BT-Drucksache 16/527

Auswirkungen der Internationalen Rechnungslegung auf die Steuerpolitik

Vom 2. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/527
16. Wahlperiode 02. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der Internationalen Rechnungslegung auf die Steuerpolitik

In der Bundesrepublik Deutschland ist das Prinzip der Maßgeblichkeit des han-
delsrechtlichen Abschlusses für die steuerliche Gewinnermittlung kodifiziert.
Demnach hat sich die Steuerbilanz grundsätzlich nach den handelsrechtlichen
Ansätzen und Bewertungen zu richten.

Seit dem 1. Januar 2005 müssen alle börsennotierten Unternehmen der Euro-
päischen Union ihre Konzernbilanz nach den Richtlinien der International
Accounting Standarts bzw. International Financial Reporting Standarts IAS/IFRS
aufstellen. Im Übrigen können die Mitgliedstaaten wählen, ob sie die IAS/IFRS
auch für den Konzernabschluss nicht börsennotierter Unternehmen und für den
Einzelabschluss der Unternehmen vorschreiben.

Handelsrechtlicher Jahresabschluss und der Abschluss nach IAS/IFRS folgen
unterschiedlichen Ansätzen: So dominiert bei ersterem das Vorsichtsprinzip als
Grundprinzip des Bilanzrechts. Demgegenüber orientieren sich die IAS/IFRS
an den Bedürfnissen potentieller Investoren und Anleger. Entsprechend lassen
sich hinsichtlich der Rechnungslegungsgrundsätze Unterschiede feststellen, die
zu Unterschieden im Erfolgsausweis der Unternehmen führen. Die zuneh-
mende Internationalisierung der Rechnungslegung erhält durch das Prinzip der
Maßgeblichkeit eine steuerpolitische Dimension. Dies verstärkt sich durch die
Pläne der EU-Kommission, eine europäisch einheitliche steuerliche Bemes-
sungsgrundlage auf Basis der IAS/IFRS zu schaffen. Darüber hinaus wird in
Politik und Wirtschaft derzeit diskutiert, ob die Anwendung der IAS/IFRS
zukünftig auch für nicht börsennotierte Konzerne und für den Einzelabschluss
aller Unternehmen vorgeschrieben werden soll.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche wesentlichen Wahlrechte bestehen im Rahmen der Rechnungs-
legung nach IAS/IFRS?

2. Welche wesentlichen Abweichungen von den IAS/IFRS bestehen bei der
steuerlichen Gewinnermittlung, und wie wirken sich diese jeweils materiell
aus?

3. Wie hat sich ausgewirkt bzw. wirkt sich nach Kenntnis der Bundesregierung

die Umstellung der Rechnungslegung der im Deutschen Aktienindex notier-
ten Unternehmen auf IAS/IFRS auf das Bilanzergebnis der betreffenden
Unternehmen aus?

4. Wie hat sich ausgewirkt bzw. wirkt sich nach Kenntnis der Bundesregierung
die Umstellung der Rechnungslegung der unter 3. genannten Unternehmen
auf deren steuerliche Belastung aus?

Drucksache 16/527 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. Welche Optionen bestehen nach Einschätzung der Bundesregierung bei der
Ausübung des Wahlrechts der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Konzernab-
schlüsse nicht börsennotierter Unternehmen und der Einzelabschlüsse der
Unternehmen für die Bundesrepublik Deutschland, und wie wirken sich
diese auf das Maßgeblichkeitsprinzip und die Steuerpolitik aus?

6. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass bei Übernahme der IAS/IFRS
nur für einen Teil der Unternehmen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung
gewährt ist, und wie begründet sie ihre Einschätzung?

7. Teilt die Bundesregierung die verschiedentlich gegen die Maßgeblichkeit
der IAS/IFRS für die Steuerbilanz angeführten verfassungsrechtlichen Be-
denken, dass

a) die Entstehung der IAS/IFRS dem parlamentarischen Entscheidungs-
prozess entzogen ist,

b) die Gewinnermittlung nach IAS/IFRS nicht mit den Prinzipien der
Praktikabilität und Verhältnismäßigkeit der Besteuerung vereinbar ist
und

c) sich die steuerliche Ungleichbehandlung der durch Betriebsvermögens-
vergleich und Überschussrechnung ermittelten Einkünfte verschärft, und
wie begründet sie jeweils ihre Bewertung?

8. Wie würde sich nach Einschätzung der Bundesregierung eine uneinge-
schränkte Maßgeblichkeit der IAS/IFRS für die Steuerbilanz auf die steuer-
liche Belastung der Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland aus-
wirken (bitte aufgeteilt nach Branchen, lang- und kurzfristigen Wirkungen
und Unternehmensgrößen)?

9. Woraus lässt sich nach Einschätzung der Bundesregierung bei uneinge-
schränkter Maßgeblichkeit der IAS/IFRS für die Steuerbilanz eine Verände-
rung der steuerlichen Belastung der Unternehmen ableiten (konkrete Rege-
lungen)?

10. Hält die Bundesregierung die Vorschriften der IAS/IFRS für mit dem für
die Ermittlung des steuerlichen Gewinns maßgeblichen Prinzip der Be-
steuerung nach der Leistungsfähigkeit für vereinbar, und wie begründet sie
ihre Bewertung?

11. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass bei Einführung der IAS/IFRS
auch für den Konzernabschluss nicht börsennotierter Unternehmen und
den Einzelabschluss der Unternehmen die Aufrechterhaltung des Maßgeb-
lichkeitsprinzips hinsichtlich des Erhalts der Steuereinnahmen sachgerecht
ist, und wie begründet sie ihre Bewertung?

Berlin, den 1. Februar 2006

Dr. Barbara Höll
Dr. Axel Troost
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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