BT-Drucksache 16/5268

Ein Europa der Erfolge - Mehr Demokratie in der EU wagen

Vom 9. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5268
16. Wahlperiode 09. 05. 2007

Antrag
der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Florian Toncar, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam
Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina
Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Ein Europa der Erfolge – Mehr Demokratie in der EU wagen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die europäische Idee hat in Deutschland immer breite Unterstützung gefunden.
Völkerverständigung und das friedliche Miteinander nach Jahrhunderten von
Kriegen und der Zerstörungswut von zwei Weltkriegen, der Aufbau von Wohl-
stand für breiteste Bevölkerungsschichten, der allgemeine Zugang zu Bildung
und die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs, Rechtsstaatlichkeit, die Gewährleis-
tung der Menschenrechte für alle, Demokratie und freie Marktwirtschaft: Es
sind liberale Werte, die die Grundlage der Europäischen Union bilden.

Unbeschadet dieser großen Leistungen haben sich in einigen Bereichen
Schwachstellen entwickelt. Die zunehmende Integration hat zu einem – für viele
Bürger – unüberschaubaren Geflecht von Verantwortlichkeiten geführt. Die ge-
fühlte Ferne zwischen Bürgern und europäischen Institutionen hat sich dadurch
vergrößert.

Dabei sind eingeübte nationalstaatliche Entscheidungsprozesse neuen Entschei-
dungsmechanismen auf europäischer Ebene gewichen. Am Ende werden den
Bürgern oft komplizierte Kompromisse präsentiert, die hinter verschlossenen
Türen gefunden wurden. Selbst den Parlamenten bleibt oft nur die Kenntnis-

nahme solcher Kompromisse, etwa im Bereich der EU-Finanzen.

Die mangelnde Transparenz der Entscheidungsfindung und die fehlende demo-
kratische Kontrolle sind so nicht länger hinnehmbar.

Das französisch-niederländische Nein zum Verfassungsvertrag war zugleich
Ergebnis und Ausdruck dieser Entwicklung. Es ist aber auch Indikator für die
demokratische Feinfühligkeit der Bürger. An diesem wichtigen Anliegen muss

Drucksache 16/5268 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
sich die Politik orientieren und die demokratische Legitimität der Europäischen
Union weiter ausbauen.

Demokratische Legitimation wird der Europäischen Union durch das Euro-
päische Parlament und die nationalen Parlamente verliehen. Beide müssen in
Zukunft gestärkt werden. Die nationalen Parlamente sind Wächter der Interes-
sen ihres Wahlvolkes und müssen in Zukunft europäische Entscheidungen stär-
ker unter den Augen ihrer jeweiligen nationalen Öffentlichkeit begleiten. Nur so
sind diese Prozesse für Bürger und Medien transparenter zu gestalten. Das geht
weit über die Kontrolle der Subsidiarität hinaus.

Die Passagen aus dem Verfassungsvertrag zur Rolle des Europäischen und der
nationalen Parlamente müssen in ihrer Substanz unverändert übernommen wer-
den.

Eine der weitreichsten Neuerungen des Entwurfs ist jedoch das Europäische
Bürgerbegehren (Artikel I-47.4 VV-E). Damit soll die Möglichkeit geschaffen
werden, dass Bürger aus verschiedenen Mitgliedstaaten das Recht erhalten, ge-
meinsam die Europäische Kommission zu rechtlichen Schritten aufzufordern,
sofern es gelingt, für ein Anliegen eine Million Unterschriften in „einer erhebli-
chen Anzahl von Mitgliedstaaten“ zu sammeln.

Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich die Initiative von europaweit
über 90 Organisationen, sich für einen Erhalt des Europäischen Bürgerbegeh-
rens einzusetzen. Dies würde nicht nur die Wahrnehmung der Menschen dafür
schärfen, in wie vielen Angelegenheiten des täglichen Lebens mittlerweile die
Europäische Union tätig ist, es würde auch zur Stärkung einer europäischen
Zivilgesellschaft beitragen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit fördern
und dazu beitragen, die Kluft zwischen Europa und seinen Bürgern zu verrin-
gern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

bei den Verhandlungen um eine neue vertragliche Grundlage der EU

– die Rechte des Europäischen Parlaments, wie im Verfassungsvertrag vorge-
sehen, durch eine Ausweitung der Mitentscheidungsverfahren zu stärken;

– die Rolle der nationalen Parlamente nicht auf die Subsidiaritätskontrolle zu
begrenzen;

– sich für die Einführung des Europäischen Bürgerbegehrens – wie im Arti-
kel I-47.4 des Europäischen Verfassungsvertrages beschrieben – einzuset-
zen;

– sich für eine angemessene parlamentarische Beteiligung an der Regierungs-
konferenz einzusetzen;

– das deutsche Parlament kontinuierlich und detailliert über den Verhandlungs-
stand und die Positionierung der Bundesregierung zu den einzelnen Punkten
der neuen Grundlage zu informieren.

Berlin, den 8. Mai 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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