BT-Drucksache 16/5068

Schließung von Wohnungsbordellen

Vom 20. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5068
16. Wahlperiode 20. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Peter Hettlich, Volker Beck (Köln),
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schließung von Wohnungsbordellen

Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitu-
tionsgesetz – ProstG), das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, hat die recht-
liche Benachteiligung von Prostituierten beseitigt. Prostituierte dürfen seitdem
nicht mehr kriminalisiert werden, haben einen durchsetzbaren Anspruch auf ihr
Honorar gegenüber dem Freier oder dem Bordellbetreiber sowie Zugang zu den
Sozialversicherungssystemen. Auch besteht nun die Möglichkeit, Prostituierten
ein angemessenes Arbeitsumfeld und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen,
ohne sich strafbar zu machen. Durch die Schaffung von Rechtssicherheit sollen
Prostituierte des Weiteren Unabhängigkeit von Zuhältern und ausbeuterischen
Bordellbetreibern und Betreiberinnen erlangen können.

Im Prostitutionsgesetz war vereinbart worden, dem Deutschen Bundestag nach
Ablauf von drei Jahren über die Auswirkungen der neuen Rechtslage zu be-
richten. Die zu diesem Zweck sowohl von der damaligen als auch von der
heutigen Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studien nennen das Gesetz
übereinstimmend einen richtigen Schritt. Sie beklagen aber die mangelnde
Umsetzung durch die Länder und die geringe Ausstrahlung des Gesetzes auf
andere Rechtsgebiete, z. B. das Gaststätten- und Gewerberecht und das Bau-
recht.

Rechtssicherheit konnte daher in vielen Bereichen bisher nicht umfassend ein-
treten. In zahlreichen Bundesländern sind aufgrund der mangelnden Umset-
zung für die Prostituierten sogar neue Unsicherheiten entstanden. So berichten
Beratungsstellen von der vermehrten Schließung kleiner Wohnungsbordelle,
die sich vorher korrekt beim Wirtschaftsamt angemeldet hatten. Dabei handelt
es sich zumeist um Prostitutionsbetriebe, die bis zum Zeitpunkt der Aufforde-
rung zur Schließung den beteiligten Behörden bekannt und von ihnen akzep-
tiert waren, weil sie seriös geführt wurden und keine Beschwerden der Umge-
bung vorlagen.

Hintergrund dieser Schließungen ist der Wunsch seitens der Baubehörden, Woh-
nungsbordelle aus Wohn- und Mischgebieten zu entfernen. Die Begründungen
für die Schließungen muten paradox an, orientieren sie sich doch an Urteilen von
Verwaltungsgerichten aus der Zeit vor dem Prostitutionsgesetz, denen zufolge

von Bordellen generell eine „milieubedingte Begleitkriminalität“ und eine „Stö-
rung der Umgebung“ ausgehen. Trotz neuer Gesetzeslage werden Bordelle
damit nach alten Klischees beurteilt.

Eingetreten ist diese Situation, seit Wohnungsbordelle sich aufgrund der neuen
Rechtsordnung bei den Wirtschaftsbehörden nicht mehr als „gewerbliche Zim-
mervermietung“ sondern als „Bordell“ anmelden, vorher haben Baubehörden

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am Standort der anders benannten Bordelle kaum Interesse gezeigt. Das legt
die Vermutung nahe, dass vielerorts nach wie vor eine Doppelmoral existiert:
Sobald Prostitution auch als solche bezeichnet wird, muss sie weichen. Da-
durch wird aber das Prostitutionsgesetz unterlaufen. Denn eine solche pauscha-
le Abwertung der Bordelle ist nach der Legalisierung der Prostitution nicht
mehr hinnehmbar, das bestätigt auch die von der heutigen Bundesregierung
nachträglich eingeholte Studie zum Prostitutionsgesetz „Reglementierung von
Prostitution: Ziele und Probleme“ des Rechtsprofessors Joachim Renzikowski.
Aus seiner Sicht folgt aus der Legalisierung der Prostitution auch eine geän-
derte bauplanungsrechtliche Bewertung. Bei den erforderlichen Abwägungen
könne die früher konstatierte sozialethische Abwertung keine Rolle mehr spie-
len.

Die baurechtliche Relevanz anderer Belange wie beispielsweise Jugend-, Lärm-
oder Nachbarschutz besteht selbstverständlich fort. In den uns bekannten Fällen
lagen aber keinerlei Störungen und Beschwerden vor.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung bekannt, dass derzeit in verschiedenen Bundeslän-
dern korrekt angemeldete Wohnungsbordelle von den Bauämtern ohne Vor-
liegen von Beschwerden der Umgebung geschlossen werden, und wenn ja,
in welcher Zahl?

2. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Prostituierte damit trotz des
Prostitutionsgesetzes einer neuerlichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt sind,
und wie begründet sie ihre Meinung?

3. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass bei einem Weiterbestehen dieser
unsicheren Rechtssituation die Ziele des Prostitutionsgesetzes erreicht wer-
den können, und wie begründet sie ihre Meinung?

4. Wie steht die Bundesregierung zu der Tatsache, dass Bauämter Wohnungs-
bordelle ohne konkreten Anlass schließen und dies mit Gerichtsurteilen
begründen, die noch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Prostitutions-
gesetzes stammen?

5. Hält die Bundesregierung es in Anbetracht der rechtlichen Regelung der
Prostitution für angemessen, dass in zahlreichen Bauämtern noch pauschal
davon ausgegangen wird, dass von Bordellen eine „milieubedingte Begleit-
kriminalität“ und eine „Störung der Umgebung“ ausgehen, und wie begrün-
det sie ihre Ansicht?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Hinweis von Prof. Dr. Joachim
Renzikowski in seinem Gutachten zum Prostitutionsgesetz, wonach das
Prostitutionsgesetz nach dem „Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung“
auch auf das Gewerbe-, Gaststätten- und Baurecht ausstrahlt, auch wenn es
keine expliziten Regelungen für diese Materien enthält?

7. Teilt die Bundesregierung die Rechtsposition des unter 6. genannten Gut-
achtens, dass aus der Anerkennung der Prostitution auch eine geänderte bau-
planungsrechtliche Bewertung folgt, und wie begründet sie das?

8. Wie plant die Bundesregierung sicherzustellen, dass die zuständigen Landes-
behörden bei der Anwendung des Bauplanungsrechtes das Prostitutions-
gesetz berücksichtigen?

Plant die Bundesregierung eine entsprechende Änderung der Baunutzungs-
verordnung oder den Erlass von entsprechenden Verwaltungsvorschriften
nach Artikel 84 Abs. 2 GG, und wie begründet sie ihre Ansicht?

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9. Plant die Bundesregierung entsprechend der Empfehlung der Untersuchung
„Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes“, die das Sozialwissenschaftliche
Frauenforschungsinstitut der Evangelischen Fachhochschule Freiburg im
Auftrag der Bundesregierung erstellt hat, die Einrichtung „interdisziplinärer
Diskussionsforen“ zu verschiedenen Themenbereichen des Prostitutions-
gesetzes, zu der auch Ämter – z. B. Bauämter – eingeladen werden oder die
Einsetzung „Runder Tische“, um die unklare Rechtssituation zu klären, und
wie begründet sie das?

Berlin, den 20. April 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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