf ein qualifiziertes Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebot

zu ergreifen, und wie sollen Unterstützungsmaßnahmen und ergänzende
Fortbildungsangebote gefördert werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5301

6. In welcher Form sollten Tagespflegepersonen entsprechen § 43 Abs. 2
Satz 3 SGB VIII für die Anforderungen der Kindertagespflege qualifiziert
sein, und wie beurteilt die Bundesregierung das Curriculum des Deutschen
Jugendinstituts, das 160 Stunden vorsieht?

7. Inwieweit tragen Tagespflegepersonen die Kosten der Qualifizierung selbst,
und welche Möglichkeiten einer öffentlichen Unterstützung gibt es, wie wer-
den die zehn Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds im Rahmen der
Qualifizierung von Tagespflegepersonen eingesetzt, und inwieweit ist eine
Kofinanzierung durch wen in welchem Umfang vorgesehen?

8. Welche Erkenntnisse liegen vor, an welchen Standorten bzw. in welchen
Bundesländern Eltern – wie etwa in Leinfelden-Echterdingen in Baden-
Württemberg – eine Wahlfreiheit dahingehend haben, dass sie aufgrund
eines öffentlichen Zuschusses insbesondere bei der Betreuung der Kinder
unter drei Jahren frei entscheiden können, inwieweit sie die Betreuung
durch eine Kindertagespflegeperson oder im Rahmen einer Kindertages-
stätte in Anspruch nehmen möchten?

9. Wie hat sich die Gesamtzahl der freien und durch das Jugendamt vermittel-
ten Tagespflegepersonen getrennt nach Bundesland während der letzten
Jahre verändert?

10. Wie viele Pflegeerlaubnisse wurden jeweils während der letzten Jahre
erteilt?

11. Wie hoch sind die Aufwendungen der öffentlichen Hand je nach Bun-
desland für einen Betreuungsplatz für ein Kind unter drei Jahren in einer
Kindertagesstätte und im Rahmen der Tagespflege?

12. Wie hoch sind die Beträge, die Tagespflegepersonen in den einzelnen Bun-
desländern im Rahmen der öffentlich geförderten Tagespflege erhalten,
inwieweit wurden diese Sätze während der letzten Jahre verändert, und wie
hoch ist in der Regel das Entgelt für privat organisierte freie Tagespflege?

13. Welche Kooperationsmöglichkeiten zwischen institutioneller Kinder-
betreuung und Tagespflege auch im Rahmen von Modellprojekten sind der
Bundesregierung bekannt, wie werden diese beurteilt, und inwiefern könn-
ten sich hieraus Auswirkungen auf das Entgelt für die in der Tagespflege
tätigen Personen ergeben?

14. Wie viele Kinder werden in der Regel durch eine Tagespflegeperson
betreut, und wie hoch sind die durchschnittlichen Einnahmen einer öffent-
lich vermittelten Tagespflegeperson?

15. Inwieweit entspricht die Behandlung des Ersatzes der Aufwendungen an
Tagespflegepersonen als Einkommen aus selbstständiger Arbeit – ver-
knüpft mit dem Abführen von Beiträgen zur Rentenversicherung und zur
Krankenversicherung – der Zielsetzung der Bundesregierung, für eine
bessere Betreuung von Kindern zu sorgen und Familien zu unterstützen?

16. Inwieweit war das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend an den Sitzungen mit den für die Einkommenssteuer zuständigen
Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. bis 16. März
2007 in Berlin und der Ausgestaltung des Rundschreiben vom 13. April
2007 beteiligt und hat diese Entscheidung gegebenenfalls mitgetragen?

17. Welche Auswirkungen werden die Änderungen durch das Bundesminis-
terium der Finanzen voraussichtlich auf die Zahl der Tagesmütter und
deren Einkommen haben, und welche Maßnahmen wird die Bundesregie-
rung ergreifen, um einen Rückgang qualifizierter Tagespflegepersonen

nach Einführung der Einkommenssteuerpflicht für alle Tagespersonen zu
verhindern?

Drucksache 16/5301 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
18. Wird die Erhöhung der Betriebsausgabenpauschale von 240 Euro auf 300
Euro als ausreichend beurteilt, und auf welcher Berechnungsgrundlage
beruht diese Pauschale?

Berlin, den 9. Mai 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.